Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Frank Deppe präsentiert „Autoritärer Kapitalismus“ – Buchvorstellung vor 150 interessierten Zuhörern

Autor Frank Deppe bei Buchvorstellung "AutoritŠrer Kapitalismus. Demokratie auf dem PrŸfstand"140129 (yb) Die anhaltenden Veröffentlichungen und Diskussionen um die weltweiten Datenschnüffeleien der NSA, die nicht vor Millionen Bürgern Halt und damit deren Grundrechte obsolet macht, ist in unserer Zeit nur ein Symptom antidemokratischer Praxis von staatlicher Seite. Ob Umgang mit Demonstranten in der Ukraine oder in Russland, die Demokratie als Staatsverfassung und Regierungsform unterliegt rund um dem Globus vielen Belastungen, Veränderungen und Retardierungen. Mit diesbezüglichen Fragen und einer zugleich historischen wie perspektivischen Betrachtung subsummiert im Buchtitel „Autoritärer Kapitalismus – Demokratie auf dem Prüfstand“ gab es im TTZ einen Abend zur Auseinandersetzung und Suche nach Erklärungen. Thema und Buchneuerscheinung entfalteten dabei wohl ebenso Anziehungskraft wie der Name des Autors und Vortragenden, samt Werk und Wirken als Professor der Politikwissenschaften an der Philipps-Universität Marburg bis zum Jahr 2006.

Bereits eine Viertelstunde vor Beginn war der nicht eben kleine Raum ‚Südseite‘ des TTZ voll besetzt. Angesichts der überwiegend älteren Teilnehmer artikulierte ein Besucher „ein linkes Pensionistentreffen“, es war eine keinesfalls abwegige Beschreibung. Veranstaltungsraum gefüllt, doch der Zustrom wollte kein Ende nehmen. Stühle allesamt besetzt, also erschienen die Nachkommenden mit einem Stuhl in den Händen. Im Raum wurde es eng und enger. Es kam der Vorschlag die Tische raustragen. Die Tische rausgebracht, reichte der Platz immer noch nicht. Als dann die meisten mühsam Platz gefunden, kam per Ansage der Hinweis, dass die Veranstaltung in den Saal des TTZ umziehen sollte, wo die gut 150 Interessierten ausreichend Platz und Stühle vorfanden.

dbav0129_0052-Frank_DeppeEbensowenig wie an interessierter Zuhörerschaft mangelte es in den Ausführungen Prof. Frank Deppes an aktueller Anschaulichkeit und hintergründigen Erklärungen zu gesellschaftlichen und staatlichen Entwicklungen, die  Zusammenleben und Politikverständnis als demokratisch zunehmend obsolet machen.

„Es geht mir in diesem Buch um das Verhältnis von Kapitalismus und Demokratie“, sagte Deppe eingangs und vertiefte sofort. Mit Blick auf das 20. Jahrhundert sei die Frage aufzuwerfen: „Warum verlassen die Herrschenden den Boden der Demokratie um ihre Herrschaft zu sichern?“ Seine Betrachtung spitzte er zu in Gestalt einer These. „Seit der letzten großen Krise in 2008/ 2009 befinden wir uns im Übergang zu einem autoritären Staat.“

Er sieht dies als eine Folge und Konsequenz zunehmender sozialer Instabilität in den entwickelten kapitalistischen Staaten. Ein ständig wachsender Teil der Bevölkerungen müsse in Angst vor materiellem und sozialem Abstieg leben.

Cover Deppe Autoritaerer KapitalismusEs fiel Deppe nicht schwer Anschauung und Belege zu benennen. Beim Historiker Hans-Ulrich Wehler findet sich dies beschrieben in dessen Feststellung: „Wachsende soziale Ungleichheit unterminiert die Demokratie.“ Vertieft und beschrieben findet sich dies im Buch „Postdemokratie“ von Colin Crouch. Ein Begriff dazu vom deutschen Philosophen Jürgen Habermas lautet „Fassadendemokratie“. Weitere Anschauung zu umgehender „autoritärer Wende“ brachte die Vergenwärtigung auf Margret Thatchers Politik begründet mit „There is no alternative“. Beim Verweis auf die ohne Begründungen daherkommende „Basta-Politik“ von Gerhard Schröder konnte sich Deppe der Zustimmung aus dem Publikum gewiss sein.

