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Frauennotruf Marburg kämpft gegen sexualisierte Gewalt im Landkreis Marburg Biedenkopf

Eine Buskampagne von Frauennotruf Marburg e.V. soll Betroffene in Stadt und Landkreis ermutigen, nach einer Vergewaltigung in ein Krankenhaus zu gehen. Foto nn

09.12.2022 (pm/red) Der Frauennotruf Marburg berät Betroffene und Unterstützer/innen aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf zu den Themen sexualisierte Gewalt und Stalking. Neben der Beratung gibt es medizinische Hilfe nach einer Vergewaltigung im UKGM Marburg. Trotz steigender Beratungsanfragen, zusätzlichen Arbeitsanforderungen und gesetzlicher Vorgabe bleibt die Arbeit seit Jahren durch die öffentliche Hand finanziell unterversorgt.

Sexualisierte Gewalt – noch immer ein Tabuthema

Über Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt wird nicht gern gesprochen. Die Beratungsstelle des Frauennotruf Marburg e.V. bietet hierfür einen geschützten Raum. Betroffene können frei über das tabuisierte Thema sprechen. Dies ist ein erster Schritt in der Verarbeitung der Gewalt, die viele als psychisches Trauma erleben. Denn leider ist sexualisierte Gewalt für viele Frauen trauriger Alltag. So erlebt etwa jede zweite Frau mindestens einmal in ihrem Leben sexuelle Belästigung, jede siebte sexuelle Nötigung und/oder eine Vergewaltigung. Das durch die Gesellschaft auferlegte Tabu verhindert, dass sich Betroffene an vertraute Personen wenden oder sich professionelle Unterstützung suchen. Genau dagegen kämpft der Frauennotruf Marburg e.V. seit seiner Gründung in den 80er Jahren an.

Die Beratungsstelle berät Betroffene und deren Unterstützungspersonen aus privatem oder beruflichem Umfeld rund um die Themen Vergewaltigung, sexuelle Belästigung und Stalking. Nicht selten spielen auch Gewaltformen wie psychische und digitale Gewalt oder Zwangsverheiratungen eine Rolle. Fragen zum Umgang mit dem Erlebten im Alltag, Bedeutung von traumaspezifischen Symptomen, rechtlichen Möglichkeiten oder Problemen in der Alltagsbewältigung sind typische Themen in der Beratung. Die Beraterinnen helfen außerdem bei der Suche nach weiteren Unterstützungsstellen, z.B. passenden Rechtsanwält/innen, Ärzt/innen oder Therapeut/innen, begleiten Betroffene zu Behördengängen, zur Polizei oder zu Gericht.

Nicht selten wird Frauen, die von einer Vergewaltigung berichten nicht geglaubt. „Das hat viel damit zu tun, dass es weit verbreitete Mythen zum Thema Vergewaltigung gibt“, berichtet Luisa Zingel, Beraterin beim Frauennotruf Marburg. „Wie etwa, dass die Täter den Frauen meist fremd sind oder die Gewalt vor allem draußen passiert“. Das Gegenteil ist der Fall: in der überwältigenden Mehrheit der Fälle stammen die Täter aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen; sind Nachbarn, Arbeitskollegen, Kommilitonen, usw. Tatorte der Gewalt sind meist keine dunklen Ecken im Park, sondern die eigene Wohnung, die Wohnung eines Bekannten oder die Arbeitsstelle.

Große Unwissenheit über das Thema in der Bevölkerung führt dazu, dass Frauen mit ihren Erzählungen oft nicht ernst genommen und ihre Wahrnehmung infrage gestellt werden.

