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Medienpolitische Tagung vergegenwärtigt Umbrüche und wachsenden Druck – Journalismus erfährt Bedeutungswandel bei Ökonomisierung der Medien

Rechtsanwalt Wolfgang Schimmel zu Fragen und Anliegen des Urheberrechts war einer der Referenten bei der medienpolitischen Tagung von verdi und dju mit 60 Teilnehmenden am vergangenen Wochenende in Lage-Hörste. Foto Hartwig Bambey

Marburg 22.10.2012 (yb) Die diesjährige medienpolitische Tagung der Gewerkschaft verdi und der Deutschen Journalisten Union (dju) mit dem Titel ‚Neue Medien, neue Herausforderungen – der Journalismus in einer sich verändernden Medienlandschaft‘ hat vom 19. bis 21. Oktober im Bildungszentrum in Lage-Hörste am Teutoburger Wald stattgefunden. 60 Journalistinnen und Journalisten, Experten, Medienschaffende und Interessierte aus ganz Deutschland kamen von Freitagabend bis Sonntagmittag zusammen, um Themen wie Leistungsschutz und Urheberrecht, Aus- und Weiterbildung im Journalismus, zukünftige Finanzierungsformen des Journalismus, Konflikte zwischen öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien zu diskutieren. Dies ist vielseitig und tief schürfend gelungen. Angesichts der Teilnehmenden aus der Medienproduktion in vielen Bereichen war dies wenig überraschend – ebenso wie die verbleibende Wahrnehmung, das Diskurse weiter entwickelt, vertieft und lösungsorientiert auszuarbeiten sind. Die anhaltenden Prozesse der Konzentration in der Medienwirtschaft, angeführt von Zeitungsübernahmen bei gleichzeitigem weiteren Abbau fester Stellen mit tariflicher Bezahlung für JournalistInnen sorgen dabei für lastenden Druck nicht zuletzt auf die verbleibenden etwa 12.000 fest angestellten Journalisten in bundesdeutschen Zeitungsredaktionen.

Die Teilnehmenden erwartete ein dichtes Programm mit verschiedenen Schwerpunktreferaten zur jeweiligen Diskussion und schließlich einer vertiefenden teilnehmerorientierten Phase in Arbeitsgruppen. Das Konzept der Tagung hat auf der Grundlage reger Einbringungen funktioniert, wenngleich viele Themen und Aspekte oft nur angerissen werden konnten. So leistete etwa Rechtsanwalt Wolfgang Schimmel einen Überblick in das bestehende Urheberrecht als Abrechnungsgrundlage sowohl für Verlage wie Journalisten bei sinkenden Anteilen und Tarifen für die eigentlichen Urheber. Wenn auch ohne konkrete Forderungen an  laufende Debatten, darunter die Abschaffung der 70-Jahre-Schutzfristen, wurde zugleich evident, dass kodifizierte Regelungen gerade im vernetzten multimedialen Zeitalter unerlässlich sind, um den geistigen Urhebern weiterhin Bezahlung ihrer Leistungen zukommen zu lassen.

Dass und wie sehr sich ein gesamtgesellschaftlicher Funktionswandel in der Welt der Medien ständig weiter vollzieht, veranschaulichte Prof. Hans-Jürgen Arlt (Universität der Künste, Berlin) in seinem Vortrag. Veranschaulicht an der Fallstudie zu ‚Bild und Wulff‘ machte Arlt sichtbar, dass die voranschreitende Ökonomisierung der Medien – nicht zuletzt in Gestalt von Finanzinvestoren als verlagsfremde Eigentümer – als Hintergrund ungebrochener Konzentrationsprozesse zugleich verwoben und überlagert wird von einer ‚Aufmerksamkeitsökonomie‘. Ob im täglichen Kampf um Leserzuwendung seitens der Tageszeitungen versus Internetpublikationen oder bei öffentlich-rechtlichen Sendern in ihrem Quotenkampf mit Privatsendern, die Ergebnisse journalistischer Arbeit werden gemessen an messbar gemachter Resonanz beim Publikum. Ob solche quantifizierende ‚Evaluierung‘ freilich der Qualität des Journalistischen zuträglich ist, wird als Frage und Bedrohung zunehmend evident.

