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Für Sinti und Roma in Antiziganismusforschung engagiert – Professor Wilhelm Solms erhielt Bundesverdienstkreuz

Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies heftete dem Preisträger Professor Dr. Wilhelm Solms das Bundesverdienstkreuz an. Staatsminister Dr. Thomas Schäfer hatte zuvor die Verleihungsurkunde verlesen. Foto Philipp Höhn

Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies heftete dem Preisträger Professor Dr. Wilhelm Solms das Bundesverdienstkreuz an. Staatsminister Dr. Thomas Schäfer hatte zuvor die Verleihungsurkunde verlesen. Foto Philipp Höhn

Marburg 13.4.2016 (pm/red) Für seinen ehrenamtlichen Einsatz zur Erforschung von Verhaltensweisen gegenüber Sinti und Roma und seinen Einsatz für deren berechtigte Interessen hat Prof. Dr. Wilhelm Solms das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Der Marburger Germanistik-Professor rief anlässlich der Ehrung spontan zu einer Spendenaktion für mehr Bildungschancen der Sinti und Roma auf. „In Marburg steht das friedliche Miteinander ganz explizit an erster Stelle. Deshalb freut es mich, dass Sie sich von hier aus bundesweit im Sinne des Aufklärens und des Verständnis-Schaffens engagieren“, würdigte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies den bundesweit renommierten Wissenschaftler. „Schon Cicero wusste: die Ehrung ist der Tugend Lohn. Sie, Herr Professor Solms, haben sich die heutige Ehrung durch das Bundesverdienstkreuz mit Ihrem langjährigen Einsatz für die Erforschung von Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma mehr als verdient“, hob Spies hervor.
Solms verband mit seiner Dankesrede die Idee, zum jährlichen Gedenktag am 2. August für die im Holocaust ermordeten Sinti und Roma künftig auch ein Zeichen für die Zukunft, für die lebenden Nachkommen zu setzen. „Ich wünsche mir, dass zum Anlass des Gedenktages eine bedürftige Sinti-Familie Unterstützung für eines ihrer Kinder für Bildung erhält“, so der Bundesverdienstkreuzträger. Bei einer ersten Sammlung im Rathaus kamen bereits am Montag über 400 Euro zusammen.

Prof. Dr. Wilhelm Solms studierte Germanistik und Musikwissenschaft an der Universität München und an der Musikakademie Wien. 1971 promovierte er mit der Arbeit „Goethes Vorarbeiten zum Divan“ bevor er 1977 dem Ruf als Professor für „Kommunikationswissenschaften und Mediendidaktik“ an die Philipps-Universität Marburg folgte und dort 2001 emeritiert wurde. Gastdozenturen führten ihn 2004 und 2006 unter anderem an die Staatliche Universität Jerewan in Armenien.

Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet der Geehrte ehrenamtlich auf dem Gebiet der Antiziganismusforschung. Aus den Forschungen zu Märchen und im Kontakt mit Mitgliedern der Minderheit Sinti und Roma führte ihn der Weg über die Analyse von sogenannten „Zigeuner“-Bildern in der deutschsprachigen Literatur hin zu einer umfassenden Erforschung von Vorbehalten, Vorurteilen und Verhaltensweisen der Mehrheitsbevölkerung und ihrer Eliten gegenüber Sinti und Roma.

So finden sich in mehreren Filmen der 50er und 60er Jahre Vorurteile gegenüber Sinti und Roma in grotesker Weise. Es sei zwingend erforderlich gewesen diese Vorurteile, aber auch Verhaltensweisen, gegenüber einer gesellschaftlichen Minderheit zu identifizieren und zu hinterfragen. „Sie haben die Antiziganismusforschung so weit vorangebracht, wie vielleicht sonst kein anderer“, resümierte Spies. Finanzminister Schäfer ergänzte: „Es war Ihnen stets ein Anliegen, Ihre Forschungsergebnisse nicht im vielzitierten wissenschaftlichen Elfenbeinturm zu belassen, sondern damit auch breitere gesellschaftliche Debatten anzustoßen. So beispielsweise zum dunklen Kapitel des Nationalsozialismus und der Ermordung von Sinti und Roma in Konzentrationslagern.“

„Mit einer kontinuierlichen Förderung hätten wir noch viel mehr leisten können,“ berichtete Solms.  Mehrfach seien Anträge zur Institutionalisierung der universitären Forschung abgelehnt worden. Für die wiederholte Förderung seitens der Universitätsstadt Marburg dankte Solms dem Ehrenbürger und ehemaligen Oberbürgermeister Egon Vaupel.

Bis heute gibt es an den deutschen Hochschulen für die Antiziganismusforschung im Unterschied zur Antisemitismusforschung kein eigener Lehrstuhl. Deshalb haben sich 1998 Antiziganismusforscher aus verschiedenen Disziplinen in dem Verein „Gesellschaft für Antiziganismusforschung“ (GfA) zusammengeschlossen. Solms war federführend an der Gründung beteiligt. Die GfA setzt sich für eine Erforschung des Antiziganismus in allen gesellschaftlichen Bereichen in Vergangenheit und Gegenwart ein. Sie stößt immer wieder öffentliche Debatten zu Forschungsergebnissen an und macht damit das Thema einer breiten Masse zugänglich. Solms war zunächst Zweiter Vorsitzender, seit 2000 ist er Vorsitzender des Vereins.

Solms sorgte damit maßgeblich dafür, dass in Politik und Gesellschaft Ergebnisse der Antiziganismusforschung wahrgenommen und auch umgesetzt werden. Durch ihn wurden Literatur, Medien, Geschichte, Politik, Religion und Kirche in die Forschungen einbezogen. Tagungen, Tagungsbände, Artikel und Vorträge in ganz Deutschland sind Teil seiner Tätigkeit.

Darüber hinaus unterstützt der Geehrte Sinti und Roma, wenn es um die Durchsetzung ihrer berechtigten Interessen geht. Dies zeigt sich darin, dass er seit Jahren auch dem Kuratorium des Dokumentations- und Kulturzentrums deutscher Sinti und Roma in Heidelberg angehört. Eine der zentralen Aufgaben des Zentrums besteht darin, die Geschichte der Sinti und Roma in Deutschland und Europa zu dokumentieren. Priorität haben dabei die Interviews mit Überlebenden des Holocausts und das Festhalten ihrer Erinnerungen auf Tonband oder Video sowie Archivrecherchen im In- und Ausland. Darüber hinaus sammelt das Zentrum systematisch private Zeugnisse von Überlebenden und ihren Angehörigen, wobei alte Familienbilder von besonderem Interesse sind. Aus dieser Arbeit ist mittlerweile ein Archiv entstanden, das in seiner Art einzigartig ist.

Bei allen Forschungen zum Antiziganismus nimmt Solms jederzeit pointiert Stellung zu Versäumnissen, beispielsweise in der Erinnerungspolitik. Das Zurückdrängen von offenem Antiziganismus ist nicht nur das Ziel der Gesellschaft für Antiziganismusforschung, sondern auch das persönliche Anliegen des Bundesverdienstkreuzträgers. So ist auch sein jahrelanges Bemühen um eine Institutionalisierung der Antiziganismusforschung an einer Universität zu verstehen.

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