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Osterspaziergang gegen Kriegsdenkmal in Bortshausen – Nicht länger rückwärtsgewandter Kriegsheldenkult in Marburg

Marburg 2.4.2013 (red) An vielen Orten in Deutschland gab es wieder Ostermärsche, nach Medienberichten marschierten in Frankfurt rund 2.000 Teilnehmer. In Kassel waren es 500 Ostermarschierer. In Marburg passierte währenddessen ein Osterspaziergang friedensbewegter und besorgter Bürger die Bahnhofstraße mit Zielort Schülerpark. Bei der Kundgebung dort war es Anliegen erneut Protest zu artikulieren gegen eine „skurrile Kriegsheldengedenkstätte“ an der südlichen Gemarkungsgrenze der Unversitätsstadt. Als Redner vergegenwärtigte Karsten Engewald (BI Kein Kriegsdenkmal in Marburg-Bortshausen), wie es zu diesem Anachronismus mit fragwürdigen Rechtsverstößen gekommen ist – eine ebenso beschämendes wie bestürzendes Geschehen. das Marburger. veröffentlichet die Rede des Sprechers als Gastbeitrag:

„Die Zahl der deutschen Kriegerdenkmäler zur Zahl der deutschen Heine-Denkmäler verhält sich hierzulande wie die Macht zum Geist.“ Dieses Aussage Kurt Tucholskys aus dem Jahre 1929 (in „Die Weltbühne“, Nr. 28 vom 9. Juli 1929, Seite 58) hat leider nichts an Aktualität verloren, denn durch die völlig sinnlose Aufstellung eines aus dem Zusammenhang gerissenen Denkmals aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 im Mai 2011 in einem Kleingarten im Marburger Stadtteil Bortshausen hat sich dieses Verhältnis leider weiter verschlechtert.

Direkt am Radweg in Höhe von Bortshausen findet sich die skurrille und militaristische 'Denkmalanlage' nach dem Geschmack der Marburger Jäger und in fragwüridger Duldung seitens städtischer Behörde. Foto Hartwig Bambey

Direkt am Radweg in Höhe von Bortshausen findet sich die skurrille und militaristische ‚Denkmalanlage‘ nach dem Geschmack der Marburger Jäger und in fragwüridger Duldung seitens städtischer Behörde. Foto Sternbald-Archiv.

Das 3 Meter große Militärdenkmal mit der Aufschrift ‚Mit Gott, für König und Vaterland‘ hat historisch nichts mit Bortshausen zu tun und verwandelt nun einen Gemüsegarten in eine skurrile Kriegsheldengedenkstätte. Der Gottesbegriff, in dessen Namen dort für preußische Könige und vergangene nationalistische Vaterländer Kriege beschworen wurden und unzählige Menschen gestorben sind, wird hier in inakzeptabler Weise missbraucht. Während die Namen der Täter von damals eingraviert sind, bleiben ihre Opfer namenlos. Ein derart unkritischer und verdrehter Umgang mit historischen Kontexten gehört mitsamt dem Denkmal auf den Friedhof, wenn nicht auf den Müllplatz der Geschichte.

Bis heute konnte niemand, weder die Kameradschaft Marburger Jäger, die den Klotz aufstellte, noch der Magistrat, der diesen Unsinn heimlich unterstützte, noch die Behörden, die den Vorgang durchwinkten, obwohl er gegen Baurecht, Flächennutzungsplan und Denkmalschutz verstößt, eine sinnvolle Erklärung liefern, was der Stein dort eigentlich soll.

Sowohl die Umstände seiner Aufstellung als auch die Tatsache, dass der illegale Klotz heute immer noch dort steht, sind bis in die Gegenwart derart dubios, dass sie ernsthafte Zweifel an der Eindeutigkeit des Wortes Rechtsstaat hinterlassen. Während der Oberbürgermeister zunächst behauptete, er wisse gar nichts von einem Denkmal und hätte seine Aufstellung keinesfalls unterstützt, stellte sich dies bald als Unwahrheit heraus. Der Magistrat hatte zuvor nämlich eine Aufstellung in der Kernstadt in Kenntnis der problematischen Kameradschaft abgelehnt und der OB daraufhin die Verklappung des Steins in der Peripherie mit 1.000 Euro aus dem Stadtsäckel aktiv betrieben.

