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Jo-Jo-Debatte zur Altenhilfe – Possenspiel um Seniorenzentrum am Richtsberg

Jo-Jo Altenheim Richtsberg140625 (yb) An Streitthemen in Marburg mangelt es nicht. Neben Verkehrsfragen, besonders dabei die Parkraumsituation, der inzwischen unbestrittenen Wohnungsnot in Marburg, offenbart die Altenhilfe in Gestalt stationärer Angebote ein erhebliches Potential zum politischen Streit. Das zeigte sich einmal mehr in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, zu der die CDU einen Antrag eingebracht hatte. Darin geht es um die Zukunft des Altenzentrum am Richtsberg: 80 vollstationäre Betten möchte die CDU in Marburgs bevölkerungsreichsten Stadtteil aufrechterhalten wissen. In der Vergangenheit wurden dort 139 Plätze angeboten. OB Vaupel hatte den Rückbau auf nur 48 Betten vorgeschlagen. Darüberhinaus will die CDU, dass „der bereits vor etwa 5 Jahren beschlossene Neubau entsprechend den Planungen des Altenheims in Cölbe unverzüglich umgesetzt“ wird. Der bisherige Bau könne danach für Studentenwohnungen umgenutzt oder verkauft werden, wird in dem Antrag ausgeführt.

Ob die CDU Marburg mit ihrem Antrag den Oberbürgermeister und seine Rot-Grüne Mehrheit lediglich vorführen wollte, oder ob es ihr ernst war mit den Anliegen im Antrag, wurde nach längerer kontroverser Debatte nicht letztlich deutlich. Es kam zum Schlagabtausch, dieser allerdings ohne Tiefgang, Sachkenntnis und damit Seriosität im Grunde bei allen Beteiligten.

Allerdings ist in der Ausschusssitzung auf nachgerade brutale Weise anschaulich geworden, wie heillos verfahren die Lage der Altenpolitik in der Stadt Marburg ist. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen, vorhergehenden Workshops unter Beteiligung der Bertelsmann Stiftung und dem Kuratorium Deutsche Altenhilfe, dem Verfassen von ellenlangen Konzepten, der Beauftragung von teuren Gutachten und widersprüchlichen Beschlussfassungen nach zwischenzeitlichem offenem Streit zwischen SPD und GRÜNEN hängt Marburg in einer äußerst unübersichtlichen Lage. Dies gilt in besonderer Weise für Oberbürgermeister Vaupel, der nach der Wohnungsnot einem weiteren Scheitern in einem sozialdemokratischen Kernbereich ins Auge sehen muss.

Um es vorweg mitzuteilen, der Antrag der CDU wurde abgelehnt, fand lediglich die zwei Ja-Stimmen der beiden CDU-Vertreter im Ausschuss. Also abhaken, Augen zu und durch am Freitag in der Stadtverordnetenversammlung, wo das Gleiche noch einmal vor mehr Publikum ansteht. Doch so einfach ist es nicht. Schon diese Sitzung wurde zum Possenspiel.

Possenspiel in der Sitzung vor aller Augen

Zum Anfang der Sitzung war Erika Lotz-Halilovic, SPD-Stadtverordnete und Ausschussmitglied anwesend. Als der Tagesordnungspunkt der CDU zum Altenheim am Richtsberg nahte, verlies sie die Sitzung. Im Publikum saß Heinrich Löwer (SPD-Stadtverordneter), der dann ihren Platz eingenommen hat und – wie die Rot-Grüne Mehrheit – gegen den CDU-Antrag abstimmte.

Das Verlassen der Sitzung von war mithin vorab bekannt und wurde mittels Ersatzmann (sicher ist sicher) ausgeglichen. Warum aber ist die SPD-Stadtverordnete gegangen? Sie ist außerdem die Vorsitzende des Ortsbeirats vom Richtsberg. Genau dieser Antrag zur Zukunft des dortigen Altenheims hätte also gerade sie besonders interessieren müssen?

Die Antwort ist eindeutig und naheliegend. Am 5. Juni 2014, also gerade mal gut zwei Wochen vor dieser Sitzung, ist im Ortsbeirat ein einstimmiger Beschluss in eben dieser Angelegenheit gefasst worden, wie sich im Protokoll des Ortsbeirats Richtsberg nachlesen lässt:

Nach dem Besuch des neuen Heimes der Altenhilfe in Cölbe und der Erörterung der Pläne für einen Umbau des Heimes am Richtsberg, erscheint es dem Ortsbeirat sinnvoll, noch einmal ernsthaft zu prüfen, ob es nicht besser ist, den Altbau am Richtsberg komplett in Wohnraum umzuwandeln und einen Neubau genau wie den in Cölbe auf einem anderen Grundstück am Richtsberg zu errichten.

Begründung: Der Umbau des Altbaus würde sehr teuer und könnte die Anforderungen trotzdem nicht so gut erfüllen wie das Heim in Cölbe. Deshalb wäre eine Doppelung der Cölber Pläne (ohne weitere Planungskosten) wahrscheinlich besser und zugleich noch wirtschaftlicher.

