Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Kunst im Knast Butzbach

Marburg 27.9.2013 (red) Gastbeitrag von von Ursula Wöll. Der in der Justizvollzugsanstalt Butzbach sitzende Gefangene Ludwig Teipel malte sich 2010 auf Tisch und Stuhl seiner Zelle stehend, um durch das hochliegende kleine Gitterfenster schauen zu können. Abgebildet ist die Farbstiftzeichnung im letzten Katalogbuch des Projekts „Kunst im Strafvollzug“. Nun präsentiert dieses Projekt erneut eine Ausstellung mit im Gefängnis entstandenen Werken, diesmal im Museum Butzbach in der Färbgasse, und zwar bis zum 20. Oktober. Zur Vernissage würdigten neben Museumsleiter Dr. Wolf auch der Butzbacher Bürgermeister, der Gefängnisleiter und ein Vertreter des Vereins Gefangenenhilfe die erstaunliche Qualität der Arbeiten. Zu sehen sind lebensgroße Gipsplastiken, Keramikarbeiten und viele Großfotos, meist Selbstporträts der Gefangenen. Aus Platzgründen waren die Kurse für Malen, Zeichnen und Video nicht vertreten.

Die Justizvollzugsanstalt Butzbach ‚beherbergt‘ zur Zeit etwa 450 männliche Gefangene, alle mit mehrjährigen Strafen. Wer keinen der Arbeitsplätze hat, etwa in Schlosserei oder Schreinerei, sitzt nur in seiner Zelle, die täglich für lediglich eine Stunde aufgeschlossen wird. Da ist das Angebot, einen der Kunstkurse zu besuchen, natürlich gefragt. Seit nunmehr 32 Jahren existiert das Projekt „Kunst im Knast“ im Butzbacher Gefängnis und wurde bundesweit zu einem Vorzeigeprojekt. Seit 1983 wird es von der Kunstpädagogin Regina Börke geleitet, die selbst vor allem Videokurse anbietet. Mehrere nebenamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für Malen, Zeichnen, Fotografie und Plastik zuständig.

So können etwa 50 Gefangene teilnehmen und einmal pro Woche für drei Stunden zum Künstler werden. Die meisten trauten sich das anfangs gar nicht zu, sie wollten dem tristen Zellenalltag entfliehen. Doch bald nahm sie die Arbeit an ihrem Werk immer mehr gefangen, sie lernten, Durststrecken zu überstehen und bis zum Ende durchzuhalten. Sie lernten aber auch, sich mit anderen Kursteilnehmern auszutauschen, Kritik schonend zu äußern und selbst welche zu ertragen. Die ausgestellten Foto-Selbstporträts etwa sind nicht allein möglich, denn ein Mitgefangener muss fotografieren. Aus den digitalen Aufnahmen wird dann das Bild gewählt, das am meisten zusagt oder sich interessant bearbeiten lässt. Dabei wird der Blick auf die eigene Person gelenkt.
Man lernt sich selbst besser kennen und auch seine Fehler zu sehen, was sogar Menschen in Freiheit bekanntlich schwerfällt.

Die ausgestellten Porträts sind entsprechend ausdrucksstark und beileibe keine Schnappschüsse. Wir sehen Männer unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft, die den Mut haben, einen Teil ihrer Persönlichkeit den Betrachtern preiszugeben. Keine Reißzähne wachsen da im Mund, es sind Menschen, die das Pech hatten, unter unglücklichen Umständen aufzuwachsen und straffällig wurden. Auch wenn die gezeigten Plastiken und Keramiken ebenfalls von beeindruckender Qualität sind, können gerade die Fotos viele Vorurteile aufbrechen, weil Abgelichtete und Betrachter in einen Austausch treten. Man erkennt, dass die Menschen auf den Porträts ähnliche Wünsche, Träume und Leiden haben. Ursula Wöll, Wetzlar

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