Staatstheater Kassel: „Carmen“ ab 31. März zurück auf dem Spielplan

24.3.2024 (pm/red) Nach mehrmonatiger Pause kehrt die beliebte Opernproduktion wieder auf den Spielplan zurück: Georges Bizets „Carmen“ in der Inszenierung von Florian Lutz ist ab Ostersonntag, 31. März, wieder im Opernhaus, in der Raumbühne ANTIPOLIS …

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Aufgemerkt: Deutschland für die Zukunft schlecht gerüstet

Studie zu Reformbedarf und Reformfähigkeit der OECD-Staaten

Marburg 4.4.2011 (mm/red) Deutschland sei „für die Zukunft besser gerüstet als viele andere Staaten in der OECD“ wird in der Fachinformation zu einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung mitgeteilt. Unter der Überschrift „Deutschland für die Zukunft gut gerüstet“ wird zugleich eine Umdeutung der in dieser Studie gewonnenen oft schlechten Ergebnisse und Ranking-Platzierungen vorgenommen. Dies muss befremden.  Diese aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung soll den Reformbedarf und die Reformfähigkeit für den Wirtschafts- und Sozialstandort Deutschland im internationalen Vergleich analysieren. Danach liege die Bundesrepublik unter den 31 untersuchten OECD-Staaten im so genannten Status-Index, der den Reformbedarf abbildet, auf dem achten Platz. Es führen die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Finnland vor Neuseeland, Dänemark, der Schweiz und Kanada. Der Schlussgruppe gehören Italien, die Slowakei, Mexiko, Griechenland und die Türkei an. So erhellt aus der Bertelsmann-Übersicht bereits dass Deutschland bestenfalls im Mittelfeld platziert werden konnte. Wie solches als „gut gerüstet“ bewertet werden kann, muss als Frage deutlich gestellt werden. So wird dies hier als zugleich redaktionell bewerteter Bericht ausführlich veröffentlicht.

Die eigenen Ergebnisse verzerrend, umdeutend und beschönigend geht es weiter im Eigentext über diese Studie. Der Ländervergleich, an dem rund 80 international anerkannte Wissenschaftler mitgearbeitet haben, komme für Deutschland zu einem insgesamt positiven Ergebnis, heißt es. Die Forscher würden vor allem die sehr guten demokratisch-rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen (Platz 6), die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik (7) und die Umweltpolitik (5) loben. Bemängelt würden hingegen die Integrationspolitik (20), die soziale Ungleichheit (17) und die Bildungspolitik (17).

Wer solche Interpretation von schwachen Ergebnissen aus dem Hause Bertelsmann zu verlautbaren sich veranlasst sieht, muss erheblichen Bedarf zur Beschönigung und Kaschierung sehen. So seien zu einer Gegenposition der Redaktion von das Marburger. drei polemisch-überspitzende Fragen formuliert

  • Kommt es in Deutschland auf Integration an angesichts eines signifikant negativen Geburtenüberschusses?
  • Was bedeutet schon soziale Ungleichheit in Deutschland, reicht doch an und für sich ein Sozialstaatsgebot im Grundgesetz?
  • Was kümmert eine schwache Bildungspolitik, lebt Ökonomie hierzulande von unerschöpflichen eigenen Rohstoffreserven?

Umdeutung von höchster Stelle bei der Bertelsmann Stiftung

„Dank der Sozialen Marktwirtschaft hat Deutschland die schwerste Rezession der Nachkriegszeit deutlich besser überwunden als vergleichbare Staaten und ist insgesamt gut für die Zukunft aufgestellt“, sagte Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung bei der Vorstellung der Studie, wird vorab verlautbart. Demnach ist es der Chef selbst, der diese Umdeutelei verantwortet. Vor allem dank sehr hoher demokratischer und rechtsstaatlicher Standards erfülle Deutschland eine der Grundvoraussetzungen für nachhaltige Politikgestaltung. Zudem verfügten Bürger und zivilgesellschaftliche Gruppen nach den Erkenntnissen der Studie über vergleichsweise hohe Beteiligungskompetenzen. Allerdings müsse es künftig noch besser gelingen, die Bürger frühzeitig bei politischen Vorhaben einzubinden. Auch bei Bertelsmann in Gütersloh hat man offentlichtlich inzwischen etwas von Stuttgart 21 und den neuen Wahlergebnissen etc. pp. vernommen.

Auch im Bereich Wirtschaft und Beschäftigung erziele Deutschland eine sehr gute Bewertung und erreiche im Teilbereich Arbeitsmarkt Rang 7. Die Zahl der Arbeitslosen (gerade hat die Bundesagendtur eine erneute Bereinigung ihrer Berechnungsmodalitäten vorgenommen. Red.) liegt tendenziell auf einem geringeren Niveau als vor der Krise. Die Beschäftigungsquote habe die 70-Prozent-Marke übersprungen. Insbesondere bei der Erwerbsintegration älterer Arbeitskräfte habe Deutschland in den letzten Jahren so große Fortschritte gemacht wie kaum ein anderes OECD-Land. Die Forscher loben zudem das verantwortungsbewusste Verhalten der Tarifpartner. Zu den Schattenseiten in diesem Bereich würden allerdings die problematische Beschäftigungssituation von Langzeitarbeitslosen und Geringqualifizierten sowie die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse gehören. Immerhin, dies kommt auf den Tisch, bezeichnet als Schattenseiten.

