Psychiatrie-Kongress fordert bedarfsorientierte Versorgung psychisch erkrankter Menschen
01.12.2025 (pm/red) Mit einem Appell für eine moderne, individuumszentrierte Versorgung psychisch erkrankter Menschen ist der jährliche Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) zu Ende gegangen. 9.600 Teilnehmer aus Forschung, Versorgung und Politik diskutierten vier Tage lang über aktuelle Entwicklungen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die besonderen Herausforderungen in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen, wird berichtet.<!–more–
Im Mittelpunkt des diesjährigen Kongresses stand das Thema „Personenorientierte Versorgung“. Entscheidend sei ein niedrigschwelliger Zugang zum Versorgungssystem-
- Wie kann sichergestellt werden, dass psychisch kranke Menschen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen?
- Wie kann gewährleistet werden, dass ein niedrigschwelliger Zugang zum Versorgungssystem möglich ist und zudem ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen – gerade für die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen?
„Unser Ziel ist ein regional verankertes, sektorenübergreifendes Versorgungssystem, das sich am Bedarf der Patientinnen und Patienten orientiert – und nicht an Zuständigkeits- oder Budgetgrenzen“, erklärte DGPPN-Präsidentin Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank zur Kongresseröffnung. „Sowohl die geplante Krankenhausreform als auch die bundespolitischen Überlegungen zur Steuerung der ambulanten Versorgung beinhalten Chancen, aber auch Risiken.“
Gerade im Zuge der Diskussion um das Primärarztsystem müssse unbedingt darauf geachtet werden, dass für psychisch Erkrankte keine weiteren Zugangshürden entstehen, führte die DGPPN-Präsidentin aus. Die DGPPN fordere daher den Erhalt des Direktzugangs zur psychiatrisch-psychotherapeutischen Diagnostik und Behandlung.
Konsequente Therapie wirksamste Maßnahme der Gewaltprävention
Diskussionen über nötige Reformen im ambulanten und stationären Bereich, in der Rehabilitation und Wiedereingliederung sowie in der Steuerung der Versorgung zogen sich wie ein roter Faden durch das Programm, so der Bericht.
Auch die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen war vielfach Thema. Mit Sorge wurde beobachtet, dass psychische Gesundheit vermehrt im Zusammenhang mit Sicherheit diskutiert wird. Das Fachpublikum war sich einig: Register oder verschärfte Meldepflichten, die das Arztgeheimnis beeinträchtigen, mindern das Gewaltrisiko nicht – im Gegenteil. Sie könnten vielmehr dazu führen, dass Betroffene sich aus Angst vor Benachteiligung keine Hilfe mehr suchen. Die wirksamste Maßnahme der Gewaltprävention sei – so betonten viele Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Workshops – eine konsequente Therapie.
Diese Debatten erhalten im Jubiläumsjahr der Psychiatrie-Enquete zusätzliche Bedeutung, weil sie die Grundfragen der psychiatrischen Versorgung berühren: Wie will die Gesellschaft mit schwer psychisch erkrankten Menschen umgehen? Und wie viel Mitmenschlichkeit traut sie sich zu?
„Es sind kritische Zeiten, in denen die Psychiatrie gefordert ist, politisch Stellung zu beziehen. Dazu braucht es Mut, Standhaftigkeit und ein klares Zielbild: Der Mensch im Mittelpunkt.“ DGPPN-Präsidentin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank
Der DGPPN Kongress ist jedes Jahr Anlaufpunkt für Fachleute aus Psychiatrie, Psychotherapie, Pflege, Pharmazie, weiteren Gesundheitsberufen und anderen medizinischen Disziplinen. Darüber hinaus nehmen Studierende, Betroffene und Angehörige teil, ebenso Medienvertreter, Kunstschaffende sowie zentrale Akteure aus Politik und Gesellschaft.
Der Kongress war 2025 wieder die größte deutschsprachige wissenschaftliche Fachveranstaltung im Bereich der psychischen Gesundheit: Mit insgesamt mehr als 2.000 wissenschaftlichen Beiträgen in gut 500 Sitzungen zog der DGPPN Kongress dieses Jahr 9.600 Teilnehmer an. Etwa 7.600 besuchten den Kongress vor Ort im CityCube Berlin, weitere 2000 verfolgten das Programm online. Eine Fachausstellung mit etwa 800 Teilnehmenden aus Industrie, Verbänden, der Selbsthilfe und Betroffenenorganisationen flankierte das wissenschaftliche Programm.
Die DGPPN ist die größte deutsche medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit. Sie bündelt die Kompetenzen von mehr als 13.000 Fachärztinnen und Fachärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Forschenden der Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.


