Staatstheater Kassel: „Carmen“ ab 31. März zurück auf dem Spielplan

24.3.2024 (pm/red) Nach mehrmonatiger Pause kehrt die beliebte Opernproduktion wieder auf den Spielplan zurück: Georges Bizets „Carmen“ in der Inszenierung von Florian Lutz ist ab Ostersonntag, 31. März, wieder im Opernhaus, in der Raumbühne ANTIPOLIS …

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Marburg verliert seit Jahren deutlich Einwohner – Wohnraummangel und teure Mieten vertreiben die Menschen

dbax0822_0442-Montage_BevoekerungsentwicklungMarburg 9.1.2013 (yb) Eine gründliche Beschäftigung mit Fragen zur Wohnraumversorgung in Marburg offenbart bereits wenig Positives für die Universitätsstadt an der Lahn. Klagen über teure und für wachsende Bevölkerungsteile nicht mehr bezahlbare Mieten sind deutlicher Ausdruck dafür. Zugleich gilt es einen signifikanten Mangel an Wohnungen zur Kenntnis zu nehmen. Neubauten im Bereich ‚Sozialer Wohnungsbau‘ sucht man seit Jahren vergebens. Für die Betrachtung der Stadtentwicklung ist die Entwicklung auf dem ‚Wohnungsmarkt‘ jedoch nicht die alleine maßgebliche Größe. Grundlegende Maßzahl ist zuallererst die Einwohnerzahl und deren Entwicklung. Die Auswertung diesbezüglicher Zahlen durch die Redaktion von das Marburger. beförderte eine faustdicke Überraschung zu Tage. Marburg verliert seit einigen Jahren signifikant an Einwohnern. Die Gesamtzahl der Bewohner hat sich von 89.242 im Jahr 2008 auf 87.040 zum Jahresende 2012 verringert. Mithin gibt es einen Verlust von mehr als 2.000 Einwohnern – exakt sind es 2.231 Menschen – in der Universitätsstadt hinzunehmen. Das ist eine deutlich unangenehme Nachricht, beinahe schon eine Alarmmeldung. Denn zugleich erlebt die Philipps-Universität einen ausgeprägten Zuwachs in der Zahl der Studierenden, der sich mit der Größenordnung von 3.000 beziffern lässt. Diese in absoluten Zahlen wie von mehrjährigem Trend eindeutig negative Entwicklung zu Lasten der hier lebenden Menschen sucht Erklärungen und wirft Fragen auf.

Es sind von der Redaktion dieses Online-Magazins bei der Stadtverwaltung angefragte Zahlen, aus denen sich die Negativentwicklung von Marburg zweifelsfrei ablesen lässt. Bereits bei der Pressevorstellung des Haushaltsentwurfs 2013 im vergangenen Herbst entfuhr Oberbürgermeister Egon Vaupel eher nebenbei die Bemerkung, dass die Einwohnerzahl wohl abgenommen habe. Wie sich der Beantwortung der redaktionellen Anfrage im Rathaus, in Person bei Stadtentwicklungsreferent Wolfgang Liprecht, entnehmen lässt*, hatte Marburg im Jahr 2008 einen Höchsstand an Einwohnern zu verzeichnen (*die Gesamtzahlen zur Anfrage finden sich am Ende des Beitrags). Seitdem leben Jahr für Jahr immer weniger Menschen in der Stadt. Dies gilt sowohl für die Kernstadt, wo es einmal über 51.000 per Hauptwohnsitz gemeldete gegeben hat, wie auch für die Außenstadtteile, wo die Zahl von über 30.000 Hauptwohnsitzen inzwischen unterschritten wird. Diese maßgebliche Größe für die Einwohnerzahl – begrifflich gefasst als ‚Wohnsitzberechtigte Bevölkerung‘ – wird ermittelt, indem die mit Hauptwohnsitz (HW) und mit Nebenwohnsitz (NW) gemeldeten BewohnerInnen addiert werden.

Tabelle Bevoelkerungsentwicklung Marburg 2001-2012In obiger Tabellenübersicht finden sich die Zahlen der Gesamtstadt, also mit den außenliegenden Stadtteilen, unterschieden nach HW (Hauptwohnsitz) und NW (Nebenwohnsitz) gelistet. Zur Schaffung besserer Übersicht wurden diese beiden Kennzahlen in der Tabelle unter der Bezeichnung ‚Gesamtzahl Einwohner‘ zusammengefasst. Zusätzlich finden sich in der Spalte ganz rechts die Veränderung jeweils zum Vorjahr. Seit dem Jahr 2008 mit Höchstzahl von 89.242 Einwohnern geht es Jahr für Jahr bergab. Nunmehr sind es gerade mal wenig mehr als 87.000 Menschen, die in Marburg wohnen.

Warum verliert Marburg gegen den Trend so viele Einwohner ?

Die Suche nach den Gründen fällt nicht ganz leicht. An der Marburger Uni kann die Negativentwicklung gewiß nicht liegen. Zunächst einmal gibt es von dort einen genau gegenläufigen Trend zu mitzuteilen. Die Philipps-Universität verzeichnet seit mehreren Jahren, wie alle Hochschulen, einen deutlichen Zuwachs in der Zahl der Studierenden. 23.519 Studierende sind im laufenden Wintersemester eingeschrieben, so viele wie noch nie zuvor und deutlich mehr als im Vorjahr. Das Wohnverhalten der Studierenden – inzwischen rein rechnerich deutlich mehr als 25 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachend – ist zudem eine wichtige Bestimmungsgröße. Dazu informierte Stadtentwicklungsreferent Liprecht, dass in Erhebungen bis zum Jahr 2005 (seitdem aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr ermittelbar) deutlich wurde, dass etwa zwei Drittel der Studierenden auch ihren Hauptwohnsitz in dieser Zeit in Marburg nehmen.

