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Europäischer Verband für den ländlichen Raum ECOVAST am Wochenende in Marburg und Umgebung

logo-ecovastMarburg 19.10.2016 (pm/red) Gastbeitrag von Angus Fowler 1984 wurde ECOVAST (European Council for the Village and Small Town) in Bellnhausen bei Gladenbach gegründet (siehe hierzu den Artikel unten). Am kommenden Wochenende 21.- 24. Oktober halten der internationale Verband und dessen Deutsche Sektion ihre Jahresversammlungen in Marburg. Nachdem der Verband sich in den letzten Jahren mit Kleinstädten in Europa sich auseinandergesetzt hat, wollen die Teilnehmer sich mit Problemen von Leerstand, Aufgabe und Verfall, aber auch mit gelungenen Beispiele der Erhaltung und Umnutzung von Bauten im ländlichen Raum befassen.

Das besondere Interesse der Teilnehmer aus England, Österreich und der Bundesrepublik gilt der Präsentation des Projektes „Denkmal-Agentur“ durch den Kreis-Marburg-Biedenkopf am Morgen des 24. Oktober im Kreishaus. Sie werden dort durch Landrätin Fründt begrüßt. Zwei Exkursionen jeweils nachmittags Samstag und Sonntag führen in den Ostkreis nach Bürgeln, Brücker Mühle und Kirchhain und westlich von Marburg nach Dilschhausen, Bellnhausen/Gladenbach (Gründungsort des Verbandes), Niedereisenhausen, Gladenbach und Kehna. Beim Tagungsessen am Samstag Abend wird Bürgermeister Dr. Kahle die Gäste in Marburg willkommen heißen.

Was ist eigentlich ECOVAST – European Council for the Village and Small Town?

In den 1970er Jahre gab es kaum ein Lobby für den ländlichen Raum in Europa, höchstens für die Landwirtschaft. Andere Belange – Leben der Bevölkerung, Kultur und bauliches Erbe usw. außerhalb von Städte auf dem flachen Lande  – wurden kaum als politisch relevant angesehen. Der städtische Raum, die Zentrale galt und gilt als erstrebenswert. Auch der europäische Denkmalschutzverband Europa Nostra, erst 1963 gegründet, hat sich zunächst nur mit bedeutenden Gebäuden und den Großstädten (Burgen und Schlössern, allenfalls noch frühe Industieanlagen) befasst.  An dem Europäischen Jahr für das architektonische Erbe 1975 nahm der 1973 gerade gegründete Förderkreis Alte Kirchen (FAK), mit Sitz in Marburg, seinerzeit teil und veranstaltete zusammen mit hessischen Vereinen und Initiativen 1975 eine große Ausstellung im Waldecker Saal des Marburger Schlosses zum baulich-kulturellen Erbe auf dem Lande. Der damals junge Förderkreis konnte im Anschluss 1976 das Blaue Buch „Fachwerkkirchen in Hessen“ veröffentlichen.

Der Förderkreis Alte Kirchen (FAK) dürfte sich von Satzungswegen nur mit Kirchen befassen und suchte daher europaweit Verbündete zur Gründung eines Verbandes für die weiteren Belange des Lebens im ländlichen Raum. Sehr bald entstand der Ruf nach einer Kampagne für den ländlichen Raum Europas, vor allem vorgetragen von Dr. Olaf Schwencke, dem deutschen Vertreter im Europarat, der gleichzeitig Vorstandsmitglied von Europa Nostra war und dem Europarat 1978 zu diesem Thema einen ersten Bericht vorlegte.

Bei der Europa Nostra -Jahrestagung 1978 trafen sich in Hamburg einige interessierte Mitglieder und sprachen erstmals über die Gründung einer Lobbygruppe für den ländlichen Raum in Europa. Nach 6 Jahren der Vorbereitung konnte endlich der europäische Verband ECOVAST (European Council for the Village and Small Town) vor allem auf Betreiben des Marburger Förderkreises Alte Kirchen Ende März 1984 in der ehemaligen Schule in Bellnhausen bei Gladenbach gegründet werden. Der FAK Marburg hatte die alte Fachwerkkapelle in Bellnhausen vor dem Abbruch bewahren können und renoviert und 1981 dafür einen Europa Nostra Preis erhalten.