dbaz0423_0047-DenkmalDer militaristische Steinphallus sollte wohl einfach in der Hoffnung, dass es niemand bemerkt, „aus den Augen aus dem Sinn“ verschwinden. Auch die Behauptung des OB, die Unterstützung wäre nur als geldwerter Vorteil erfolgt, indem der Dienstleistungsbetrieb die Aufstellung geleistet, aber nicht berechnet hätte, entspricht nicht der Wahrheit, denn tatsächlich wurde der Stein von einer privaten Firma aufgestellt.
Die Marburger Stadtverordnetenversammlung verurteilte daraufhin die Aufstellung des Denkmals in Bortshausen und beschloss in Ordentlicher Sitzung mehrheitlich, dass der Stein wieder entfernt werden muss, die Angelegenheit vollständig aufzuklären und jegliche Zusammenarbeit von Magistrat und Kameradschaft Marburger Jäger einzustellen ist.
Da dieser Beschluss vom Magistrat der Stadt Marburg unterlaufen wurde und lediglich ein Gutachten über die Geschichte der Marburger Jäger beauftragt wurde, reichte die Bürgerinitiative Kein Kriegsdenkmal in Bortshausen eine entsprechende Eingabe beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtages ein. Dieser Antrag wurde positiv beschieden und im Oktober 2012 schrieb das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung als zuständiges Fachministerium:

„Die Nutzung des Grundstücks hat … den Charakter eines Denkmalplatzes … Damit widerspricht die tatsächliche Nutzung den Vorgaben des Flächennutzungsplans. Deshalb ist der Gedenkstein an seinem jetzigen Standort nicht zulässig … so dass entsprechend ihrem Begehren die Untere Bauaufsichtsbehörde der Stadt Marburg gehalten ist, die Beseitigung des Gedenksteins zu veranlassen.“

Nach nochmaliger Rückversicherung beim Ministerium wendeten wir uns an den Magistrat und die Öffentlichkeit, doch in der Folge verstrichen die gesetzten Fristen und wieder gingen mehrere Monate ins Land. Erst auf nochmaliges Nachhaken kam heraus, dass über Weihnachten offenbar politischer Einfluss auf die Rechtsauffassung des Ministeriums ausgeübt wurde. Der zuständige Sachbearbeiter war über die Feiertage abgezogen worden und nun hieß es in einer 180-Grad-Wende:
„Falls die planungsrechtlichen Grundlagen für die Legalität des Gedenksteins nicht geschaffen werden oder der Gedenkstein nicht von der Kameradschaft Marburger Jäger /2. Panzergrenadierdivision selbst entfernt wird, ist dieser nicht zwangsläufig zu beseitigen.“

Statt zu begründen, warum die offizielle Rechtsauffassung des Ministeriums jetzt nicht mehr anzuwenden sei, oder auch nur die Petenten über die Kehrtwende zu informieren, delegierte der Staatssekretär die Angelegenheit zurück an den Magistrat und mahnte Wahrung des Rechtsfriedens und Beachtung der Aspekte der Verhältnismäßigkeit. Auch auf dezidierte Nachfragen beim zuständigen Minister und Staatssekretär kam keine Antwort auf die Frage, warum die Kameraden etwas dürfen, was das Ministerium selbst für unrechtmäßig beschieden hat und was sonst niemand darf.

Die Angelegenheit ist mittlerweile zurück an den Petitionsausschuss gegangen, denn diese Vorgehensweise widerspricht unter Anderem dem Petitionsrecht. Abgesehen davon kann „Wahrung des Rechtsfriedens“ nur bedeuten, die zuvor begründete Rechtsauffassung durchzusetzen und „Beachtung der Verhältnismäßigkeit“ nur meinen, ein unverhältnismäßiges, weil historisch unsinniges Kriegsdenkmal, wieder zu entfernen.

An die Adresse des Magistrats sage ich – Fehler sind menschlich, aber wie jeder Mensch in verantwortungsvoller Position müssen Sie in der Lage sein, diese auch einzugestehen und zu korrigieren: Das Kriegsdenkmal hätte niemals in Bortshausen aufgestellt werden dürfen. Herr Kahle hat dies in einem Radiointerview bereits eingeräumt. Jetzt muss es, gemäß historischer Verantwortung, gültigem Parlamentsbeschluss, geltendem Bau- und Flächennutzungsrecht sowie gesundem Menschenverstand, wieder entfernt werden.

Auch vor dem Hintergrund des vom Magistrat beauftragten und kürzlich fertiggestellten Berichtes zur Geschichte der Marburger Jäger gibt es kein weiteres Wegsehen mehr – es darf nicht länger am falschen historischen Ort ein rückwärtsgewandter Kriegsheldenkult in Bortshausen toleriert werden – stattdessen muss gehandelt werden und zwar schnell – das Kriegsdenkmal muss weg!
Ich bedanke mich.
Karsten Engewald

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