Beteiligungstage für das „Landgrafenschloss der Zukunft“

14.04.2024 (pm/red) Im Zuge des Projekts „Landgrafenschloss der Zukunft“ laden die Philipps-Universität Marburg und die Universitätsstadt Marburg alle Interessierten zu Beteiligungstagen am 19. und 20. April 2024 ein, sich mit Ideen und Wissen an der …

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Mit Aktivität und Austausch gegen die Angst

Depression (c) Gerd Altmann

Marburg 13.3.2018 (red/sr) Peter Schulze (Name geändert) kämpft seit 40 Jahren mit seiner psychischen Erkrankung. Vor etwa einem Jahr ist er in einer schweren Krise zur Selbsthilfegruppe Depression gestoßen. Neben anderen Hilfsangeboten sind es die regelmäßigen Gruppentreffen, die den Grundstein seiner mittlerweile eingetretenen deutlichen Stabilisierung darstellen.
Schulze ist das zweite von fünf Kindern. Beide Eltern waren arbeitslos, der Vater gewalttätig, die Mutter frustrierte Hausfrau, das Geld stets knapp, die Stimmung zuhause immer angespannt. Schulze und seine Geschwister litten unten dem Druck, hatten Angst vor Bestrafungen. Was das mit den Kindern gemacht hat, sei ihm erst Jahre später wie Schuppen von den Augen gefallen, erzählt Schulze weiter. „Jeder von uns hatte Anzeichen einer starken psychischen Belastung, aber niemand ging der Sache auf den Grund“, resümiert Schulze.

Als er älter wurde, ging er seinen Symptomen selbst auf den Grund: Sehstörungen, wunde und schmerzhafte Hautstellen, schmerzhafte Gelenke, Schweißausbrüche bei geringster Belastung. Doch seine Ärzte konnten keine körperlichen Ursachen für seine Beschwerden finden. Schulze besuchte mehrere Einzel- und Gruppentherapien, hielt sich zwei Mal stationär im Uniklinikum auf. Eine Besserung seines gesundheitlichen Zustandes brachte ihm das nicht, sehr wohl aber die Erkenntnis, dass es andere wie ihn gibt. Menschen, die ähnlich schlimmes erlebt hatten. „Das war für mich ein Aha-Erlebnis mit großer Bedeutung“, erklärt Schulze.

2012 hatte Schulze seinen ersten Zusammenbruch, sein Körper streikte, er dachte an Selbstmord. Sein Hausarzt empfahl ihm eine gute Therapeutin. „Ich hatte zum ersten Mal seit sehr langer Zeit das Gefühl, dass mir jemand wirklich helfen will. Das war überwältigend, ich habe geheult vor Erleichterung“, erzählt er. Die Therapeutin konnte Schulze Mut machen. „Ich habe mir gesagt, ich versuche das jetzt. Wenn es nicht funktioniert, kann ich immer noch den letzten Schritt machen“, so Schulze. Schulze wurde krankgeschrieben und besuchte neun Wochen lang eine Tagesklinik und besiegte seine Angst. „Das war ein irres Gefühlserlebnis. Ich fühlte mich zum ersten Mal in meinem Leben befreit, nicht eingeschüchtert, von niemandem“, erzählt Schulze noch jetzt voller Bewunderung.

Die Rückkehr ins Berufsleben verlief jedoch nicht wie erhofft. Schulze erkannte: Wenn er so weitermacht, ist der nächste Zusammenbruch nicht weit. Er zog Erwerbsminderungsrente in Betracht, doch seine Ehefrau war damit überhaupt nicht einverstanden. Als Schulze erneut körperliche Beschwerden bekam und operiert werden musste, verließ ihn seine Frau. Schulze verlor den letzten festen Punkt in seinem Leben, Depression und Suizidgedanken kamen zurück. „Ich hatte das Gefühl, dass mir gerade mein gesamtes Leben um die Ohren fliegt“, so Schulze.

Doch Schulze hat auch dann noch weitergekämpft. „Man darf nicht im Stillstand verharren, man muss aktiv bleiben, Schritt für Schritt kleine Ziele erreichen, mit anderen Menschen in Kontakt kommen und bleiben, sich nicht zurückziehen in die Einsamkeit“, erklärt Schulze. Deshalb ist er einer Selbsthilfegruppe für an Depression Erkrankte beigetreten, besucht die Treffen regelmäßig.

Die Selbsthilfegruppe Depression gibt es seit dem Jahr 2000. Ihre Mitglieder treffen sich wöchentlich im Selbsthilfehaus am Krummbogen. Auch kleinere Ausflüge in ein Café oder auf den Weihnachtsmarkt werden gemeinsam unternommen. „Für mich bedeuten die Gruppentreffen insbesondere eine aktive und selbstgestaltete Teilnahme an meinem Genesungsprozess“, urteilt Schulze.

Er hat Erwerbsminderungsrente beantragt, ist aktuell befristet berentet. Ganz nach eigenem Plan baut er sich nun Schritt für Schritt ein eigenes privates Umfeld auf. Während seiner Ehe hatte er darauf gänzlich verzichtet, seiner eifersüchtigen Exfrau zuliebe. Außer der Selbsthilfegruppe besucht er noch eine Herzsportgruppe sowie eine Diakoniesportgruppe.

Trotzt des Erlebten blickt Schulz positiv auf sein Leben zurück: „Dafür, dass meine Eltern mich als doof klassifiziert haben, habe ich mein Leben doch ganz gut gemeistert. Ich habe zwei Ausbildungen abgeschlossen und besitze zwei alte Bauernhöfe, die ich selbst renoviert habe. Selbst von zwei lebensbedrohlichen Depressionen habe ich mich nicht klein kriegen lassen. Ich habe mein Leben wieder in die richtige Bahn gelenkt und die Selbsthilfegruppe hatte einen wesentlichen Anteil daran.“

1. Marburger Selbsthilfetag

Am 7. April, dem Weltgesundheitstag, findet ab 13 Uhr der 1. Marburger Selbsthilfetag unter dem Motto „Selbsthilfe im Wandel“ im Erwin-Piscator-Haus statt. Neben einer offenen Podiumsdiskussion zum Thema Selbsthilfe und einer Lesung von Buchautor Bernd Mann werden zahlreiche Selbsthilfegruppen über ihre Angebote informieren. Die Veranstaltung richtet sich an alle, die sich für Selbsthilfe interessieren, unabhängig davon, ob sie selbst eine persönliche Verbindung zum Thema haben. Veranstalter sind die Selbsthilfekontaktstelle Marburg sowie Arbeit und Bildung e.V. Finanziert wird die Kampagne von der Stadt Marburg.

Kontakt zur Selbsthilfegruppe

Selbsthilfegruppe Depression
Treffen: Montags um 18 Uhr am Krummbogen 2
Selbsthilfekontaktstelle Marburg
Biegenstraße 7
35037 Marburg
Telefon 0 64 21 / 17 699 – 34 / – 36
info@selbsthilfe-marburg.de
www.selbsthilfe-marburg.de

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