Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Offener Brief aus dem Stadtwald an die OB-Kandidaten

Informationsabend zur Problematik der Unterbringung vormals Sicherungsverwahrter im Stadtteil Stadtwald im September 2010 (Foto Hartwig Bambey)

Marburg 3.2.2011 (red/yb) Im vergangenen Jahr hat der Marburger Stadtteil Stadtwald oft im öffentlichen Interesse gestanden. Die Unterbringung von zwei ehemals Sicherungs-verwahrten seitens des Landes Hessen in einer Pension im Stadtwald hat für Aufregung gesorgt. Eltern sahen die Sicherheit ihrer Kinder in Gefahr und haben diese Situation mit Erfolg öffentlich gemacht. Der Marburger Oberbürgermeister hat sich der Sache angenommen. Es gab öffentliche Veranstaltungen und Diskussionen, in Marburg und überörtlich wurde in Medien ausführlich bis zum Fernsehen berichtet.

Inzwischen Ruhe an der Oberfläche und in den Medien sowieso

Die Aufgeregtheiten und sogar Interesse und Anteilnahme schienen groß gewesen zu sein. Das ist jetzt eine ganze Weile her. Gelesen und gehört hat man lange nichts. Auch nichts von Problemen. Doch was sagt das schon.

  • Wie sieht es inzwischen in Marburgs jüngstem Stadtteil diesbezüglich aus?
  • Hat sich etwas getan und tut sich überhaupt etwas dort oben in der Sache?

Die Antwort auf solche Frage fällt negativ aus. Unverändert wohnt ein vormals in Sicherungsverwahrung befindlicher früherer Straftäter im Stadtwald. Alleine – es scheint niemanden mehr zu interessieren. Aus dieser Siituation heraus versuchen Betroffene auf ihre anhaltende Situation aufmerksam zu machen. Dazu haben sie einen offenen Brief an sechs Oberbürgermeister-Kandidaten verfasst. Nach einem Gespräch mit Günter Nitsch als Vorsitzenden der Stadtteilgemeinde hat die Redaktion entschieden diesen offenen Brief unverändert ohne Kürzung zu veröffentlichen. Der offene Brief informiert zugleich die Situation im Stadtwald heute; er kommentiert artikuliert Forderungen und stellt Fragen.

Tannenberggemeinschaft e.V.
Stadtteilgemeinde Marburg-Stadtwald

Offener Brief an die Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl
der Stadt Marburg

Sehr geehrte Herren,                                                                30. Januar 2011

am 27. März ist Kommunalwahl und die Marburger Bürger wählen ihren neuen Oberbürgermeister. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um Sie auf die unsägliche Situation im Stadtwald aufmerksam machen. Wir, dass ist die Marburger Stadtteilgemeinde Tannenberggemeinschaft e.V., die sich als Zusammenschluss der Anwohner im Stadtwald seit 30 Jahren für die Interessen der Menschen dort einsetzt.

Anfang Juli 2010 – „zufällig“ zum Beginn der Sommerferien – ziehen zwei aus der Sicherungsverwahrung entlassene Gewalttäter direkt von der JVA Schwalmstadt in´s Bistro P. im Stadtwald. Einer zieht im Herbst 2010 dort weg, der zweite – ein wegen Sexualstraftaten gegen Kinder verurteilter Gewalttäter – wohnt bis heute dort. Wie wir heute wissen, ist das Bistro P. schon seit Jahren Anlaufstelle für eine erste
Unterbringung von Haftentlassenen.

Wegen der Ferien vergehen Wochen, bis sich der Zuzug der beiden Gewalttäter unter den Anwohnern im Stadtwald herumgesprochen hat und sich Widerstand und Empörung entwickeln kann. Die Oberhessische Presse berichtet häufig darüber, im Express, im Internet und sogar in der Frankfurter Rundschau erscheinen Berichte. SAT1 sendet bei „Kerner“ einen Filmbericht über eine in unmittelbarer Nachbarschaft der Gewalttäter lebende Familie.

