Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Schnelle Schienenanbindung und viele Reiseziele für Marburg in weiter Ferne

 

Marburg 15.4.2011 (yb) In dem Jugendbuch Momo von Michael Ende geht es um Zeitdiebe. Es sind dort graue Gestalten, mit Hüten und Anzügen bekleidete Männer, die in merkwürdiger Weise den Menschen ihre Zeit stehlen. Zeitdiebe oder Zeitdiebstahl gibt es auch in Marburg seit geraumer Zeit zu beklagen und erleiden. Präzise seit Dezember 2009. Dabei spielt sich der Zeitdiebstahl nicht unmittelbar in Marburg ab. Vielmehr auf dem Weg dorthin oder von Marburg – auf dem Schienenweg.

Vergangen sind seit deutlich mehr als einem Jahr die Zeiten selig, als man im Stundentakt vom Marburger (Haupt-)Bahnhof gen Süden in die Rhein-Main-Metropolregion und genauso nach Norden nach Kassel, und weiter nach Hannover, Hamburg oder Berlin zügig mit dem Zug reisen konnte. Für die eingetretenen signifikanten Verschlechterungen, Zugkappungen und deren Folgen sind ebenfalls Zeitdiebe verantwortlich. Sie mögen in Frankfurt sitzen oder in Berlin und handeln im Auftrag der Bahn. Geradezu so, also ob Marburg nicht (mehr) zur Bahn gehören würde. So kann es inzwischen 90 Minuten dauern, bis man aus Marburg per Bahn in Frankfurt ankommt. Alle zwei Stunden dauert es 60 Minuten. Das ist eine akzeptable Fahrzeit.

Regionalbahn von Marburg nach Frankfurt beim Halt am Südbahnhof Marburg. (Foto Hartwig Bambey)

Gerade Berufspendler sind mit erheblichen Verschlechterungen konfrontiert. Viele sind unzufrieden, müssen verlängerte Fahrzeiten und sich daraus ergebenden Zeitdiebstahl, der sich auf eine ganze Stunde am Tag, an fünf Tagen der Woche, saldieren kann, aushalten. Das hat unter anderem die Initiative Main-Weser-Bahn-im-Takt auf den Plan gerufen. Von dort kommt nicht alleine Kritik, viel mehr werden hier von Bahnnutzern handfeste, brauchbare nutzer- und standortbezogene Verbesserungs-vorschläge unterbreitet. Siehe dazu einen Gastbeitrag in das Marburger.

Was Kommunalpolitiker dazu sagen

Interessant und aufschlußreich ist, was betroffene und verantwortliche Kommunalpolitker dazu auf Anfrage der Redaktion mitgeteilt haben. Der Erste Beigeordnete des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Karsten McGovern, hat sich nicht leicht getan mit Beantwortung der Frage nach fahrtzeitverkürzenden Verbesserungen für Marburg. Aus seiner und des Landkreises Sicht sei es wichtig, dass Regionalzüge möglichst häufig in etwa in Niederwalgern, Fronhausen oder Friedelhausen halten, um Pendler aufzunehmen, sagte er. Kreisbeigeordneter McGoveren (GRÜNE) setzt sich für die Schienenanbindung in der Fläche ein. Befragt zu dem Vorschlag die neue Zugverbindung von Frankfurt bis Marburg von der Hessischen Landesbahn über Kirchhain, Stadtallendorf bis Neustadt weiterfahren zu lassen, um die drei Städte besser nach Süden anzuschließen, antwortet er mit Skepsis. Zusätzliches Geld könne der Landkreis dafür nicht aufbringen, meint der Kreispolitiker.

Droht Marburg eine weitere Abkoppelung von Fernverkehrsverbindungen der Bahn? Diese Frage hat MdB Sören Bartol mit Verweis auf aktuelle Pläne der Bundesregierung aufgeworfen. Es geht dabei um neue Fernbusverbindungen, die Bahnverbindungen schwächen werden. (Foto Hartwig Bambey)

Oberbürgermeister Egon Vaupel in Marburg sieht weiteren Bedarf zur Verbesserung nach Süden. Er begrüsst bereits erzielte Erfolge der Fahrgast-Intiative. „Doch sehe ich derzeit noch keine qualitativ gute Verbindung Marburgs nach Norden oder Süden als gegeben an“ sagte Vaupel. Dem RMV als regionalem Verkehrsdienstleister sei bewußt, dass Weiteres zu tun sei und kommen müsse, meint Vaupel.

