Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Vor 200 Jahren starb Christiane von Goethe – Lesung aus ihren Briefen

Christiane von Goethe. Zeichnung von Johann wolfgang Goethe. Quelle Wikipedia

Christiane von Goethe. Zeichnung von Johann Wolfgang Goethe. Quelle Wikipedia

Marburg 1.6.2016  Gastbeitrag von Ursula Wöll  Goethes Elternhaus am Großen Hirschgraben war schon verkauft, als Christiane von Goethe 1797 endlich Goethes Mutter in Frankfurt kennenlernte. Christiane von Goethe? Pardon, da hieß sie ja noch Vulpius. Nur wenige Tage blieb Christiane in Frankfurt, die Mutter schrieb ihr nach Weimar: „So kurtz unsere Zusammenkunft war, so vergnügt und hertzlich war sie doch.“ Derart geschätzt wurde Christiane von der Weimarer Gesellschaft nicht, die respektlos und voller Standesdünkel über sie lästerte. Um diese bemerkenswerte Frau endlich ins rechte Licht zu rücken, wird am Großen Hirschgraben aus ihren Briefen gelesen, und zwar am 6. Juni, ihrem 200. Todestag.

1788 kommt Goethe von seiner Italienreise ins kühle Weimar zurück. Er ist zu einem sinnlichen Menschen geworden, die These, dass er erst in Rom die körperliche Liebe kennenlernte, klingt plausibel. In seinem neuen Ganzheitsgefühl läuft ihm Christiane über den Weg, die ein Bittgesuch ihres Bruders überreicht.

Ihr verstorbener Vater war ein mies bezahlter Schreiber am Hof des verschwenderischen Herzogs gewesen. Die Tochter arbeitet in Bertuchs Blumenmanufaktur, stellt Stoffblumen her, um die Angehörigen über Wasser zu halten. Das lässt auf eine realitätstüchtige Frau schließen, deren warmherzige, sinnliche und fröhliche Ausstrahlung Goethe anzieht. Der 1782 geadelte, nun 39jährige und die 16 Jahre jüngere Frau „aus dem Volk“ werden ein Liebespaar, zunächst heimlich. In den zeitgleich entstehenden ‚Römischen Elegien‘ dichtet Goethe: „Uns ergötzen die Freuden des echten nacketen Amors / Und des geschaukelten Betts lieblicher knarrender Ton.“ Tatsächlich notiert das Ausgabenbuch mehrere Bettreparaturen.

Damals war ‚anticipierter‘ Beischlaf strafbar. 1789 wird Christiane mit August schwanger und die Beziehung öffentlich. Goethe kann die Strafe abwenden, aber er muss aus dem Haus am Frauenplan vorübergehend ins Jägerhaus umziehen, wo beide drei Jahre in ‚wilder Ehe‘ wohnen. Das Mäulerverreißen beginnt. Schiller und seine Frau, Herder und seine Frau, Frau von Stein, Bettine von Arnim, sie alle missbilligen die Verbindung, vor allem wegen des Standesunterschieds, aber sicher auch aus Neid. Die respektlose Verachtung legt sich selbst dann nicht völlig, als nach dem Rückzug an den Frauenplan Christiane die Renovierungsarbeiten und den großen Haushalt souverän leitet. Die Ausgrenzung bleibt sogar dann noch, als die Beziehung nach 18 Jahren durch einen Trauschein 1806 legitimiert wird. Danach sind dem Paar zehn weitere Jahre vergönnt, bis Christiane 1816 qualvoll an Nierenversagen stirbt.

Christiane und August von Goethe, Aquarell von Johann Heinrich Meyer. Quelle Wikipedia

Christiane und August von Goethe, Aquarell von Johann Heinrich Meyer. Quelle Wikipedia

Der Briefwechsel zeigt, dass sich in gegenseitige Liebe wandelt, was als erotische Anziehung begann. „Du fehlst mir, jede Freude ist nur halb, wenn Du nicht dabei bist“, schreibt Christiane etwa. Neben der Liebe entsteht ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl. Christiane hält Goethe den Rücken frei, so dass er sich voll seiner Dichtung widmen kann. Wer heute diese Arbeitsteilung kritisiert, sollte bedenken, dass vor 200 Jahren keine feministischen Ideen existierten. Es gab nur die Handvoll Jungromantiker in Jena, die andere Lebensentwürfe erdachten. Christiane wollte, so wie die Mutter in Frankfurt, dass es ihrem Hätschelhans gut ging. Nachdem Goethe immer häufiger auf Reisen geht, protestiert sie zunächst, aber dann akzeptiert sie alles, bezwingt ihre Sehnsucht und bleibt, wenigstens nach außen, ein fröhlicher Mensch ohne Vorwürfe. Sie besucht Bälle und die Komödie und schreibt liebevolle Briefe, die liebevoll beantwortet werden. Wenn Besuche ins Haus kommen, arrangiert sie zwar alles, bleibt aber in den ersten Jahren meist für die Gäste unsichtbar. Natürlich liegt auch die Erziehung von August in ihren Händen.

Goethe spricht von den „Meinigen“, er hat einen emotionalen Rückhalt und ein funktionierendes Heim durch seine Frau. Man kann daher behaupten, dass das große dichterische Werk ohne Christiane nicht so entstanden wäre. 1997 hat Sigrid Damm die Geheimrätin von Goethe, geb. Vulpius, mit ihrem penibel recherchierten Buch „Christiane und Goethe“ aus dem Schatten der Geschichte geholt. Die Lesung am 6. Juni verfolgt das gleiche Ziel. Eine Hommage an eine couragierte Frau, die zwar keine Rebellin war, aber sich neuen gewaltigen Aufgaben gewachsen zeigte, ihre Ängste überwand und ein wunderbar warmherziger Mensch dabei blieb.

Lesung aus den Briefen der Christiane von Goethe
Lebe wohl und gedenke mein,
6. Juni – 19 Uhrmit Katharina Giesbertz
Goethehaus Frankfurt, Großer Hirschgraben

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