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Schulbesuch in den Osterferien im Wohratal

Marburg 12.5.2011 (yb) Vor den Osterferien hat das Marburger. von der Theodor-Heuss-Schule in Marburg berichtet. Dort sind Eltern, Schüler und Lehrer keinesfalls einverstanden mit der Kappung des Schulversuches der Umwandlung in eine ergebnisoffene Haupt- und Realschule gemäß § 14 (1) Hessisches Schulgesetz nach nur einem Jahr Laufzeit. Von dieser Maßnahme des Hessischen Kultusministeriums ebenfalls betroffen sind die Friedrich-Ebert-Schule in Marburg und die Mittelpunkt-Schule Wohratal. Seit Jahrzehnten unterrichtet dort Ingelore Lange.  Sie hat die Redaktion zum Besuch in Wohratal an ihrer Schule zum Gespräch eingeladen – und das in der ersten Woche der Osterferien.
Als neue schulpolitische Hiobsbotschaft wird gerade gemeldet, dass das Staatliche Schulamt in Marburg geschlossen wird. Verlagerung nach Gießen. Es wird Zeit von dem Besuch in der Provinz, direkt an der Bundesstraße 3 an den Ausläufern des Kellerwaldes gelegen, zu berichten.

Osterferien, bestes warmes Sonnenwetter, statt eines verwaisten Schulgeländes stehen zwei Schülerinnen und ein Schüler an einer Tischtennisplatte mit auf dem Schulhof. Sie warten auf ihren Lehrer, sagen sie, dass sie mit ihm üben wollen für die Abschlussprüfungen vor den Sommerferien. Ingelore Lange nickt, als der erstaunte Berichterstatter sie fragend ansieht. „Klar läuft das auf freiwilliger Basis“, sagt sie. „Bei den Schülern, und ihr Lehrer nimmt sich gerne Zeit um Stoff mit ihnen zu vertiefen. Auch wenn jetzt Ferien sind.“
Wenig später beginnt das aufschlussreiche Gespräch mit Schulleiter Michael Vaupel und der in Marburg wohnenden Realschullehrerin Ingelore Lange im Schulleiterzimmer der Mittelpunktschule Wohratal. Vorher hat der Schulleiter berichtet, dass er sich in den letzten drei, vier Jahren mit seinen Kollegen Fiedler und Schäfer aus Marburg auf Schulleiterebene oft getroffen hat, um den gemeinsam bewilligten Schulversuch vorzubereiten, zu begleiten und Erfahrungen auszutauschen.

Redaktion: Wie gehen sie mit der Situation nach Kappung des Schulversuches um?
Vaupel: Wir haben das Glück gehabt, dass das staatliche Schulamt über einen Pool von Unterrichtsstunden / Lehrerstunden verfügt. Aus diesem Pool haben die drei Schulen acht Stunden zur Verfügung gestellt bekommen, so dass wir bedingt weitermachen konnten.
Lange: Weitermachen schon. Aber vorher hatten wir viel mehr Stunden.

Redaktion: Wie sind die Erfahrungen mit dem Schulversuch ergebnisoffene Haupt- und Realschule, als deren einer  Ausdruck es keine Noten gibt?
Lange: Wir haben keine Notenfreiheit. Wir haben allerdings Entwicklungsberichte geschrieben. Das heißt dieser ganze Kopfnotenbereich, die Art wie Kinder arbeiten, wie sie sich verhalten, das ist zusätzlich zu Noten in solchem Bericht beschrieben. Von jeden Kind, mit den Stärken und den Schwächen.

Redaktion: Hat der Schulversuch funktioniert?
Lange: Ich fand den Versuch phantastisch. Die Kinder gehen gerne zur Schule, es macht denen Spaß. Ich finde diese neue Verbundenheit der Fächer gut, mit den Naturwissenschaften zum Beispiel. Ganz stark ausgelegt auf praktisches Erarbeiten. Reduziert auf wirkliches Kompetenzen erlernen. Also die Schüler machen Führerscheine, einen Laborführerschein zum Beispiel. Das Zusammenarbeiten in Mathematik, nicht in einzelnen Leistungsgruppen, sondern im Zusammenbleiben aller Kinder. Die lernen miteinander und voneinander. Ich finde, dass die leistungsstärkeren die leistungsschwächeren Schüler mitziehen.

Redaktion: Das funktioniert?
Lange: Es funktioniert gut. Es gibt auch nicht diese Frustrationserlebnisse, aus denen dann die Aggressionen  entstehen.
Redaktion: Frustrationserlebnisse wegen schlechten Noten?
Lange: Vor allem in dem Moment, wenn es heißt „du gehst auf die Realschule“, „du gehst auf die Hauptschule“. Das war immer in der Klasse sechs der Fall.  Das fing an im Februar, März. Dann fielen die Entscheidungen. Dann haben die Kinder, die eine Hauptschulempfehlung bekommen haben, resigniert.

