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Der Schwarze Tod weniger tödlich als bislang gedacht

14.02.2022 (wm/red) Pollendaten aus 19 europäischen Ländern zeigen, dass die Pest zwar in bestimmten Regionen besonders verheerend war, in anderen Teilen Europas jedoch sehr viel weniger stark oder auch gar nicht wütete. Eine aktuell veröffentlichte Studie, an der auch Dr. Martin Bauch (GWZO) beteiligt war, nutzt Pollendaten, um die Mortalität der zweiten Pestpandemie auf regionaler Ebene einzuschätzen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen der Pest stark von Region zu Region variierten und unterstreichen die hohe Relevanz interdisziplinärer Ansätze zur Erforschung von vergangenen sowie gegenwärtigen Pandemien.

Die als Schwarzer Tod bekannte Pestwelle, die 1347-1352 über Europa, Westasien und Nordafrika hereinbrach, zählt zu den bekanntesten und berüchtigtsten Pandemien der Geschichte. Historiker/innen schätzten bisher, dass nahezu die Hälfte der europäischen Bevölkerung starb. Die Pest wurde für zahlreiche Veränderungen in Religion, Politik und Kultur verantwortlich gemacht. Wie sich die Seuche jedoch demographisch auswirkte, blieb bislang an relativ wenige Schriftquellen gebunden und wurde nicht abschließend verstanden.

Einer neuen Studie gelang es nun zu zeigen, dass die hohe Mortalität der Pest in Europa regional stark variierte. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Palaeo-Science and History-Gruppe des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte analysierte dafür fossile Pollen von 261 Untersuchungsorten aus 19 europäischen Ländern, um zu bestimmen, wie sich Landschaft und landwirtschaftliche Aktivität zwischen 1250 und 1450 veränderten. Ihre Analysen unterstützen die bisherigen Erkenntnisse, dass bestimmte europäische Regionen besonders schwer von der Pest getroffen wurden. Sie zeigen jedoch auch, dass nicht alle Regionen gleichermaßen von der Seuche heimgesucht wurden.

Landschaften erzählen eine überraschende Geschichte
Die Palynologie – die Untersuchung von Sporen und Pollenkörnern – diente dabei als ein besonders wichtiges Werkzeug zur Untersuchung der demographischen Auswirkungen der Pest. Mithilfe eines neuen Ansatzes, genannt Big-data paleoecology (BDP), analysierten die Forscher*innen 1.634 Pollenproben, die in ganz Europa gesammelt wurden. Dadurch konnte das Team bestimmen, welche Pflanzen in welchen Mengen angebaut wurden und zeigen, in welcher Region der Ackerbau zum Stillstand kam, weiter betrieben wurde oder ob Wildpflanzen auf früheren Feldern nachwuchsen.

Einen besonders starken Rückgang landwirtschaftlicher Aktivität erlebten Skandinavien, Frank-reich, Südwestdeutschland, Griechenland und Mittelitalien. Dies korreliert mit den hohen Sterblichkeitsraten, die bereits in mittelalterlichen Quellen beschrieben wurden. Zentral- und Osteuropa sowie Teile Westeuropas, darunter Irland und die Iberische Halbinsel, zeigten hingegen Anzeichen für Kontinuität und ununterbrochenes Wachstum.

„Diese signifikante Variabilität in der Mortalität muss erst noch vollständig erklärt werden. Doch lokale Gegebenheiten hatten wahrscheinlich einen Einfluss auf die Verbreitung, die Infektionsrate sowie die Sterblichkeit von Y. pestis“, so Alessia Masi vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Universität La Sapienza in Rom.

Kein universelles Modell der Pandemie
Ein Grund für diese überraschenden Ergebnisse liegt darin, dass viele der quantitativen Quellen aus urbanen Gebieten stammen, welche besonders durch beengte Räumlichkeiten und schlechte Hygiene gekennzeichnet waren. In der Mitte des 14. Jahrhunderts lebte jedoch mehr als drei Viertel der europäischen Bevölkerung in ländlichen Regionen. Die aktuelle Studie zeigt, dass für die Untersuchung der Mortalität in einer bestimmten Region Daten aus lokalen Quellen rekonstruiert werden müssen, darunter auch mit dem BDP-Ansatz, um etwaige Veränderungen der örtlichen Landschaft zu bestimmen.

„Es gibt kein universelles Modell für ‚die eine Pandemie‘ oder den ‚einen Pestausbruch‘, welches für jeden Ort und jeden Zeitpunkt angewendet werden kann“, sagt Adam Izdebski, Leiter der Palaeo-Science and History-Gruppe am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Pandemien sind komplexe Phänomene, die jedoch auch immer regionale und lokal unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Was wir schon während der Covid-19-Pandemie erlebten, konnten wir nun auch für die damaligen Pestausbrüche zeigen.“

Sein Co-Autor Martin Bauch, Umwelthistoriker am Leibniz-Institut für die Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig, ergänzt: „Für Regionen wie Böhmen, Ungarn und Polen bestärken die Ergebnisse der Studie die Annahme, dass deren Blüteperiode ab 1350 nicht zuletzt mit dem Ausbleiben des Schwarzen Todes zu tun haben könnte.“

Die Unterschiede in der Mortalität in Europa zeigen, dass die Pest eine dynamische Krankheit war und insbesondere kulturelle, ökologische, ökonomische und klimatische Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf ihre Verbreitung und Auswirkungen hatten.

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