Orientierungswoche mit Stadtrallye für Erstsemester ab 8. April

29.03.2024 (pm/red) Vom 8. bis 12. April sind aktive Fachschaften und Teamer der Philipps-Universität als Unterstützer beteiligt neuen Studierenden Orientierung und Ortskenntnisse in der Stadt und Uni Marburg zu vermitteln. Wie Stundenpläne erstellt werden und …

Lesen Sie den gesamten Beitrag »
Kultur

Hessische Geschichten

Kassel

Hessen Kassel Heritage

Kunst

Home » Allgemein, Gastbeitrag

Die Waffen nieder ! – Proteste gegen die Rüstungsspirale

uno-symboldMarburg 25.9.2016 (red)  Gastbeitrag von Ursula Wöll Was sind schon die 50 Millionen für den Ausbau von Incirlik? Es sind Peanuts angesichts der jährlichen Gesamtausgaben für unser Militär. Für 2017 will Ministerin von der Leyen 36,61 Milliarden (36 610 000 000 Euro) für „Verteidigung“ ausgeben! So der Stand der ersten Lesung des Haushalts 2017 im Bundestag am 7. September.  Die Absicht, die bisher schon jährlich gestiegenen Militär-Ausgaben bis 2020 weiter hochzuschrauben, und zwar auf  39,2 Milliarden Euro, verdarb mir dann endgültig den Appetit. Wo bleiben die Proteste?. Zwar findet in Berlin ein Kongress des International Peace Bureau IPB statt, dem am 8. Oktober  eine bundesweite Demonstration  für Abrüstung mit dem Motto „Die Waffen nieder!“ folgt. Aber das kann doch nicht alles gewesen sein.

bertha-von-suttnerSchon Bertha von Suttner warnte
Ich bin sicher keine waschechte Pazifistin. Schließlich wurde Hitler militärisch besiegt, und wie anders als militärisch könnte man heute den IS zurückdrängen? Aber das stetige Wachstum der Militärausgaben macht mir Angst. Es setzt eine Rüstungsspirale in Gang. Wenn die NATO ihre Mitglieder auffordert, den „Verteidigungs“-Etat auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufzustocken, so wird auch der „Feind“ nachziehen. Und irgendwann wird es nicht mehr bei Stellvertreterkriegen bleiben, der Kalte Krieg hebt sein Haupt erneut. Außerdem könnte zumindest ein Teil dieser irrsinnigen Riesensummen für sinnvolle humane Projekte ausgegeben werden. Und drittens: eine allgemeine militaristische Einfärbung des Zeitgeistes  bliebe uns erspart. Das alles predigte bereits die 1843 geborene Bertha von Suttner vor ewigen Zeiten, umsonst.

Auch die Forderung „Die Waffen nieder!“ stammt von ihr. Bertha von Suttner wählte sie als Titel  ihres 1889 erschienenen Antikriegsromans. Er erlebte zahllose Auflagen sowie Übersetzungen in andere Sprachen. Denn die ‚Friedensbertha‘ hatte ihre flammende Ablehnung des Krieges so ansprechend in eine Familiensaga verpackt, dass das Buch auch für Freunde eher leichter Kost attraktiv war. Bis heute ist  „Die Waffen nieder!“ als Buch erhältlich. Es war einst so berühmt wie später Remarques „Im Westen nichts Neues“.

Das Erzähltalent Bertha von Suttners rührte auch mich zu Tränen. Ihre Romanheldin Martha verliert in den Kriegen von 1859 und 1870/71 ihren ersten und ihren zweiten Mann. Alles spielt im Adelsmilieu, das der Autorin bestens bekannt war und das sie realistisch und detailverliebt beschreibt. War sie doch 1843 im österreichisch-ungarischen Kaiserreich als eine Gräfin Kinsky geboren und mit einem Baron von Suttner verehelicht. Sie streut in die private Tragödie der Martha immer wieder spannende Dialoge mit präzisen Argumenten gegen eine Anhäufung von immer mehr Waffen.