Der Bericht bei „Kerner“ zeigt deutlich, welche Beeinträchtigung von der Ansiedlung dieser Gewalttäter in einem der kinderreichsten Stadtteile Marburgs ausgeht und welchen Belastungen die Familien vor Ort ausgesetzt sind.

Kinder werden täglich! in die Schule gefahren und wieder abgeholt. Kinder spielen nur noch unter Aufsicht der Eltern im Freien. Kinder können sich nicht mehr frei bewegen und die Eltern achten darauf, was sie machen und wohin sie gehen; insbesondere darauf, dass es möglichst keine Situation geben kann, in der die Kinder unbeaufsichtigt dem Gewalttäter – Herrn Willi K. – begegnen.

Im Herbst 2010 wird der Stadtwald insbesondere im Bereich des ehemaligen Kasernengeländes zur Geisterstadt. Dort, wo sich in den vorangegangenen Jahren in den Straßen, auf den Spiel- und Bolzplätzen, auf den Freiflächen und im angrenzenden Wald die Kinder tummelten, herrscht jetzt gähnende Leere.

Der Ortsbeirat Ockershausen beschäftigt sich in einer Sitzung mit dem Thema; viele Anwohner sind zugegen und Herr Dr. Ullrich vom Landgericht als auch Herr Göbel von der Kripo Marburg stehen Rede und Antwort, wobei die Qualität der Antworten oft unbefriedigend ist. Versucht man die Anwohner noch am Anfang damit abzuspeisen, dass Herr K. ein freier Mann ist und seinen Wohnort frei wählen kann, wissen wir heute, dass Herr K. Bewährungsauflagen unterliegt und keineswegs frei entscheiden kann, wohin er gehen möchte. Nach Frankfurt – wo er lt. Ullrich/Göbel hin möchte – darf er nur, wenn der zukünftige Wohnort die Zustimmung der Entscheider bei Polizei und Justiz findet.

Eine Bürgerversammlung im Stadtwald – wieder unter Beteiligung von Herrn Dr. Ullrich und Herrn Göbel – bringt keine neuen Erkenntnisse. Alle Maßnahmen und Veranstaltungen dienen vordringlich dazu, die Anwohner zu beruhigen. Nach den Veranstaltungen soll das noch dadurch verstärkt werden, dass Streifenwagen und Zivilstreifen häufig vor Ort sind. Zwischenzeitlich ist das natürlich abgeebbt, obwohl sich die von Herrn K. ausgehende Gefährdung nicht verändert hat.

So können und wollen wir nicht weiterleben! Der Stadtwald muss von dieser Last befreit werden. Mit dem Beginn des Sommers muss die Unbeschwertheit in unseren Stadtteil zurückkehren. Überlegungen von Anwohnern, aus dem Stadtwald wegzuziehen, müssen überflüssig werden. Nur einer muss wegziehen; Herr K.! Zu seinem eigenen und unser alle Wohl.

Die Tannenberggemeinschaft, die Bürger, die Anwohner im Stadtwald stellen Ihnen als Bewerber für das Amt des Marburger Oberbürgermeisters die Frage:

Für den Fall, dass Sie gewählt werden: Was werden Sie tun, damit Herr K. den Stadtwald verlassen kann und was werden Sie tun, dass nicht ständig weiterhin Haftentlassene und schon gar nicht aus der Sicherungsverwahrung Entlassene im Stadtwald und/oder im hiesigen Bistro P. einziehen oder gar dort wohnen bleiben? Wie werden Sie für die Interessen der Bürger, der Familien und der Kinder im Stadtwald eintreten?

Wir würden uns freuen, wenn wir in Kürze Ihre Antwort enthalten und werden Anwohner und die Presse sowohl über diesen Brief als auch das Ergebnis Ihrer Antworten informieren.

Gruß aus dem Stadtwald

Günter Nitsch  1. Vorsitzender Stadtteilgemeinde Marburg-Stadtwald

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