Redaktion: Wie ist der Schulversuch ergebnisoffene verbundene Haupt- und Realschule angelegt worden?
Vaupel: Beabsichtig war im vorvergangenen Schuljahr anzufangen und das durchlaufen zu lassen in die neunte Jahrgangsstufe, respektive zehnte Jahrgangsstufe für die Realschule. Wir sind jetzt in der Jahrgangsstufe sechs angekommen. Es hat einen sehr hohen Aufwand seitens der Lehrkräfte bedeutet.  Die Kooperation und konzeptionelle Bearbeitung hin zu bekommen. Es natürlich frustrierend, wenn man nach nur einem Jahr gesagt bekommt: „Das war es jetzt mit dem Schulversuch“. Tatsächlich ist es so, dass Eltern sehr bewusst die Schulwahl getroffen haben und gesagt haben: „Das Konzept, das ihr veröffentlicht habt, das überzeugt uns. Deswegen schicken wir unsere Kinder hierher.“

Wir sind jetzt in der Bredouille und müssen schauen, wie wir ohne die zusätzlichen Ressourcen trotzdem den Schulversuch, zumindest die positiven Sachen daraus, weiterlaufen lassen. An sich muss man sagen, es gibt eigentlich keine negativen Sachen,  die hier entstanden sind. Im Rückblick muss man sagen, es gibt bestimmte Bereiche, aha, dort kann man etwas ändern. Im Großen und Ganzen ist die Konzeption, so wie wir sie angefangen haben, so wie wir sie entwickelt haben, auch tatsächlich erfolgreich umgesetzt worden.

Redaktion: Hat dann die Mittelpunktschule Wohratal als Haupt- und Realschule, die ja zweizügig ist, jetzt einen dritten kleinen Zug bekommen mit diesen Klassen und Schülern, die im Modellversuch einbezogen sind? Die wären jetzt Haupt-/ Realschüler.
Vaupel: Das ist eben das Problem. Dass gesagt wurde, zum Ende des Schuljahres beziehungsweise zum Ende des Halbjahres. Ihr müsst jetzt, obwohl so nicht beabsichtigt, eure Schülerinnen und Schüler in der Klasse 6 wieder einstufen.

Redaktion: Also wieder trennen?
Vaupel: Wir müssen eine Einstufung machen in Haupt- und Realschule. Den Eltern wird das nach den Osterferien mitgeteilt werden. Allerdings gehen wir davon aus, dass diese Einstufung zunächst einmal nur formal ist und juristisch notwendig. Wir werden die Schülerinnen und Schüler trotzdem nicht in Haupt- und Realschule aufteilen. Wir werden sie zusammen weiter laufen lassen als sogenannte verbundene Haupt- und Realschulklassen, so dass die Eltern dann spätestens nach der Klasse 8, dass wir nach der Klasse 8 noch einmal schauen. Haben sich  die Schülerinnen und Schüler weiter entwickelt? Und kann dem Schüler, dem heute, juristisch notwendig, eine Einstufung als Hauptschule gegeben wird, eventuell nach zwei Jahren eine andere Einstufung zuteil werden kann.

Webseite der Mittelpunktschule Wohratal

Die Mittelpunktschule Wohratal hat etwa 300 Schüler und 25 Lehrerinnen und Lehrer. Sogar aus der benachbarten Kleinstadt Kirchhain kommen Schüler zum Schulbesuch in das ländliche Wohratal.
Schulleiter Vaupel sagt dazu: „Kirchhainer Schüler kommen deswegen – im Moment sind es 17 an der Zahl – weil wir die Gewähr dafür bieten, dass Schüler nicht anonym in der Masse untergehen, sondern hier tatsächlich in einer Schule mit überschaubarer Größe individuell betreut werden.“

Redaktion: Hat sie der Schulversuch in der Schule, zu den Schülern, Eltern befördert?
Lange: Wir waren schon immer anders, unser Kollegium war schon immer anders.  Das Kollegium ist grundsätzlich sehr offen. Unsere Kollegen nehmen an unglaublich vielen Fortbildungen teil. Wir müssen eher gestoppt werden von der Schulleitung. Wir sind immer mit die ersten und haben immer gesagt „wir machen mit“. Wir sind einfach offen für solche Dinge. Mir ist allerdings aufgefallen, dass viele ganz schön erschöpft sind.

Realschullererin Ingelore Lange und Schulleiter Michael Vaupel mit Poster vor ihrer Schule in Wohratal. (Fotografien Hartwig Bambey)

Es hat sehr viel Kraft gekostet. Zum Vergleich, das andere sind große Schulen. Dort verteilen sich die Arbeiten auf mehr Schultern, wenn etwas Neues zu erarbeiten ist. Bei 25 Leuten ist das komprimiert auf Wenige, auf viel weniger Personen. Ich bewundere das Kollegium, wenn die sagen „Okay, wir kriegen das Ganze gekappt aber wir machen weiter.“
Redaktion: Um den Kindern die Kontinuität zu bieten?
Lange: Ja. Und es gibt einem selbst viel mehr Befriedigung. Die Kinder sind zufriedener, die Eltern sind zufriedener, das wirkt sich dann auf uns sehr positiv aus.

Zum Bericht über den Schulversuch an der Theodor-Heuss-Schule Marburg.

 

 

 

 

 

 

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