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Abschied unterm Sternenzelt – Zum Tod der Marburger Künstlerin Katharina N. Eitel

Katharina EitelMarburg 1.6.2016 (pm/red) Katharina Natalie Eitel hatte einen ausgeprägten Sinn für Raum und Licht, Material und Farbe. Mit selbstgeschöpften Papieren und handmarmorierten Flächen und Motiven übermittelte sie poetische Botschaften und öffnete mit Kunst-Installationen neue spirituelle Räume. Auch mit Pinsel, Feder und Fotografie entstanden Momentaufnahmen, Portraits und Stimmungsbilder von großer Leichtigkeit, oft mit einem humorvollen Augenzwinkern, oder mit einem Wimpernschlag zum Auslöschen temporärer schwermütiger Gedanken.

Katharina Natalie Eitel wurde am 8. Mai 1946 in eine traditionsreiche Marburger Fabrikantenfamilie hineingeboren. Nach dem Abitur an der Odenwaldschule in Heppenheim erhielt sie ihre künstlerische Ausbildung an der Kunsthochschule in Hamburg und schloss sie als Master of Design am Londoner Royal College of Art ab. In Wien erlernte sie Kenntnisse des Stoffdrucks und in Japan bei alten Meistern die Kunst des Papierschöpfens. Nach einigen Jahren als Trendstyling-Fachberaterin für die Faserproduktion der BAYER Werke arbeitete sie etwa 20 Jahre lang für verschiedene Auftraggeber als freiberufliche Designerin für Papier und Textil.

Für die elterliche Marburger Tapetenfabrik entwickelte sie mehrere Kollektionen von Tapeten und Stoffen. Auch führende amerikanische Firmen wie Jack-Lenor-Larsen gehörten zu ihren Auftraggebern. 1984 entwickelte sie zusammen mit einem Chemiker eine moderne, neue Technik des Marmorierens, aus der zunächst eine exklusive Wandbekleidungskollektion handmarmorierter Quadrate in verschiedenen Farbgebungen entstand. Jedes Blatt war ein Unikat in dieser ‚Marmorana‘ Kollektion, die sie in vielen Ländern Europas vertreiben liess. Bei einem ihrer häufigen Besuche in Japan unterschrieb sie einen 12 jährigen Lizenzvertrag für weitere Designs, die mit dieser Technik in Handarbeit entstanden.

Seit 1990 konzentrierte Katharina Eitel sich auf die freiberufliche künstlerische Tätigkeit, die sie schon 1983 mit ihrer Ausstellung „Liebe zum Papier“ in München und 1984 in Tokyo („Ebru Cabinet“) parallel zur Designertätigkeit begonnen hatte. Seit 1980 hießen viele ihrer Installationen „zeithaut“ – und bestanden aus ihren Papieren, die sie gestaltet und auch unbehandelt erstmals auf die Fensterfronten des Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt fixierte, um sie am letzten Tag der wochenlangen Ausstellung von einem Hebekran aus nach und nach zu colorieren und anschließend mit einer Feuerwehrspritze abzulösen.

Mit ‚zeithaut‘ rückte sie das Material Papier in ein ganz neues Licht, gab ihm neue Bedeutungen und verwandelte auch Fenster, Wände und Säulen im nüchternen Foyer einer  Frankfurter Messehalle (zeithaut „Fensterputzer“) in ein Raumkunstwerk. Katharina Eitel spielte auch mit Licht und Wind, ihre zarten Papiermembranen traten in einen Dialog mit der Architektur, und sie schuf dabei neue Erlebnisräume. Formen, Durchlässigkeit und Farben choreographierte sie klar und bewusst. „zeithaut“ Installationen zeigte sie auch 1993 in Marburg (Martinskirche Wehrda „Mosaik Licht“und in der Reitgasse bei Elwert „Auch ich ein Reisender“).

Katharina Eitel verband Formen und Material stets mit Inhalten. Sie lebte in Themen. Ihre nachdenkliche Tiefe entwickelte sie in Begegnungen mit Kunst, Philosophie und Religion, aber auch in der Auseinandersetzung mit den Abgründen der menschlichen Existenz und mit menschlichen Schicksalen wie das von Else Lasker-Schüler, der sie 1995 im MAK in Frankfurt  eine großflächige Installation auf einem ganzen  Stockwerk mit dem Titel „Dialog – eine Annäherung“ widmete. Sie scheute auch die schweren Themen nicht.

Sie setzte sie sich intensiv mit der NS-Zeit auseinander und auch mit ihren eigenen Konflikten und Sehnsüchten. Sie war empfänglich für  Begegnungen mit Menschen und Kulturen, zeigte besondere Nähe zur jüdischen Kultur und Religion. So entstand nach ‚zeithaut‘ das „Sternenzelt“, für das sie 1996 erstmals in ihrem damaligen Atelier nahe am Alten Botanischen Garten in Marburg ein riesiges Zelt aufbaute, auf dessen Unterseite 1001 von ihr einzeln marmorierte Sterne zu sehen waren. Aus diesen „ 1001 Sternen für Jerusalem“ wurden Jahre später in ihrer Papierinstallation im Offenbacher Klingspormuseum 3003 solcher Unikate. „Der Himmel über Jerusalem ist unteilbar“, war ihre Botschaft an beide Seiten.

Als Künstlerin war ihr die aktive Arbeit, die Auseinandersetzung mit Material und Themen weit wichtiger als der eigene Auftritt in der Öffentlichkeit. Sie war aber in verschiedenen Gremien wie den Papierhistorikern und Buntpapiermachern aktiv, gehörte zu den Gründungsmitgliedern der International Association of Hand Papermakers and Paper Artists (IAPMA). Museen und öffentliche Sammlungen in Kassel, Frankfurt, Leipzig, Tokyo, Den Haag und Offenbach kauften ihre Werke an. Einzelausstellungen hatte sie in London, München, Tokyo, Frankfurt, Marburg, im Wewerka-Pavillon in Lauenförde und in Offenbach. Auch war sie an zahlreichen Gemeinschaftsausstellungen in Avignon, Leipzig, Hannover, Budapest, Kassel, Schlitz, Sydney und Vöhl beteiligt.

Mit anderen Künstlern ging Katharina Eitel stets respektvoll um. Sie nahm sich Zeit, sich auf die Arbeit eines anderen einzulassen. Sie förderte junge Künstler, liebte es Menschen miteinander zu verbinden und co-kuratierte die Ausstellung einer israelischen Freundin in Frankfurt.  Katharina Eitel war mit dem Marburger Musikpublizisten Claus Schreiner verheiratet. Auch für einige seiner CD-Produktionen gestaltete sie Cover und Booklets.

2002 begann für Katharina Eitel eine neue, intensive Familienphase: sie kümmerte sich um ihren Vater und nahm sich bis zu seinem Tod viel Zeit für ihn. 2006 erkrankte ihre Mutter an Demenz. Bis zu ihrem Tod 2011 investierte sie viel Kraft in ihre Pflege und später in die Organisation externer Unterstützung. 2010 erkrankte sie zum ersten Mal an Krebs, dem sie kurz nach ihrem 70. Geburtstag am 22. Mai erlegen ist. Über ihrem Sarg lag bei ihrer Trauerfeier am vergangenen Samstag ihr Sternenzelt.

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