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Maßnahmen gegen Wohnungsnot eingefordert – Themenabend der DGB-Senioren

Ein interessiertes und kritisches Publikum war zum Thema 'Wohnen in Marburg' im TTZ erschienen und griff die Impulse der Vorträge von Bernd Gökeler und Werner Girgert auf. Die dreistündige Veranstaltung mit vielen Fragen und Diskussionsbeiträgen wurde damit zu einem lebendigen Forum wohnungspolitischer Forderungen an die Stadtpolitik. Foto Hartwig Bambey

Ein interessiertes und kritisches Publikum war zum Thema ‚Wohnen in Marburg‘ im TTZ erschienen und griff die Impulse der Vorträge von Bernd Gökeler und Werner Girgert auf. Die dreistündige Veranstaltung zu vielen Aspekten auch in Diskussionsbeiträgen wurde damit zu einem lebendigen Forum wohnungspolitischer Forderungen an die Stadtpolitik. Foto Hartwig Bambey

140527 (yb) Die Veranstaltung der DGB-Senioren am 26. Mai im TTZ zur Wohnungsfrage und -versorgung wollte Fakten und Hintergründe zur Wohnungsituation und Baupolitik in Marburg zur Sprache bringen. Dazu wurden Bernd Gökeler als Sprecher der MS-Selbsthilfegruppe Marburg-Biedenkopf und der Soziologe Werner Girgert als Referenten von Ralf Schrader begrüßt. Diese Referenten brachten in ihren übersichtlichen Vorträgen wichtige Hintergründe zum Wohnungsthema allgemein und zur Marburger Situation zur Sprache. Das Publikum hörte es mit Interesse und nutzte den Abend für eine lebendige Diskussion. Dass fehlender Wohnraum, besonders Wohnungen mit ‚Universal Design‘, mithin dem grundlegenden Merkmal ‚barrierefrei‘, hier ein verbreitetes und wachsendes Problem sind, hat sich inzwischen herumgesprochen.

So ist es an diesem Abend gelungen neben Defiziten auch Lösungsansätze aufzuzeigen und Richtung Stadtpolitik und den Akteuren im Wohnungsbau zu artikulieren. In der lebhaften Diskussion wurde deutlich, dass Forderungen an politisch Verantwortliche zu richten sind, um eine grundsätzliche Abwendung von einer neoliberalen Wohnungspolitik herbeiführen zu können. Der Glaubenssatz, „dass die Kräfte des Marktes am besten geeignet sind um Wohnraum zu schaffen“, sei nun über alle Maßen widerlegt. Damit reihte sich dieser Themenabend in den Kontext vorhergehender Veranstaltungen ein, die Forderungen nach Veränderungen in der Wohnungspolitik der Stadt Marburg vortragen. Die Anwesenheit von vier Stadtverordneten und zwei verantwortlichen Mitarbeitern aus der Stadtverwaltung bei dieser DGB-Veranstaltung veranschaulichte die inzwischen gewachsene Sensibilität und Aufmerksamkeit für die Wohnungsprobleme in der Universitätsstadt.

Referent Bernd Gökeler von der MS-Selbsthilfegruppe

Referent Bernd Gökeler von der MS-Selbsthilfegruppe

In seinem Eröffnungsreferat plädierte Bernd Gökeler für eine gleichermaßen ganzheitliche und zukunftsorientierte Wohnungspolitik. Es gehe beim Wohnen in grundlegender Weise um das Menschenrecht auf Teilhabe. Der Fehlbestand von 300 barrierefreien Wohnungen in Marburg verdeutliche ausgeprägten Handlungsbedarf. Dazu beigetragen habe, dass in Marburg seitens der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau seit 1996 kein Sozialer Wohnungsbau mehr geleistet worden ist. Auch der Bestand der Wohnungen der Gesellschaft sei überaltert und sei den Erfordernissen von heute durch unterlassene Modernisierungen nicht angepasst worden. Dazu benannte Gökeler eine verfehlte Genehmigungspraxis und Bebauungspläne, in denen auf vorhandene Steuerungsmöglichkeiten, wie anteilige Quoten für Sozialwohnungen, verzichtet werde. Hinzu komme, dass hinsichtlich der steigenden Nebenkosten seitens der Stadtwerke Marburg es keinen Sozialtarif beim Strombezug für Menschen mit niedrigen Einkommen gebe. „Der schlechten Versorgung mit bezahlbarem und geeignetem Wohnraum liegen politische Entscheidungen zu Grunde“ betonte Gökeler. „Es ist doch der Oberbürgermeister, der im Aufsichtsrat der GeWoBau den Ton angibt und verantwortlich zu machen ist.“