 

Und erstmals überhaupt beschreibt sie eindringlich das Elend der Verwundeten, die auf dem Schlachtfeld verbluten. Der Krieg galt bis dato als romantisches Abenteuer,  in das ein „echter“ Mann  begeistert ziehen und als Offizier heimkehren musste.. Bertha von Suttner schildert die Realität dieser Barbarei: Das blutende Durcheinander von Menschen- und Pferdegliedern im Dreck, die Schreie nach Wasser, das langsame Sterben am Bauchschuss, der unzulängliche Sanitätsdienst, die Amputationen ohne Betäubung.
Durch ihren Romanerfolg bekam Bertha von Suttner immer mehr Verbindungen in das Antikriegsmilieu. Sie gründete die Österreichische Friedensgesellschaft und sprach auf Friedenskongressen, so dass ihr Leben sich radikal änderte und sie sogar 1905 den Friedensnobelpreis erhielt. Als junge Komtess war sie häufig in Wiesbaden zu Gast gewesen. Aber eine reiche Partie fand sich nicht. Als die spielsüchtige Frau Mama das Erbe verspielt hatte, gab Bertha ihren Gesangsunterricht auf und verdingte sich als Gouvernante. So lernte sie auch ihren Mann, Baron von Suttner, kennen. Das Paar zog für neun Jahre in den Kaukasus und schrieb für westeuropäische Blätter. Ihr Learning by Doing kam Bertha später bei der Formulierung ungezählter Friedensappelle zugute.

Sie starb nur einige Wochen vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs und erlebte nicht mehr, dass alle ihre Bemühungen um den Frieden tatsächlich vergebens waren. Immer wieder hatte sie daran erinnert, dass eine allseitige Aufrüstung irgendwann auch zum Krieg führt. Heute ist die Aufrüstungsspirale erneut Realität, der Kalte Krieg bereits lauwarm und die Armut auf der Welt erschreckend. Gerade berichtet das Radio, dass die 20 Milliarden für das neue Waffensystem, das den ‚Tornado‘ ersetzen soll, nicht mal in unseren jährlichen Militärausgaben von nahezu 37 Milliarden Euro enthalten sind. Die gleiche Sendung berichtet von der rasant steigenden Kinderarmut selbst hierzulande. Wer sieht da schon einen Zusammenhang? Verrückte Welt! Das Geld wird falsch ausgegeben, wie mächtig muss die Rüstungslobby sein.

Weniger Militärausgaben!
Apropos Welt: 2015 wurden weltweit 1.676 Milliarden Dollar für Rüstungsausgaben verbraten. Das ist fast 13mal mehr, als die reichen Länder für die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe ausgaben (137 Milliarden Dollar in 2015). Wieviel Armut wäre  beseitigt, hätte man auch nur Abstriche an der gigantischen jährlichen Summe von 1676 Milliarden gemacht ! Ein Bericht der UN-Ernährungsorganisation von 2015 schätzt, dass 265 Milliarden Dollar pro Jahr für Investitionen in den Armensektor ausreichen würden, um extreme Armut und Hunger weltweit bis 2030 zu beseitigen. Da blieben dann immer noch gut 1.400 Milliarden für die jährlichen Rüstungsausgaben übrig. Näme man dann nochmals 52,5 Milliarden weg und steckte sie jährlich weltweit in die Grundschulbildung, so könnten um 2030 die meisten Kinder lesen und schreiben.
Wir können ja doch nichts an dem herrschenden Irrsinn ändern, denke ich oft. Kann Reden und Schreiben über ihn die Welt retten? Vielleicht wirklich nicht. Aber es ist das Einzige, was sie retten könnte. Da bin ich strikt Pazifistin. Ab 21. November finden die 2. und 3. Lesung unseres Haushalts statt. Ich werde sie diesmal besonders aufmerksam verfolgen. Der Waffenetat niedriger! So würde es die Friedensbertha heute formulieren.

Contact Us