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Covid-19 als Weckruf? Plädoyer für eine neue Politik öffentlicher Güter

Kunsthalle mit Skulpturen

200 cm in die Höhe erhebt sich die Schreikleid genannte Skulptur von Klaus Hack. Wesenhaft mit riesigem offenen Mund und hinten sich abstützenden durchgedrückten Armen beeindruckte diese Figur aus Pappelholz während einer früheren Ausstellung im Marburger Kunstverein (Foto H.Bambey)

Kassel 01.12.2020 (wm) Die Pandemie provoziert und ist ein Weckruf. Sie legt die bereits vorhandenen Brüche innerhalb der Gesellschaft offen. Sie setzt die politische Handlungsfähigkeit unter Druck und verdeutlicht: In der Fähigkeit der Krisenbewältigung machen das Vorhandensein und die Funktionsfähigkeit öffentlicher Güter den Unterschied aus. Denn gegen die Fragmentierung und Polarisierung der Gesellschaft hilft kein Impfstoff, sondern nur eine neue Politik der öffentlichen Güter. So müssen diejenigen gestärkt werden, die am Gemeinwohl arbeiten. Nicht nur Rettungsschirme, sondern langfristige Investitionen sind gefragt, betont Berthold Vogel (SOFI) in einem aktuell erschienenen Beitrag der WSI-Mitteilungen.

Wandelt die Pandemie unsere Gesellschaften zum Besseren? Erleben wir eine neue Solidarität, gar das Ende des Marktradikalismus und eine neue Wertschätzung öffentlicher Angelegenheiten? Tatsächlich gelang es seit März dieses Jahres, dass sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der pandemischen Belastungsprobe vereint stellten. Rasch wurden Rettungsschirme und Finanzhilfen, Subvention und Sonderzahlung in Aussicht gestellt. Berufe und Tätigkeiten erhielten mediale und politische Aufmerksamkeit, die sonst eher in den Hintergrund der Arbeitsgesellschaft rücken: Sanitäter und Busfahrerinnen, Logistikmitarbeiterinnen und Sozialarbeiter. „

Doch diese Solidarität und Wertschätzung waren nicht von langer Dauer“, hebt Berthold Vogel hervor: „Schnell wurde kritisiert, dass Konjunkturpakete eine Sicherheit suggerieren, die sie nicht werden bieten können. Und je länger die Krise anhält, umso deutlicher treten die jeweils eigenen wirtschaftlichen und sozialen Interessen hervor. Zudem werden bereits vorhandene Bruchlinien innerhalb und zwischen Gesellschaften sichtbarer. Nichts spricht aus soziologischer Sicht dafür, dass das Virus und die Corona-Krise Gleichmacher oder Zusammenhaltsverstärker wären. Im Gegenteil: Die Pandemie ist ein unerbittlicher Trennungsbeschleuniger. Covid-19 attackiert den sozialen Zusammenhalt.“

Denn die fiskalischen, ökonomischen und sozialen Lasten, die die Pandemie auferlegt, werden auch die wohlhabenden Gesellschaften, die über einigermaßen reaktionsfähige und resiliente öffentliche Güter und Strukturen verfügen, noch sehr lange begleiten. So verdeutlicht Covid-19 auch hierzulande soziale und betriebliche Ungleichheiten: Der kräftezehrende Spagat von Kleinfamilien zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung wird ebenso sichtbar, wie die betrieblichen Ungleichheiten zwischen Büro und Werkhalle.

„Darüber hinaus gab es im Frühjahr 2020 keinen Lockdown für alle“, so der Göttinger Soziologe: „In vielen Bereichen ging die Arbeit oft über jede Belastungsgrenze hinaus. Dies betraf das Gesundheitspersonal oder Verkäuferinnen. Die Logistik, Paketdienstfahrer, das Baugewerbe und Handwerk sowie die industrielle Fertigung zählten ebenso hierzu. Vor dem Virus sind daher keineswegs alle gleich. Vielmehr zeigt sich, dass die pandemische Risikogesellschaft in ihrer Arbeitswirklichkeit eine Klassengesellschaft ist.“

Was nun zu tun ist? Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Forschungen ruft Berthold Vogel nachdrücklich dazu auf, bestehende Ressourcen wie öffentliche Einrichtungen nachhaltig zu stärken. Er konstatiert: „Die Institutionen des Wohlfahrtsstaates und die Vitalität öffentlicher Güter verdeutlichen je nach Land und Region den starken Unterschied. Sie können, soweit vorhanden, soziale und wirtschaftliche Trennungen ausgleichen und politisch gestalten.

Die Verteilungskonflikte, die kommunal, national, global auf uns zukommen, benötigen leistungs- und reaktionsfähige öffentliche Institutionen, auf nationaler wie internationaler Ebene. Denn öffentlicher Einrichtungen, wie die oft zu Unrecht geschmähte Verwaltung, haben im bisherigen Verlauf der Krise eine zentrale Rolle gespielt. Eine neue Politik öffentlicher Güter, die gleichermaßen regional wie europäisch denkt, ist daher nicht nur das spontane Gebot der Stunde, sondern der nachhaltige Auftrag für die kommenden Jahre.“

Gegen eine Fragmentierung und Polarisierung der Gesellschaft

So werde die Zukunft der demokratischen Gemeinwesen während und nach pandemischen Krisenereignissen und damit auch die Bewältigung der kommenden (Wohlstands-) Konflikte von der Investitionsbereitschaft in öffentliche Güter abhängen: „Hier sind nicht nur Rettungsschirme gefragt. Sie schützen nicht auf Dauer. Gefragt sind jetzt klare Investitionsstrategien – zum Nutzen der dort Beschäftigten und damit zum Nutzen aller. Diese Investitionsstrategien müssen von den lokalen Verhältnissen her gedacht werden, von den Bedarfen vor Ort, von der Notwendigkeit neuer regionaler Infrastrukturen des Zusammenhalts“, betont Vogel: „Wir müssen diejenigen Menschen stärken, die bereit sind, sich für öffentliche Aufgaben zu engagieren. Gegen die Fragmentierung und Polarisierung der Gesellschaft hilft kein Impfstoff, sondern nur eine neue Politik der öffentlichen Güter. Denn diese setzt darauf, dass die Tragfähigkeit der Institutionen politisch gestaltbar und demokratisch wie rechtsstaatlich zu gewährleisten ist – jedenfalls besser als die Organisation von Moralgemeinschaften oder die Hoffnung, dass uns die Krise zu besseren Menschen macht. Covid-19 als Weckruf? Das ist kein Appell an höhere Einsichten, sondern der praktische Aufruf, bestehende Ressourcen unserer Gesellschaft zu nutzen und zu stärken.“

Veröffentlichung:
Berthold Vogel: Covid-19 als Weckruf? Plädoyer für eine neue Politik öffentlicher Güter. In: WSI-Mitteilungen, Sonderheft 6-2020: Die Corona-Pandemie: zwischen Krisenintervention und Transformation, S. 468-471.

 

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