Mit Blick auf die große Krise von 1929 und den damals aufziehenden Faschismus verwies Deppe auf seine zweite These: Der Übergang zu einem autoritären Kapitalismus heute sei nicht mit den Veränderungen in 1933 vergleichbar. „Damals gab es die Ängst vor der Sozialdemokratie und Roter Revolution. Diese Angst ist heute nicht mehr vorhanden.“

Eine durchaus angstgeleitete – jedenfalls mit Ängsten begründetete und gerechtfertigte – neuerliche Wendung sei mit dem Datum 9 / 11 und den Terroranschlägen 2001 in Amerika von Präsident Georg W. Bush eingeleitet worden, als eine deren Folgemaßnahmen die weltweiten Abhörmaßnahmen der NSA nun einmal wahrzunehmen sind.

Zur notwendigen Erklärung dieser Entwicklungen in der politischen Sphäre, die von Vertrauensverlusten der Menschen begleitet, mit abnehmender Wahlbeteiligung aber auch von punktuellen Widerstandshandlungen wie der Occupy-Bewegung einhergegangen sind, kam dann die Sprache auf die dominierende Rolle der Finanzmärkte. Die Märkte als Zauberwort unserer Zeit. Gemeint sind dabei die Finanzmärkte mit dem darin im Übermaß akkumulierten Kapital. Deppe erblickt die Ursache der nach wie vor anhaltenden Krise (als neues Phänomen) als nach wie vor gegeben, weil nur kosmetische Veränderungen vereinbart wurden und es unterlassen wurde notwendige große Schuldenschnitte samt damit verbundener Bereinigung – sprich Abbau – in Übermaß vorhandener riesiger privater Kapitalanhäufungen anzugehen.

Als im krisengeschüttelten überschuldeten Griechenland die Regierung Papandreou mit einer demokratischen Volksabstimmung anstehende Maßnahmen von den Wählern abstimmen lassen wollte, wurde sie abgesetzt. Dieses krasse und deutliche Gebahren innerhalb der EU vor wenigen Jahren unterlegt die Thesen des Wandels zum Autoritären Kapitalismus allzu anschaulich. Der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher bezeichnete dies als „Kurssturz des Republikanischen“. Der frühere Vorstand der Deutschen Bank Rolf Breuer hatte bereits Jahre zuvor von den „Finanzmärkten als neuer fünfter Gewalt“ gesprochen.

dbav0129_0087-BuchvorstellungIn dem Schlußkapitel seiner neuen Veröffentlichung geht Deppe auf aktuelle Entwicklungen in den neuen Schwellenländern Russland, China und Indien ein und versucht damit zugleich den Blick nach vorne zu richten. „Wir wissen noch nicht in welche Richtung und mit welcher Konsequenz sich das weiter entwickeln wird“, lautete seine Einschätzung am Ende der Ausführungen.

Nach Antworten zu einigen Fragen aus dem Publikum, wie nach der Gefahr des Erstarkens rechtspopulistischer Kräfte in Frankreich (Marine le Pen) und Holland (Geert Wilders), dankten die interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer Frank Deppe mit ihrem Beifall. Irgendwie hatte der Abend für manche(n) etwas von einer Vorlesung. Der Marburger Politikwissenschaftler hat sein Arbeiten und Publizieren nicht mit dem beruflichen Ruhestand sein gelassen. Seine Themen und Ausführungen interessieren (und überzeugen) ganz offensichtlich, ganz und gar an diesem in Abend im Saal des TTZ in Marburg.
Fotos Hartwig Bambey copyright 2014

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