„Wir erleben häufig, dass gewaltbetroffene Frauen in der Beratung zum ersten Mal jemandem davon erzählen“, berichtet Zingel. „Der vertrauliche und kostenfreie Rahmen wird von den Ratsuchenden sehr geschätzt.“

Medizinische Akutversorgung im UKGM Marburg

Neben der psychosozialen Beratung ist die medizinische Versorgung ein weiterer wichtiger Bestandteil in der Grundversorgung von Betroffenen nach einer Vergewaltigung. Hierfür bildet der Frauennotruf Marburg für den Landkreis Marburg Biedenkopf die Frauenklinik im UKGM Marburg im Themenfeld Sexualisierte Gewalt weiter. Betroffene können sich innerhalb von 72 Stunden, also innerhalb drei Tagen nach der Tat, an die Ärzt/innen vor Ort wenden und erhalten rund um die Uhr traumasensible medizinische Versorgung, sowie wenn gewünscht auch eine vertrauliche Spurensicherung.

Das bedeutet, dass zu keinem Zeitpunkt die Polizei eingeschaltet werden muss, es sei denn die Patientin entscheidet sich dafür. „Dies ist für viele eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sie sich an ein Krankenhaus wenden“, so Zingel. Es gibt viele Betroffene für die es in der Akutsituation zu belastend ist, den oder die Täter anzuzeigen. Die asservierten Spuren der vertraulichen Spurensicherung werden ein Jahr aufbewahrt und liefern wertvolle Beweise, sollte sich die Betroffene für eine Anzeige entscheiden. Im Krankenhaus werden die Patientinnen zusätzlich auf das Beratungsangebot des Frauennotruf Marburg hingewiesen und werden nach Zustimmung auch von einer Beraterin kontaktiert. Dann können Betroffene in Ruhe entscheiden, ob sie eine Anzeige stellen wollen und sich informieren, was dies bedeutet.

Social Mediawerbung und bedruckte Busse im Landkreis

Motiv der Social Media Videokampagne des Frauennotruf Marburg e.V. zur Medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung am UKGM

Um das Angebot der Beratungsstelle und der medizinischen Versorgung im UKGM Marburg bekannt zu machen, braucht es kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit. Hier setzen die Mitarbeiterinnen des Frauennotruf Marburg dieses Jahr an zwei Stellen an. So läuft neben einer Instagram- und Facebookkampagne auch eine Buswerbekampagne im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Zwei bedruckte Busse fahren für drei Monate durch den Landkreis und machen mit dem Slogan „Jede Vergewaltigung ist ein medizinischer Notfall. Im Krankenhaus erhalten Sie Hilfe“ auf das Angebot aufmerksam. Unterstützt wird die Kampagne vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration.

Fehlende Finanzierung

Leider steht die wichtige Arbeit des Frauennotruf Marburg e.V. auf finanziell wackligen Beinen. So fehlt es an einer langfristigen und ausreichenden Finanzierung. Der Verein kommt mit seiner Finanzierung auf einen Stellenteil von lediglich einer Vollzeitstelle, die die Mitarbeiterinnen unter sich aufteilen müssen. Den größten Anteil an Personalmitteln müssen die Mitarbeiterinnen neben dem Alltagsgeschäft daher mit zusätzlichen, befristeten Projektgeldern selbst einwerben.

„Wir leisten wichtige Arbeit für die Menschen im Landkreis Marburg- Biedenkopf. Diese Arbeit braucht finanzielle Sicherheit, um langfristig bestehen zu können.“

„Da wir mit den alltäglich anfallenden Aufgaben bereits gut ausgelastet sind, entsteht diese Akquise für Fördergelder fast ausschließlich im Ehrenamt“, erzählt Doris Kroll, Geschäftsführerin des Frauennotruf Marburg. Mit der Ratifizierung der Istanbul Konvention 2018 hat sich Deutschland verpflichtet, Gewalt gegen Frauen zu beseitigen. Dazu gehört auch die bedarfsgerechte Ausstattung der Fachberatungsstellen.

Frauennotruf Marburg e.V.
Beratung bei Vergewaltigung, Belästigung, Stalking
Neue Kasseler Str. 1, Marburg
Telefon 06421 21438 – Mo 16:00 – 18:00, Do 9:00 – 11:00, sonst AB
Info auf Webseite www.frauennotruf-marburg.de

 

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