Nun gab es in den letzten Jahren eine Gesamtzuwachs von rund 3.000 Studierenden. In der Annahme einer gleichen Quote von zwei Drittel mit Hauptwohnsitz müssten es einen Zuwachs von rund 2.000 Personen mit HW in den letzten Jahren alleine wegen der gestiegenen Zahl der in Marburg Studierenden geben. Es kann gut sein, dass es diesen Zuwachs auch gibt. Mit verschiedenen Vergünstigungen wirbt die Stadt bei ‚Studierenden nach wie vor erfolgreich um deren Hauptwohnsitzanmeldung. Dieser Zuwachs und der von studierenden mit NW machen sich erstaunlicherweise in keiner Weise in der Einwohnerstatistik der Universitätsstadt bemerkbar. Stattdessen wird die Einschätzung der negativen Einwohnerentwicklung von Marburg dadurch deutlich krasser.

Bevoelkerungsentwicklung Marburg 2001 - 2012Die seit dem Jahr 2008 negative Bevölkerungsentwicklung von Marburg ist wegen der positiv gegenläufigen Entwicklung bei der Zahl der Studierenden noch deutlich kritischer zu betrachten. Trotz eines möglichen Zuwachses von etwa 2.000 Studierenden mit HW in Marburg sind zeitgleich absolut rund 2.000 Einwohner abgängig und finden sich von der Stadt gelistet. In solcher Zusammenschau verbirgt sich in der in absoluten Zahlen gemessenen negativen Einwohnerentwicklung womöglich eine faktische Abwanderung von 4.000 oder mehr früheren BewohnerInnen dieser Stadt. Ein in kaum fünf Jahren hinzunehmender Einwohnerverlust in Größernordnung von fünf Prozent muss im historischen Marburger Rathaus einige Alarmglocken schrillen lassen. Bisher weit entfernt von offizieller, politischer und öffentlicher Wahrnehmung, geht es deutlich bergab in Marburg mit dem wichtigsten Gut der Stadt. Das sind nun einmal die hier lebenden, lernenden und arbeitenden Menschen.

Das Fehlen bezahlbaren Wohnraums in Marburg ist verknüpft mit einem hohen und teueren Mietpreisniveau. Eine diesbezügliche Übersicht hat der Marburger Soziologe und Journalist Werner Girgert in der ersten Jahreshälfte 2012 erarbeitet. Dazu ermittelte er aktuelle Mietpreistarife für Marburg und eine Zahl deutscher Großstände. Jeweilige Quadratmeterpreise von einem Mehrmonatszeitraum von mehreren großen Immobilienvermietern (zugänglich über deren Internetangebote) hat Girgert als Mittelwert zusammengefasst:

Mietvergleich Marburg-deutsche GrossstaedteDas Gesamtbild und der Städtevergleich zeigen auf, dass das Mietpreisniveau in Marburg mit einem Durchschnittswert von 8,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete weit oben zwischen München und Stuttgart, zwei bekanntermaßen wohlhabenden und in der Miete teuren Großstädten, rangiert. Bezieht man diese Fakten in die Betrachtung und Bewertung der negativen Einwohznerentwicklung ein, kommt man nicht umhin sich mit möglichen Zusammenhängen und Folgewirkungen zu beschäftigen.

Fehlende Wohnungen und hohe Mieten vertreiben viele Menschen aus Marburg

Braucht es weitere Hinweise und Faktenaufzählungen, um die Problemlage zu verdeutlichen? Die mit Einsatz vieler Akteure aufgeworfene Problematik der signifikant unzureichenden Wohnungsversorgung in Marburg sollte bei weitem ausreichen. —>Siehe dazu vorhergende Berichterstattung in das Marburger.

Es gibt bisher lediglich den Beginn politischer Wahrnehmung

Für das Jahr 2013 stehen damit in Marburg deutliche Kurskorrekturen der Stadtpolitik an. Dabei sind gerade investive Entscheidungen und damit Festlegungen für viele Jahre getroffen worden, die zuallermeist ein teures Projekt mit vergleichsweise ‚luxuriösem‘ Anliegen verwirklichen sollen (27 Millionen Euro Ausgangsfinanzierung zur Sanierung und Erweiterung Stadthalle).

  • Es kann die Frage gestellt werden, ob und wie die Stadtpolitik in die Lage gebracht wird, sich dem erheblichen Problem (trendwidriger) Einwohnerverluste zu stellen.
  • Solches Erkennen und daraus zu ziehende Konsequenzen betreffen nicht alleine die Rot-Grüne Mehrheit. Bürgerliche Kräfte wären gut beraten, wenn sie ihren Blick öffnen würden. Damit würde obsoleten Debatten – bevorzugt von der CDU – wie über vermeintliche ‚Parkraumnot‘ der Boden entzogen.
  • In Marburg könnte Stadtpolitik wieder auf die Füße gestellt werden. An die Stelle vom Stadtmarketing getriebener Kampagnen und abgehobener kulturtouristischer Abenteuer – ob Stadtmuseum, millionenteurer Schrägaufzug zum Schloss, UNESCO Kulturerbe-Bewerbung und Träumereien von einer Bundesgartenschau in 15 Jahren – gehört sozialpolitisches Augenmaß in die Kommune.

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Wer kann und will diese länger mit saturierter Verstiegenheit ignorieren? Es ist hohe Zeit zu einer zukunftsorientierten Stadtpolitik zurückzukehren. Viele Menschen, Tausende an der Zahl, haben längst begonnen mit den Füßen abzustimmen.
Sie sind weg gezogen.

Gesamtuebersicht Einwohnerentwicklung Marburg 2001-2012

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