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Kleine Brötchen bei großem Thema: DGB-Vize Ingrid Sehrbrock beim CDA-Forum zum Sozialstaat heute

Zu einem Tagesbesuch ist Ingrid Sehrbrock vom DGB-Bundesvorstand am 7. September in Marburg gewesen,. Dabei wurde die stellvertrende Vorsitzende begleitet von einer Delegation örtlicher Gewerkschaftsvertreter, darunter CDA-Vorsitzender Marburg-Biedenkopf Marian Zachow, zweiter von rechts. Foto Hartwig Bambey

Marburg 21.9.2011 „Welche Zukunft hat der Sozialstaat?“ – lautete das plakative Thema der Podiumsdiskussion am 7.September im Wintergarten des Technologie und Tagungs-Zentrums (TTZ). Im Zentrum der Podiumsdiskussion stand eine hochkarätige prominente Persönlichkeit, die stellvertetende DGB-Bundesvorsitzende Ingrid Sehrbrock.

Sie ist vom CDA, dem Arbeitnehmerflügel der CDU, in das Spitzengremium des Gewerkschaftsbundes entsandt. Flankiert wurde die Frau auf dem Podium vom CDA-Kreisvorsitzenden Marian Zachow und dem mittelhessischen DGB-Sekretär Ulf Immelt.

Für eine solidarische Gesellschaft im 21. Jahrhundert

Sehrbrock ergriff nach einleitenden Statements von Zachow die Gelegenheit, ausführlich politisch Stellung zu beziehen. Ihre halbstündige Grundsatzrede widmete sich den „Perspektiven und Herausforderungen für eine solidarische Gesellschaft im 21. Jahrhundert“.
„Kein Weg führt an einem Mindestlohn vorbei“, konstatierte sie enthusiastisch. Ihr nachdrückliche Parteinahme für einen Equal-Pay-Ansatz (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. red) gegenüber Leiharbeit sowie einen gesetzlich festgelegten Mindestlohns ließ die vielen Gewerkschaftsmitglieder im Saal zustimmend nicken.

Die Verwirklichungschancen ihrer im DGB-Vorstand abgestimmten Forderungen standen eingestandenermaßen auf einem anderen Blatt. „Die Signale, die ich aus der CDU bekomme, sind gut“, beschwichtigte sie etwaige Zweifler.
Mit Kanzlerin Merkel sei sie demnächst im Gespräch.“Jetzt setze ich mal meinen anderen, den CDA-Hut auf“, merkte sie mehrmals an, wenn zwischen DGB-Programmatik und CDA Differenzen auftauchten. Etwa zu den ‚christlichen Gewerkschaften‘ nahm sie wohlweislich gar nicht explizit Stellung.

Sehr kritisch sah Sehrbrock die Entwicklung bei den 400 Euro Jobs. Jene führten, seitdem die gesetzliche Limitierung auf maximal 15 Stunden von der Regierung abgeschafft wurde, geradewegs in Hungerlöhne von vier bis fünf Euro in der Stunde, monierte sie. Vor allem Frauen seien auf breiter Front betroffen. Aus all diesen Gründen müssten sie – je schneller je besser – abgeschafft werden.

Prekäre Beschäftigung und Leiharbeit

Zur prekären Beschäftigen in Gestalt des gängigen Missbrauchs von Praktika und Befristungen nahm sie ebenfalls geharnischt Stellung. Die jungen Leute würden durch diese verbreiteten Praktiken schamlos ausgenutzt. Das sei übrigens keineswegs eine spezifisch deutsche sondern eine generelle Problemlage in Europa. Leiharbeit werde heute vielfach nicht eingesetzt zur flexiblen Überbrückung von kurzfristigen Spitzen. Vielmehr sei sie verkommen zur flächendeckenden Lohndrückerei auf Kosten der Arbeitnehmer. Das entstandene Zwei-Klassen-System in den Belegschaften sei so nicht hinnehmbar.

Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik für Behinderte lobte sie das im Hotel Kornspeicher In Marburg, das mit Integration psychisch Behinderter in die Belegschaft arbeitet, als wegweisendes Modellprojekt. Immelt eröffnete die Diskussion mit dem Hinweis, dass laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage Gewerkschafter deutlich besseres Ansehen geniessen würden als Politiker oder Wirtschaftsvertreter. Sehrbrock meinte, sie ärgere in der derzeitigen Krise, dass besonders Finanzwirtschaftszocker nun beim Staat die Hand aufhielten und maßlos bedient würden.

Niedriglöhne schaffen keine Wettbewerbsfähigkeit

„Man wird über Niedriglöhne nicht wettbewerbsfähiger“, kritisierte sie die deutsche Regierung für ihre einseitige wirtschaftspolitische Export-Orientierung. Die Fragenden hätten recht, die eine künftig massiv zunehmende Altersarmut durch die Lohnverluste und Massenarbeitslosigkeit besonders der letzten 20 Jahre beklagten.
Der Ver.di-Bezirksvorsitzende Jörg Lüdde stieß mit seiner Aussage, dass sogenannte Schuldenbremsen der falsche Weg seien, auf ihre Zustimmung. Auf seinen Vorstoß, dass die wegen grassierender Tarifflucht der Betriebe nur mehr rund 50 Prozent der Arbeitnehmer effektiv von Tarifverträgen gegen Lohndumping geschützt würden, hatte Sehrbrock nur Wages zu entgegnen.

Auch auf die Frage aus dem Publikum, wann endlich ein Mindestlohn für die Weiterbildungsbranche komme, wich Sehrbrock eher aus. In dieser Branche haben die Gewerkschaften selbst zahlreiche Eisen im Feuer. Viele hauptamtliche Dozenten in Weiterbildungseinrichtungen sind selbst ‚Aufstocker‘.

Die Podiumsdiskussion ging teilweise schief. Fragesteller hielten Koreferate oder stellten fünf bis sechs Fragen auf einmal. Damit kann Diskussion kaum gedeihen; dies war zu beobachten. Die Bündelung mehrerer Fragesteller durch die Diskussionsleitung führte dazu, dass Übersicht verloren ging und nur manche Frage überhaupt drankam. Altersarmut als Thema wurde von Sehrbrock thematisiert, als mehrere Frager dazu Aussagen einforderten. Selbstkritisch sollte sich Gewerkschaft damit befassen, dass nur Personen aus gewerkschaftsnahen Parteien, einige Rentner und Einzelpersonen zur Podiumsdiskussion erschienen waren.  Jürgen Neitzel

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