Bezüglich der rund 300 Wohnungen, die von der Gemeinnützigen Wohnbau Hessen (GWH) mit Förderung durch das Land neu gebaut werden sollen, kritisierte Gökeler die geplante Platzierung in den Stadtteilen Richtsberg und Waldtal. Damit werde einer Ghettobildung Tür und Tor geöffnet und den Erfordernissen von sozial durchmischten Wohnquartieren zuwider gehandelt. Als aktuelles Beispiel einer Fehldisposition benannte der ein geplantes Studentenwohnheim in der Gutenbergstraße am Ort des früheren Arbeitsgerichts. „Dorthin genau gehören barrierefreie Sozialwohnungen für ältere Menschen, für Behinderte und andere Menschen“, führte er aus. „Studenten sind mobil, kommen auch vom Richtsberg in die Stadt. Gerade für Menschen mit Beeinträchtigungen eignet sich die Gutenbergstraße zum Wohnen in zentraler Lage der Innenstadt mit guter Nahversorgung.“

Mit Verweisen auf genossenschaftliches Bauen, erfolgreiche Modelle in anderen Städten und der Forderung nach einer ‚Sozialsatzung für den Wohnungsbau‘ „so wie in Marburg ja einmal eine Solarsatzung geschaffen wurde“, machte Gökeler Handlungsmöglichkeiten sichtbar, was vom Publikum mit viel Beifall bedacht wurde.

Rückzug des Staates vom Sozialen Wohnungsbau ist neoliberale Wohnungspolitik

dbau0526_0010_Sozialer Wohnungsbau in Dtld‚Neoliberale Wohnungspolitik und ihre Folgen‘ veranschaulichte Werner Girgert in seinem Referat. Die Einstellung der Förderung des ‚Sozialen Wohnungsbau‘ seitens des Bundes, der Verkauf von rund 1 Million Wohnungen aus öffentlichem Eigentum an Finanzinvestoren seien Maßnahmen einer fehlgeleiteten Wohnungspolitik, die einer Marktorientierung unterworfen wurde. Damit sei die Grundlage einer Unterversorgung mit bezahlbarem Wohnraum in Deutschland geschaffen worden. Die ‚Kräfte des Marktes‘ hätten eben hier genau nicht gewirkt, was sich an der Entwicklung der Nettokaltmieten ablesen lasse.

Neben den Wirkfaktoren von oben, also von der Bundespolitik und vom Land Hessen, beschäftigte sich Girgert mit der Entwicklung in Marburg, wo es seit vielen Jahren keine Wohnungspolitik mit sozialer Orientierung mehr gebe. So sei etwa die städtische GeWoBau dazu missbraucht worden in Cölbe ein Seniorenheim zu bauen oder die Modernisierung des Bahnhofsgebäudes zu leisten. Verantwortlich dafür sei die Politik in Marburg und deren Akteure, die solches ‚Fremdgehen‘ der Wohnungsbaugesellschaft veranlassten.

Als geradezu notwendige Folge seien in Marburg die Mieten überproportional gestiegen. Bei der Neuvermietung von Wohnungen liegen die Quadratmeterpreise hier inzwischen weit oben im bundesweiten Städtevergleich, übertroffen beinahe nur noch von der Stadt München, zeigte Girgert auf.

Er formulierte eine Reihe von Thesen zur Wohnungsversorgung und -politik in Marburg, wo viele Unterlassungen und Fehlorientierungen zu beklagen seien. Als konkretes Beispiel benannte er die Sanierung des Gebäude in der Uferstraße (vormals Kreisjobcenter), worin 34 Mietwohnungen in Regie der GeWoBau geschaffen wurden. 6 Wohneinheiten haben dort einen Quadratmeterpreis von 8,20 Euro kalt. Bei 28 Wohneinheiten liegt der Quadratmeterpreis bei 9,65 Euro Kaltmiete. Die Folge solcher unrühmlicher Maßnahmen – zudem in Verantwortung der Stadt Marburg – sei eine wachsende Verdrängung von Menschen mit niedrigem Einkommen aus der Innenstadt.

Aus den Reihen des Publikums wurden Beispiele zu verbreiteten Problemen in Marburg eingebracht. So fehlte es am Schluss nicht an Forderungen für einen deutlichen Kurswechsel in der Marburger Wohnungspolitik. Die DGB-Senioren wollen ihrer gelungenen Veranstaltung weitere zum gleichen Thema folgen lassen. Dass dafür viel Veranlassung und Bedarf besteht, ist erneut allzu klar gewoden.

 

 

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