„Debatten unter der alten Fahne und mit Berufung auf traditionelle Werte des Journalismus verdecken den Funktionswandel“ lautete ein These von Arlt, die provozieren sollte und musste. Mehr noch seine Folgerung: „Was Journalisten waren, sind Medienarbeiterinnen und -arbeiter unter anderen.“ Doch wollten und konnten sich die versammelten Journalistinnen nicht damit abfinden – in solcher, als Tendenz beobachtbar zutreffender funktionalistischer Betrachtung – sich schlechterdings ihrer gesellschaftlichen Aufgabenstellungen und individuellem Selbstverständnisses beraubt zu sehen.

Dies machte inhaltliche Auseinandersetzung mit der neuen aus dem Internet gespeisten ‚Vielfalt’ medialer Erzeugnisse und Kommunikationswege unabweisbar. Ob sogenannte ‚Soziale Netzwerke‘ an deren Spitze ‚Facebook‘ mit alleine von Nutzern eingestellten Inhalten derzeit agiert, Online-Zeitungen, Online-Magazine, Blogs oder weitere mediale Sender und Plattformen im unüberschaubar gewordenen Wirrwarr des Internet-Medialismus, die Suche nach konstruktiven Ansätzen musste schwer fallen. Derzeit existieren kaum taugliche ‚Geschäftsmodelle‘ für seriöse Angebote via Internet. Folge davon ist, dass mit der Unzahl von Angeboten eben kaum oder keine ordentlich bezahlten Aufgabenfelder mit grundständigen Stellen für JournalistInnen entstanden sind.

dju-Vorsitzender Ulrich Janßen war zugleich Teilnehmer wie Vertreter der Veranstalterseite bei der erfolgreichen und höchst lebendigen Tagung am Teutoburger Wald.

Damit war die Auseinandersetzung mit neuen Finanzierungsmodellen und -wegen für internetbasiertes journalistisches Wirken eröffnet. „Wir brauchen keine Verlage mehr“ lautete eine These, „weil wir die Produktionsmittel zur Publikation ohne Druckmaschine und aufwendigen Vertrieb mit ein paar Tausend Euro selbst in Hand haben.“ So zutreffend diese Beschreibung ist, steckt darin zugleich die Vernachlässigung der ‚Aufmerksamkeitsökonomie‘ in den immer partikularer werdenden Teilöffentlichkeiten bei gleichzeitigem Verlust von ‚Leitmedien‘ als nun einmal notwendigen Leuchttürmen für Breitenwirkung zu Gunsten der öffentlichen und politischen Meinungsbildung. Die Dekonstruktion bis hin zur Atomisierung von Kommunikation (etwa in Gestalt von Facebook-Zirkeln alleine noch mit Freundesempfehlungen, Postings und Like-Buttons) kann nicht das Wirken, Sortieren, Recherchieren und Publizieren der Ergebnisse seriöser professioneller journalistischer Arbeit ersetzen. Doch es bleibt und kommt verstärkt die Frage, wer das bezahlen will und in welchen Geschäftsmodellen sich dies niederschlagen kann.

Ob Spenden, Förderkreise oder Stiftungen dafür zukunftsweisend werden können, wurde in Arbeitsgruppen diskutiert und für möglich gehalten. Dabei wurde auch das Konzept und der journalistisch-verlegerische Ansatz von das Marburger. zur Kenntnis genommen und vorgestellt.

Ein Problembereich in dieser Entwicklung ist die Weiterbildung für Journalisten, gerade angesichts wachsender Zahlen von schlecht bezahlten freiberuflich tätig sein Müssenden. Dazu wurden klare Forderungen an die Verlegerseite artikuliert, wonach den Freien entsprechende Möglichkeiten von Zeitungsverlegern einzuräumen sind. Diese haben das doppelte Problem von Verdiensausfall und teuren Kursgebühren, wozu die Abnehmer ihrer Leistungen unbedingt finanzielle Beiträge leisten sollen.

Diese medienpolitische Tagung von verdi und dju erwies sich als lebendiges Forum zur thematischen Arbeit ebenso wie zur lebhaften Diskussion und zum Kennenlernen der Teilnehmenden. Es war nicht alleine für die drei aus Mittelhessen jeweils solitär angereisten TeilnehmerInnen angenehme Erfahrung viele gleichermaßen betroffene Kollegen wahrnehmen zu können. So ist es keine Frage, dass dieser medienpolitischer  Diskurs weitergehen muss. Vom 11. Bis 13. Oktober 2013 ist die verdi-Bildungsstätte in Lage-Hörste bereits dafür bereits wieder reserviert .

TeilnehmerInnen der Medienpolitischen Tagung, darunter viele Funktionsträger und Hauptberufliche, zum Gruppenbild im Park der verdi-Bildungsstätte in Lage-Hörste. Foto Hartwig Bambey.

 

 

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