Studium Generale zur Geschichte der Marburger Universität ab 30. April

16.04.20225 (pm/red) Im Sommersemester 2025 bringt das Studium Generale der Philipps-Universitä unter dem Titel „Universität – wozu?“ als Leitfrage eine Vortragsreihe als Zeitreise durch die Geschichte der Marburger Universität. In 2027 kann die Philipps-Universität ihr …

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Zuhörer bei umstrittener politischer Veranstaltung als Kündigungsgrund?

10.06.2025 (pm(red) Ein Arbeitnehmer wollte sich in seiner Freizeit ein eigenes Bild über Buch und Vortrag des Autors Martin Sellner machen. Nachdem er von Kollegen beim Arbeitgeber denunziert wurde, erreichte ihne  eine fristlose Kündigung. Dies wird beim Arbeitsgericht Gießen am 10. Juni 2025 verhandelt.

Darf man bei einer umstrittenen politischen Veranstaltung zuhören? Oder ist das ein Kündigungsgrund? Mit dieser Frage muss sich am Dienstag, 10. Juni 2025, das Arbeitsgericht Gießen in einem Kammertermin beschäftigen. Der Arbeitgeber, ein Verein, der sich für die Förderung von Behinderten einsetzt, hatte einem Angestellten seines Zweckbetriebes eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen. Der Angestellte hat gegen die Kündigung geklagt und möchte in seinem bisherigen Job weiterarbeiten.

Gütetermin im Oktober endete ohne Einigung

Ein erster Gütetermin fand am 24. Oktober 2024 statt, wo zunächst der Anwalt des Arbeitgebers vortrug. Anlass der Kündigung war, dass der Angestellte in seiner Freizeit an einer politischen Buchlesung teilgenommen hatte. Aus der Teilnahme an der Buchlesung schlussfolgerte der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer die „Haltung“ des Autors Martin Sellner teilen würde, welche dem Menschenbild des „Tendenzbetriebes“ entgegenstünde.

Um die (unterstellte) „Haltung“ des Arbeitnehmers zu untermauern, verwies der Arbeitgeber auf einen philosophischen Text, den der Arbeitnehmer vor mehr als sechs Jahren auf einer Website veröffentlicht hatte. Das könne der Verein nicht aushalten.

Arbeitgeber will „Haltung zeigen“ – „auch in die Marburger Stadtöffentlichkeit“

Der Arbeitnehmer war vor der fristlosen Kündigung Ersatzmitglied im Betriebsrat. Aus diesem Grunde kam eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung nicht in Frage. Doch eine außerordentliche fristlose Kündigung ist nur zulässig, wenn ein schwerwiegender Grund vorliegt. In der Regel muss der Arbeitgeber das vorgeworfene Fehlverhalten abmahnen, bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird. Aber kann der Arbeitgeber das Freizeitverhalten seiner Beschäftigten abmahnen?

Selbst der Arbeitgeberanwalt gab zu, er wisse „dass es rechtliche Risiken gibt“. Aber der Arbeitgeber wolle „Haltung zeigen“, „auch in die Marburger Stadtöffentlichkeit hinein“.

Kläger besuchte Lesung, um sich eigenes Bild zu machen

Der Anwalt des Arbeitnehmers führte aus, der Arbeitgeber habe „nicht das Recht, in das Privatleben der Arbeitnehmer hineinzuregieren“. Über die Lesung gab es im Vorfeld eine breite mediale Berichterstattung. Daher wollte sich der Kläger ein eigenes Bild zum Autor und seinem Buch machen. Es könne nicht sein, dass man eine fristlose Kündigung erhält, nur weil man sich drei Tage zuvor für ein Buch interessiert habe,
argumentierte der Anwalt.

Kommentar und rechtliche Einschätzung

In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO), ist die private Teilnahme an einer politischen Buchlesung Ausdruck des vom Grundgesetz in Artikel 5 geschützten Rechts auf Meinungsfreiheit: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.

Kündigung rechtlich kaum haltbar

Der Verweis darauf, dass der Verein ein „Tendenzbetrieb“ sei, ändert daran nichts – insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit vermutlich noch nicht mal als „Tendenzträger“
einzustufen ist. Ein „Tendenzbetrieb“ ist z.B. die Kirche, die von Ihren Arbeitnehmern ein religiöses Bekenntnis verlangen kann. „Tendenzträger“ sind Beschäftigte, deren Tätigkeit maßgeblich zur Verwirklichung der ideellen oder weltanschaulichen Zielsetzung des Tendenzbetriebes beiträgt. In einer Kirche wäre der Pfarrer z.B. ein Tendenzträger, der IT-Administrator jedoch nicht.

Auch, dass der Arbeitgeber in der Begründung einer fristlosen Kündigung aus aktuellem Anlass auf einen mehrere Jahre alten philosophischen Text des Arbeitnehmers verwies, könnte dem Gericht dubios vorkommen.

Wer störte den Betriebsfrieden?

Ein besonders perfides Argument des Arbeitgebers war, der Kläger habe mit seiner privaten Teilnahme an der Buchlesung den Betriebsfrieden gestört. Es habe „besorgte Anrufe und Nachfragen“ von anderen Mitarbeitern aufgrund der Teilnahme an der Lesung gegeben. Doch woher wussten diese davon?

Anonyme Täter hatten verbotenerweise alle Teilnehmer der Lesung abfotografiert, als diese den Veranstaltungsort verließen. Die Portraitaufnahmen wurden – unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Teilnehmer – auf einer anonymen Website ohne gültiges Impressum rechtswidrig veröffentlicht.

Dies ist eine bekannte Taktik im Milieu selbsternannter „Anti“-Faschisten, die damit Menschen öffentlich als politische Gegner markieren und diese in ihrem privaten und beruflichen Leben schädigen wollen. Es ist naheliegend, anzunehmen, dass „Kollegen“ aus genau diesem Milieu den Kläger bei der Geschäftsführung denunziert und diese damit zum Handeln „motiviert“ haben.

Dem Arbeitnehmer daraufhin vorzuwerfen, er habe den Betriebsfrieden gestört, wenn dies in Wirklichkeit durch Dritte erfolgte, ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die die Denunzianten in ihrem Handeln bestätigt.

Fazit

Der gemeinnützige Verein stützt seine Begründung der außerordentlichen Kündigung ausschließlich auf außerbetriebliche und durch Art 5 GG besonders geschützte Tätigkeiten des Klägers. Dies dürfte kaum als „wichtiger Grund“ durchgehen, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Diese vom Anwalt des Vereins bereits angesprochenen „rechtlichen Risiken“ könnten dazu führen, dass die Geschäftsführung in der Verhandlung vom Arbeitsgericht Gießen aufgezeigt bekommt, dass der Verein selbst hier massiv Unrecht begangen und sich gegen die Grundprinzipien unserer Demokratie versündigt hat.

Dem Ruf des „Tendenzbetriebes“ als vermeintlicher Verteidiger der Demokratie hätte die Geschäftsführung damit einen Bärendienst erwiesen.

Allerdings heißt es, „vor Gericht und auf hoher See …“ sei man „in Gottes Hand.“ Daher bleibt abzuwarten, wie das Arbeitsgericht Gießen entscheidet. Sollte es wider Erwarten gegen den Kläger entscheiden, so wäre dies ein harter Schlag gegen die Meinungsfreiheit – einer der fundamentalen Grundpfeiler der Demokratie! Aus genau diesem Grund verdient der Fall große Aufmerksamkeit.

 

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