Staatstheater Kassel: „Carmen“ ab 31. März zurück auf dem Spielplan

24.3.2024 (pm/red) Nach mehrmonatiger Pause kehrt die beliebte Opernproduktion wieder auf den Spielplan zurück: Georges Bizets „Carmen“ in der Inszenierung von Florian Lutz ist ab Ostersonntag, 31. März, wieder im Opernhaus, in der Raumbühne ANTIPOLIS …

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Leben wir in Zeiten moralischen Verfalls? – Christian-Wolff-Vorlesung mit Ágnes Heller

300 Zuhörer besuchten die diesjährige Christian-Wolff-Vorlesung  in der Aula der Alten Universität mit Ágnes Heller zum Thema ‚Leben wir in Zeiten moralischen Verfalls?‘. Foto Marie Altenhofen

Marburg 3.11.2012 (ma) Korrupte Ärzte versteigern Organe an den Meistbietenden; in Deutschland besteht ein erhöhtes Gewaltpotential und die Jugendkriminalität steigt stetig an. Das Moralbewusstsein der Deutschen scheint zu verkümmern. Dies sind nur einige vermeintliche Fakten, die im vergangenen Jahr durch die Presse an die Bevölkerung herangetragen wurden. Die Berichterstattung reduziert sich dabei nicht nur auf den ‚Otto Normalbürger‘, auch der Fall ‚Wulff‘ sorgte für großes Aufsehen. Immer eindringlicher werden dabei durch Medien die Phrasen ‚moralisch fragwürdig‘ und ‚kognitiver Werteverfall‘ in die Köpfe der Rezipienten infiltriert. 

Aus aktuellem Anlass sprach daher am Donnerstagabend im Rahmen der Christian-Wolff-Vorlesung die ungarische Philosophin Ágnes Heller (*1929). 300 Zuhörer warteten in der Aula der Alten Universität um 20  Uhr gespannt auf ihren Vortrag zum Thema ‚Leben wir in Zeiten moralischen Verfalls?‘

Die Christian-Wolff-Vorlesungsreihe wurde 1999 von Prof. Peter Janich initiiert und beinhaltet Vorträge zu Themen der Aufklärung und ihren Fortführungen in der Gegenwart. Sie soll insofern auf Konflikte der Gegenwart hinweisen und in diesem Sinne Aufklärungsarbeit leisten. Namensgeber der Vorlesungsreihe ist der Philosoph Christian Wolff (1679-1754), einer der bedeutendsten Philosophen der europäischen Aufklärung. Er lehrte von 1723-1740 in Marburg.
Zu Beginn der Veranstaltungen sprach Prof. Christoph Demmerling, Universitätsprofessor für Systematische und Theoretische Philosophie, und alter Bekannter von Frau Heller einige einführende Worte zu ihrem Leben und Werk.

Ágnes Heller wurde am 12. Mai 1929 in Budapest geboren. Nach ihrer Flucht vor dem NS-Regime kehrte sie 1955 nach Ungarn zurück und promovierte dort unter Lukács und war jahrelang seine Assistentin. Aufgrund der politischen Unterdrückung emigrierte sie 1977 nach Australien.

Neben einer Soziologie-Professur in Melbourne trat sie 1986 die Nachfolge von Hannah Arendt in der New School for Social Resarch in New York an. Sie hat für ihre sozialphilosophischen Arbeiten und ihr couragiertes politisches Engagement erst kürzlich (2012) den Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik erhalten.

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Die Frage, ob wir in Zeiten eines moralischen Verfalls leben, steht in engem Zusammenhang mit einer weiteren Frage, die Frau Heller in ihrem Vortrag aufwarf: Ist der Mensch von Grund auf gut oder böse?

Für sie steht fest, dass der Mensch zwar mit bestimmten Grundeigenschaften geboren wird, diese jedoch in keinem Fall determinierend sind. Jeder Mensch hat somit die freie Wahl das Gute oder Böse zu wählen. Dementsprechend können falsche Entscheidungen getroffen werden. Ein Mensch, der durchaus in der Lage ist gut von böse zu unterscheiden, kann sich dennoch das Böse wählen. Zwar besitzen wir die kognitive Fähigkeit zwischen Gut und Böse zu differenzieren und wissen dementsprechend, was moralisch ‚richtig‘ ist, ob dieses Wissen mit den tatsächlichen Handlungen korrespondiert, ist eine andere Frage. Gute Menschen existieren, genau wie in allen anderen Generationen zuvor. Ágnes Heller würde daher ihre Ausgangsfrage, ob wir in Zeiten moralischen Verfalls leben, mit ‚Nein‘ beantworten.

Abschließend lässt sich dem Vortrag von Ágnes Heller hinzufügen, dass die mediale Berichterstattung zum Thema Moralentwicklung häufig nicht mit den statistischen und empirischen Fakten übereinstimmt. Als Beispiel sei hier die Jugendkriminalität genannt. Diese ist in den letzten Jahren keineswegs tatsächlich angestiegen.

Veröffentlichungen von Ágnes Heller

Die Auferstehung des jüdischen Jesu. Berlin 2002.
Der Affe auf dem Fahrrad. Berlin 1999.
- Ist die Moderne lebensfähig? Ffm 1995.
Biopolitik. Ffm 1995.
Requiem für ein Jahrhundert. Hamburg 1995.
Der Mensch der Renaissance. Ffm 1988.
Der sowjetische Weg. Bedürfnisdiktatur und entfremdeter Alltag. Hamburg 1983.
A theory of history. London 1982.
Theorie der Gefühle. Hamburg 1982.
Das Leben ändern. Gespräche mit Ferdinando Adornato. Hamburg 1981.
Theorie der Bedürfnisse bei Marx. Hamburg 1980.
Versuch über das Alltagsleben. Ffm 1978.
Philosophie des linken Radikalismus. Ein Bekenntnis zur Philosophie. Hamburg 1978.
Die Seele und das Leben. Studien zum frühen Lukács. Ffm 1977.
Instinkt, Aggression, Charakter. Einleitung zu einer marxistischen Sozialanthropologie. Berlin 1977. Alltag und Geschichte. Zur sozialistischen Gesellschaftslehre. Berlin 1970.

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