Bereich Klima und erneuerbare Energien

Dann geht es mit einer Schokoladenseite weiter, so als ob nicht jeder Zeitungsleser längst vieles wüsste. Eine Spitzenposition nehme Deutschland mit Rang 5 im OECD-Vergleich im Bereich Umweltpolitik ein. Der Kampf gegen den Klimawandel habe einen hohen Stellenwert, loben die Forscher, heißt es. Der CO-2 Ausstoß konnte reduziert werden. Erhebliches Verbesserungspotenzial gebe es jedoch noch bei den erneuerbaren Energien. Hier falle der Anteil am Energieangebot im internationalen Vergleich immer noch sehr gering aus. Die unabsehbaren Folgen der Atomkatastrophe in Japan spielen in der Studie aus Zeitgründen keine Rolle.

Das dicke Ende: Soziales, Bildung, Migration

Der Sozial- und Wirtschaftsstandort Deutschland zeige in anderen Feldern weiterhin erhebliche Defizite. Trotz finanzieller Anstrengungen habe die soziale Ungleichheit und das Armutsrisiko innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte zugenommen. Besorgniserregend sei das Phänomen der Kinderarmut, insbesondere in manchen Großstädten. Auch trage die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse zu einem höheren Armutsrisiko bei. Daher liegt Deutschland im Bereich Soziale Inklusion nur auf Rang 17.

Da liegen gleich mehrere Grundprobleme auf dem Tisch, werden von den Bertelsmann-Forschern nicht unter den Teppich gekehrt. Mit atypische Beschäftigungsverhältnisse wird verschleiernd umschrieben, dass reguläre Lohnarbeit weiter verdrängt wird zu Gunsten verschiedener Formen prekärer Beschäftigung, ob Billigentlohnung auf 400-Euro-Basis, fragwürdige Teilzeitbeschäftigung, Leiharbeit oder offen ausbeuterische Unterbezahlung mit staatlicher Subentionierung als sogenannte Aufstocker.

Migranten und der Bildung geht es schlecht im Lande BRD

Im Bereich Integrationspolitik (Platz 20) müsse Deutschland stark aufholen, ist weiter zu lesen. Menschen mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen beim Zugang zu Bildung und auf dem Arbeitsmarkt. Angesichts des demographischen Wandels und des von vielen befürchteten Fachkräftemangels seien verstärkte Anstrengungen bei der Integration von Zuwanderern unumgänglich. Großer Nachholbedarf bestehe auch in der Bildung (Platz 17). Die besondere Herausforderung liege darin, Ungerechtigkeiten beim Bildungszugang zu reduzieren. Immer noch hänge der Bildungserfolg zu stark von sozioökonomischen Faktoren wie dem Einkommen oder dem Beruf der Eltern ab. Dem hat die Redaktion nichts hinzu zu fügen.

Neben dem Status-Index, der den Reformbedarf abbilde, könne über den so genannten Management-Index die Reformfähigkeit gemessen werden. Hier belegt Deutschland unter den OECD-Staaten insgesamt Platz 11. Von den im Management-Index führenden Staaten wie Schweden, Norwegen oder Dänemark könne Deutschland insbesondere noch bei der Steuerungs- und Strategiefähigkeit und der Politikimplementierung lernen.

Mittelmaß war nie gut und darf nicht so bewertet werden

Mittelmässige und schlechte Ergebnisse für eines der führenden Industrieländer, für den Exportweltmeister, für das womöglich um eins nach vorne rückende Deutschland – angesichts eines kommenden Absturzes von Japan – werden in dieser Bertelsmann-Studie reportiert. Die Studie ist wichtig. Ihren Ergebnissen mag man vertrauen können. Der flankierenden Umdeutungsversuch muss hier benannt werden.

Eklatanter Versuch des Schönfärbens und der Umdeutung

Der dazu aus dem Haus Berteilsman gelieferten Interpretation kann und muss man auf die Finger sehen. Euphemismus reicht nicht aus als Bezeichnung für so viel plumpe Umdeutung und Schönrednerei. Das wird derzeit noch von einigen Polit-Parteien und Polit-Abstürzenden übertroffen. Studien sind wichtig. Doch wollen und müssen sie korrekt interpretiert werden. Wer Deutschland mit Neuseeland vergleicht, sollte neu und verändert das Sehen resp. das Bewerten lernen. Wer ökonomisch ganz vorne liegt, dann mit durchgängig schlechteren Bewertungen im Ranking keinesfalls zu frieden sein. Dies wäre die Vorstufe zum ökonomischen Absinken. Ist solches etwas gewollt und tolerierbar, gar von Platz 3 auf Platz 7 oder gar Platz 17 ?

So ist in der Überschrift des Beitrags von Bertelsmann (Deutschland für die Zukunft gut gerüstet) von der Redaktion das Marburger. ein Wort verändert und ausgetauscht worden. Anstelle von gut wurde schlecht verwendet. Bewerten kann dies jede(r) Leser(in) für sich selbst. Wer mag, kann das Thema samt Studie vertiefen und aneignen. Weitere Informationen und die Ergebnisse dieser wichtigen Bertelsmann-Studie gibt es im Internet.

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