Schließlich seien die Nutzerzahlen aus Marburg hoch, gehe es dabei um die Standortqualität der Universität oder für die Behring-Nachfolgefirmen. So sieht und fordert OB Vaupel (SPD) Ausbau und Stärkung Marburgs auf dem Schienenweg als Notwendigkeit.

Kirchhains Bürgermeister Jochen Kirchner hat sich schriftlich zu den Problemen und Folgen für seine Stadt geäußert:
Ich hatte bereits auf die Probleme mit dem Fahrplanwechsel 2009 aufmerksam gemacht, allerdings nur im Rahmen unseres RNVs (Regionalen Nahverkehrs). Konkret wurden wir als Stadt Kirchhain von Bahnnutzern darauf aufmerksam gemacht. Aus Kirchhain pendeln gut 70 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus, die meisten per Auto nach Stadtallendorf. Viele der höher qualifizierten Arbeitnehmer pendeln in das Rhein-Main-Gebiet.

Für diese Menschen war Kirchhain lange Zeit ein guter Wohnort, insbesondere in Hinblick auf die Kindererziehung, -betreuung und die schulische Ausbildung hier in unserer Stadt.
Durch den veränderten Fahrplan der Bahn hat sich das verändert. Viele sind auf das Auto umgestiegen, viele sind weg gezogen (auch Stadtparlamentarier) und heute ist Kirchhain als Wohnort für im Rhein-Main-Gebiet Tätige kaum noch attraktiv. Wer heute einen lukrativen Job dort bekommt, stellt sich nur noch die Frage, wann er Richtung Süden umzieht.

Der Marburger Hauptbahnhof ist ein Dreh- und Angelpunkt für die Stadt und Region. Mehr als Zwanzigtausend Fahrgäste nutzen die Bahn täglich. Inzwischen sind Arbeiten zur Sanierung des Bahnhofsgebäudes in Gang gekommen. Doch damit wird es nicht getan sein. Die Zugverbindungen müssen verbessert werden. Eine schnelle Verbindung im Stundentakt nach Norden und Süden sollte unbedingt Zielstellung in gemeinsamer Initiative sein, für Fahrgäste, Politiker und Verkehrsverantwortliche. (Foto Hartwig Bambey)

Probleme geschaffen und erkannt – doch fehlt es an Klarheit und abgestimmtem Willen in der Marburger Region

Den Ausgang hat diese Entwicklung mit Maßnahmen der Bahn, Abteilung Fernverkehr, genommen. Die einstündige, mit Regionalexpress getaktete, schnelle Nord-Süd-Verbindung wurde zerstört. Das stellt nicht nur das Oberzentrum Marburg und Zig-Tausende Bahnnutzer deutlich schlechter. Mit Einzugsgebiet und der Universität ist Marburg als Großstadt zu betrachten. Dagegen ist die Erreichbarkeit auf der Schiene schlicht provinziell und zudem von weiteren Verschlechterungen und Einbußen bedroht.

Koordiniert entschiedenes Handeln geboten

Es geht nicht um das Ausspielen von Fläche gegen Oberzentrum. Ohne die Wirtschafts- und Steuerkraft von Marburg samt Universität würde es den Umlandkommunen und Bewohnern deutlich schlechter gehen. So muss dringend mehr Dampf gemacht werden von der Stadt Marburg, dazu am besten konzertiert Neustadt, Stadallendorf und Kirchhain, die alleine für 50.000 Einwohner und mehr als 14.000 Industriearbeitsplätze stehen. Von diesen gemeinsam muss der Landkreis in den Waggon geholt werden, damit die Reise (fahrplan-)politisch in eine Richtung gehen kann. Die Wahlen sind vorbei, doch dürfen der Zug der Zeit und ordentliche Zugverbindungen nicht länger an Marburg und der Region vorbeifahren. Der nächste Fahrplan ist gerade in Arbeit beim RMV, worauf also warten!

Zeitdiebstahl ist keine Nebensache und Buchlektüre im Zug ist kein Vergnügen – das gilt selbst für das Jugendbuch Momo, mit der Geschichte von den Zeitdieben.

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