Ein geeignetes Grundstück wäre nach Auffassung des Ortsbeirats am Richtsberg vorhanden. Die Umwandlung des Altbaus z.B. in Studentenwohnungen und/oder barrierearme Wohnungen wäre mit sehr geringem Aufwand zu erreichen und hätte den Vorzug, dass das Problem von zu wenig Studentenwohnungen, das in Marburg auf absehbare Zeit bestehen wird, deutlich gemildert werden könnte. Aus Sicht des Ortsbeirats wäre ein Neubau des Altenheimes bei gleichzeitiger maximaler Erhöhung der Zahl der Studentenwohnungen und barrierearmer Wohnungen wünschenswert.

Nach Diskussion und Beratung wird der Prüfantrag mit Ergänzung einstimmig angenommen (7 Stimmen).

Der CDU-Antrag hätte mithin von der Ortsvorsteherin des Richtsberg befürwortet werden müssen. In ihrem Ortsbeirat hat sie obigen, inhaltlich entsprechenden Antrag befürwortet. Indem sie die Ausschusssitzung verlassen hat, versuchte sie diesen (Loyalitäts-)Konflikt zwischen ‚ihrer Partei‘ und ‚ihrem Ortsbeirat‘ zu umschiffen. Dies Verhalten mag für Erika Lotz-Halilovic subjektiv noch in Ordnung gehen. Sie hat sich einem Konflikt zunächst entzogen. Zugleich offenbart sich ein Possenspiel. Genau darauf mag der CDU-Antrag mit abgezielt haben. Die SPD hatte Vorsorge getroffen mit einem Ersatzmann.

So kann man die Glaubwürdigkeit der Kommunalpolitik trefflich desavouieren. Und so wird zudem zugelassen, dass eine engagierte Ortsvorsteherin demontiert und in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt wird. Eine ähnliche Posse, erweitert dann um die SPD-Stadtverordnete Bettina Böttcher, ebenfalls Richtsberg, droht dann in der Sitzung der Stadtverordneten am Freitag.

Bliebe nachzutragen, mit welchen Argumenten der CDU-Antrag von Wieland Stölzle begründet wurde. Wichtiger ist der Hinweis, dass Stötzel nicht zu überzeugen wusste. Sein Vortrag blieb blutleer, er hat es sogar unterlassen auf den taufrischen Beschluss des Ortsbeirats Richtsberg zu verweisen. Das kann nicht weniger befremden, wenn gegenwärtig, dass Stötzel zudem Vorsitzender Richtsberggemeinde ist.

Neben Wieland Stötzel, diskutierten Oberbürgermeister Egon Vaupel, Jan Schalauske (Marburger Linke), Elke Neuwohner (Grüne), Steffen Rink (SPD) und Bürgermeister Franz Kahle und sorgten einmal mehr für eine verkürzende Jo-Jo-Debatte. Alles irgendwie schon mal gehört, quartiernah soll es werden, neue Wege sollen beschritten werden, 80 Plätze braucht es wegen der Wirtschaftlichkeit…

Als Bürgermeister Kahle einen einstimmigen Beschluss des Stadtparlament aus 2013 vorlas, geriet die Debatte ins Trudeln. Doch war mit Abstand keiner in der Lage und willens Substantielles einzubringen. Man müsse noch Untersuchungen abwarten meinte OB Vaupel, der von wachsenden Aufgaben bei der Betreuung von Alten mit Migrationshintergrund zu erzählen wusste.

In diesem Hochhaus am Richtsberg ist das derzeitige Altenzentrum einbehaust. Inzwischen wohnen dort zusätzlich Studierende. Foto Hartwig Bambey

In diesem Hochhaus am Richtsberg ist das derzeitige Altenzentrum einbehaust. Inzwischen wohnen dort zusätzlich Studierende. Foto Hartwig Bambey

Auf der Stelle treten und keine Perspektiven aufzeigen

Bereis im Jahr 2008 hat es einen ausführlich protokollierten Workshop zur Altenhilfe gegeben. Im Boot waren die Bertelsmann Stiftung, das Kuratorium Deutsche Altenhilfe und die Stadt Marburg. Danach gab es Beratungen, Beschlüsse, Konzeptpapiere, ein Gutachten und vieles mehr. Zwischenzeitlich wurde das Seniorenzentrum in Cölbe gebaut. Ältere Menschen und viele Marburger sind längst verunsichert und unzufrieden. Jahr um Jahr geht ins Land und in der Stadt kommt man nicht voran.

So plagt sich der Oberbürgermeister mit der AG 60+ in der SPD, versucht mühsam den Seniorenbeirat auf Kurs zu bringen, muss Demonstration von Mitarbeitern ins Auge sehen, befindet sich im Dissens mit dem betroffen Ortsbeirat. Dass sich dabei wachsender Druck und Unzufriedenheit aufbaut, kann nicht verwundern. Wie lange dies der Sozialdezernent, der Vaupel notgedrungen wegen der Teilzeitmaßnahme von Kerstin Weinbach werden musste, durchstehen kann, kommt als Frage immer mehr in Sicht.

Jo-Jo Altenheim RichtsbergMehr als sechs Jahre Suche, Diskussionen sind eine sehr lange Zeit. Es gibt doch längst hinreichend Zahlen und Untersuchungen und in vielen Städten erfolgreiche Modelle. In Marburg kommt und kommt kein Land in Sicht. Derzeit wird auf Pläne von Architekten gewartet, die Auskunft darüber geben sollen, ob Sanierung und Umbau des bisherigen Altenzentrums eine preiswertere Alternative sein kann. Genau das hat Egon Vaupel vor fünf Jahren in Abrede gestellt. Nachzulesen im Antrag der CDU.

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