Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Auftakt zum Themenjahr des Marburger Weltladens: Unsere Opfer zählen nicht. Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg

Marburg 13.04.2015 (pm/red) Die Rolle der Dritte-Welt-Länder im Zweiten Weltkrieg wird Thema in einer Veranstaltungsreihe des Marburger Weltladens. Obwohl der Beitrag und die Verluste der Dritten Welt enorm waren, finde dies nur geringe Wahrnehmung. Das Thema sei bis jetzt sowohl im politischen Diskurs als auch in der gängigen Geschichtsschreibung verdrängt worden. Selbst bei den diesjährigen Feierlichkeiten zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus am 8.Mai werde dieses Thema höchstwahrscheinlich keine Erwähnung finden, obwohl der Beitrag und die Verluste der Dritten Welt enorm waren. Dies veranlasst denn Marburger Weltladen zur Auseinandersetzung mit dem Thema.

Die gängigen Angaben zu den Opferzahlen des Zweiten Weltkriegs gelten oft nur für den Kontinent Europa. Es sind mehr Menschen in der Dritten Welt während des Zweiten Weltkriegs umgekommen als in Deutschland, Italien und Japan zusammen. In China gab es mindestens 21 Millionen Kriegstote, ungefähr so viel wie in der Sowjetunion. Die Kriegstoten aus anderen Teilen Asiens sowie aus Afrika, Ozeanien und Südamerika kommen in den Statistiken erst gar nicht vor. Die Dimension der Beteiligung und Verluste der Dritten Welt während des Zweiten Weltkriegs ist gewaltig: Millionen meist zwangsrekrutierte Kolonialsoldaten aus Afrika, Asien und Ozeanien kämpften bei der Befreiung mit. Sie wurden als Kanonenfutter an vorderster Front eingesetzt und wussten oft nicht, wofür sie kämpften.

Bis heute werden die Siegermächte als Befreier genannt, auch wenn man inzwischen weiß, dass die Befreiung ohne den Beitrag der Dritten Welt nicht möglich gewesen wäre. De Gaulles Befreiungsarmee des Freien Frankreichs bestand bis zu 65 Prozent aus Afrikanern und allein 2,5 Millionen Inder kämpften auf der Seite Großbritanniens. Weite Teile der Dritten Welt dienten als Schlachtfelder und blieben nach Kriegsende verwüstet und vermint zurück.

Das Datum 8. Mai, anders als in Europa, gilt zum Beispiel in Algerien als Volkstrauertag. Am 8. Mai 1945 wurden in Algerien tausende Menschen von Franzosen massakriert, nur weil sie bei den Umzügen zur Feier des Kriegsendes in Europa auch algerische Fahnen bei sich trugen und damit nach ihrem Einsatz für die Befreiung Frankreichs auch Freiheit und Unabhängigkeit für ihr eigenes Land forderten. Die Kolonien der kriegsführenden Mächte mussten zudem Nahrungsmittel für die kämpfenden Truppen, Zwangsarbeiter*innen für die gesamte Kriegswirtschaft sowie Rohstoffe für die Rüstungsproduktion liefern.

Oft hungerte deshalb die einheimische Bevölkerung. So stammte etwa das Uran des ersten Atomwaffeneinsatzes durch die USA in Japan aus dem Belgisch-Kongo. Auch in den NS-Konzentrationslagern wurden unzählige Menschen aus der Dritten Welt eingesperrt, gefoltert und ermordet. Im hiesigen Geschichtsdiskurs werden bis heute Fakten wie diese immer noch ignoriert. Dies zu ändern, ist auch Ziel des Marburger Projekts „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“.
Beim Marburger Projekt handelt es sich um eine Reihe von Veranstaltungen und Aktionen zu diesem vergessenen Thema, die 2015/16 in Marburg stattfinden werden: Diverse Vorträge, eine Exkursion mit Beteiligung von Geflüchteten, Unterrichtseinheiten und Projekte in den Schulen (Schulen gegen das Vergessen), Radiosendungen und eine Ausstellung zum Thema.

Projektträger ist der Marburger Weltladen, in Zusammenarbeit mit diversen Kooperationspartnern, darunter der jüdischen Gemeinde Marburg, dem Dezernat Internationale Angelegenheiten und Familienservice der Philipps-Universität Marburg, dem Afrikanischen Studierendenverein Marburg, dem Arbeitskreis Marburger WissenschaftlerInnen für Friedens- und Abrüstungsforschung, der Islamischen Gemeinde Marburg etc. Ziel des Projekts ist es, die Bevölkerung über die Beteiligung und Verluste der Dritten Welt bei der Befreiung Europas und der Welt vom Faschismus aufzuklären. Zudem soll das Projekt dazu beitragen, eine rein eurozentristische Geschichtsschreibung zu überwinden und ein globales, gleichberechtigtes Geschichtsverständnis zu fördern.

Der Referent Karl Rössel ist Journalist und Autor. Er ist Mitinitiator des Langzeitprojekts „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ und recherchierte zum Thema in Westafrika, Ozeanien, Australien und auf den Philippinen. Karl Rössel ist Kurator einer Wanderausstellung, die im Herbst dieses Jahres in Marburg gezeigt wird, und Ko-Autor eines Buchs und der Unterrichtsmaterialien zum Thema. Karl Rössel arbeitete von 1983 bis Anfang 2012 im Rheinischen JournalistInnenbüro in Köln als Autor für Hörfunk und Printmedien zu internationalistischen Themen. Er hat außerdem im Bereich der Entwicklungspolitik diverse Bücher publiziert, etwa über die Geschichte der Dritte Welt-Bewegung in der Bundesrepublik, den vergessenen Krieg in der Westsahara und den Missbrauch deutscher Entwicklungshilfe zur Aufstandsbekämpfung auf den Philippinen.

Auftaktveranstaltung des Themenjahrs des Marburger Weltladens „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ im 14.04.2015 um 18 Uhr im TTZ
Unsere Opfer zählen nicht. Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg – Ein Überblicksreferat zur Bedeutung der Dritten Welt im Zweiten Weltkrieg mit Fotos und Originaltönen von Zeit-Zeug*innen.
Referent: Karl Rössel
Ort: Technologie- und Tagungszentrum (TTZ), Softwarecenter 3, Marburg
Uhrzeit: 18:00 Uhr, Eintritt: Frei

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