Zu den Gründungsmitgliedern zählten u.a neben dem FAK Marburg, das Internationale Städteforum Graz, vertreten durch seinen damaligen Vorsitzenden, der Grazer Stadtrat Heinz Pammer, Alan Leavett, Kommissar der englischen „Countryside Commission“, Alan Williams, die deutschen Professoren Detlev Simons/Stuttgart und Gerhard Henkel/Dortmund, aus England/Griechenland Francis Noel-Baker, danach erster Präsident von ECOVAST sowie Vertreter aus Frankreich, Belgien, Dänemark, Italien und aus dem damaligen Jugoslawien. Der Anspruch der Gründungsgruppe war damals gesamteuropäisch, einschließlich Ost- Europa. So wurde neben Englisch, Französisch, Deutsch auch Russisch als Verbandssprache in der Satzung bestimmt.

Schon zwei Jahre nach seiner Gründung konnte ECOVAST 1986 eine erste große Tagung im Europapalais in Straßburg mit etwa 100 Vertretern aus vielen Ländern Europas anbieten. ECOVAST nahm maßgeblich an der vom Europarat durchgeführten Europäischen Kampagne für den ländlichen Raum 1987/88 teil und half die Abschlussveranstaltung dieser Kampagne in Lübeck-Travemünde (im Anblick der alten DDR-Grenze) zu gestalten. In diesem Zusammenhang wurde aus praktischen Gründen  1988 die (damals West-) Deutsche Sektion von ECOVAST gegründet.

Es kam zu Gründungen weiterer ECOVAST-Sektionen im östlichen Europa in Polen, Jugoslawien, 1990 kurzfristig in der DDR, danach in Ungarn, Rumänien, der Slowakische Republik, Russland. Im  Vereinigten Königreich, in Belgien, Frankreich, Luxembourg, Schweden, später auch in Italien und Österreich entstanden ebenfalls Sektionen bzw. Gruppen. Schwerpunkt wat das bauliche/kulturelle Erbe, der Tourismus im ländlichen Raum, später auch ändliche Entwicklung. Zeitweise hatte ECOVAST  500 Mitglieder, u.a. Verbände mit selbst vielen Mitgliedern, z.B. die Interessengemeinschaft Bauernhaus in Deutschland , und nicht zuletzt der Förderkreis Alte Kirchen.

ECOVAST hat nach den Ereignisse 1989/90 in Deutschland mehrere Seminare zur  Dorf- Entwicklung in den östlichen Bundesländern durchgeführt. Aus dieser Arbeit entstanden die Arbeitsgemeinschaften für die Erhaltung von Gutshäusern und Gutsanlagen und für den Tourismus auf dem Lande in Mecklenburg-Vorpommern. Die von Gerda Stachowitz verfasste Broschüre „Mecklenburg- was war- was bleibt? wurde von ECOVAST herausgebracht. In dieser Zeit gründeten sich auch im östlichen Deutschland Förderkreise Alte Kirchen zur Erhaltung und Nutzung von Kirchen im ländlichen Raum. u.a. in den Ländern Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg. Inzwischen sind weitere Vereine/Verbände für Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt entstanden. In den letzten Jahren hat sich ECOVAST mit Kleinstädten befasst (Bericht an die Europäische Kommission 2014), aktuell mit Kleinstädten im Bereich des sog. „Grünen Bandes“, im deutschen Abschnitt also beiderseits des inzwischen gefallenen „Eisernen Vorhangs“.

Die ECOVAST-Sektionen leiden inzwischen, wie alle ideellen Vereine unter Zeit-, Alterungs- und Nachwuchsproblemen, so dass bei den Veranstaltungen immer weniger Mitglieder zusammenkommen. Die jüngsten Entwicklungen in Europa mit ihren politischen Schwerpunktverlagerungen, dazu der kommende Brexit durch das Vereinigten Königreich, machen deutlich, wie notwendig ECOVAST als gesamteuropäischer Verband ist für die Idee „auch in Dörfern und Kleinstädten leben zu können“ um der europäischen Idee willen weiterhin eintreten muss. Eins ist klar: Alleine war es bisher nicht zu schaffen.  Angus Fowler, Marburg/Berlin, Oktober 2016

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