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Spiel und Wettbewerb im Märchen – Ausstellung der Brüder Grimm-Gesellschaft in Japan

30.11.2023 | Gastbeitrag von Bernhard Lauer Die Brüder Grimm-Gesellschaft hat in den letzten dreißig Jahren zahlreiche, zum Teil sehr aufwendige und umfangreiche Ausstellungen im Land der aufgehenden Sonne mit großem Erfolg veranstaltet: mehrfach z.B. in Tokio und Osaka, ferner in Asahikawa, Higashi-Osaka, Ishibashi, Iwaki, Kawaguchiko, Kouchi, Kioto, Nagoya und anderen Städten. Die bisher größte Präsentation der Brüder Grimm-Gesellschaft und des früheren Brüder Grimm-Museums in Japan war die 2005 auf einer mehr als 1.000 qm großen Kaufhausfläche in Nagoya (drittgrößte Stadt Japans, zwischen Tokio und Kioto gelegen) gestaltete Schau mit mehr als 300 Exponaten aus Kassel sowie weiteren hessischen und privaten Sammlungen als offizieller deutscher Beitrag zur „Expo 2005“.

Im Rahmen dieser Ausstellung, die anschließend noch an weitere Orte in Japan wanderte und mehr als 100.000 Besucher zählte, wurden nicht nur die Kasseler Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“ – im Frühjahr 2005 auf Antrag der Brüder Grimm-Gesellschaft von der Unesco als „Weltdokumentenerbe“ offiziell registriert – vorgestellt, sondern auch zahlreiche originale Gemälde, Zeichnungen und Graphiken Ludwig Emil Grimms sowie Möbel und Gebrauchsgegenstände aus den Familien Grimm und Hassenpflug, schließlich bedeutende Dokumente zur weltweiten Überlieferungs- und Wirkungsgeschichte der Märchen und Sagen präsentiert. Gefördert wurde diese Ausstellung vom Land Hessen und der großen japanischen Tageszeitung „Mainichi Shimbum“.

Auch zur Feier des 150. Jubiläums der deutsch- bzw. preußisch-japanischen diplomatischen Beziehungen im Akasaka-Art Center in Tokio trug die Brüder Grimm-Gesellschaft 2011 mit einer kleinen Vitrinen-Ausstellung bei und konnte dem damaligen Thronfolger und heutigen Kaiser von Japan ein Geschenk aus der Brüder Grimm-Stadt Kassel persönlich überreichen.

Publikationen in japanischer Sprache 

Mehrfach konnten seit den 1990er Jahren in der Zusammenarbeit mit japanischen Mitgliedern der Brüder Grimm-Gesellschaft auch verschiedene reich illustrierte Publikationen in japanischer Sprache herausgebracht werden, die bis auf die Belegexemplare inzwischen alle vergriffen sind. Gleichzeitig konnten an einigen japanischen Universitäten kleinere und größere Tagungen zu Leben, Werk und Wirkung der Brüder Grimm unter Mitwirkung deutscher und japanischer Mitglieder der Brüder Grimm-Gesellschaft veranstaltet werden, u.a. in Tokio, Kioto, Osaka, Nishinomiya und Tottori, sowie eine sehr große internationale Tagung zum 200. Jubiläum der „Kinder- und Hausmärchen“ im Jahre 2012 an der Tokioter Toyo-Universität.

Nach Überwindung der Pandemie, die nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in Japan viele kulturhistorische Aktivitäten stark beeinträchtigt hat, können wir jetzt unsere Verbindungen nach Japan wieder vermehrt durch neue publizistische und ausstellerische Projekte gestalten.

Während der Pandemie hatten wir zwar aus Anlaß der Olympischen Spiele in Tokio noch eine deutsch-japanische Märchen-Ausstellung im Brüder Grimm-Zentrum Kassel organisiert, zu der Schüler und Schülerinnen aus Kassel kreative künstlerische und gestalterische Beiträge lieferten.

Aber aufgrund der gesundheitstechnischen Beschränkungen konnten wir diese Arbeiten nur auf elektronischem Wege nach Japan weitergeben. Zuletzt haben wir in der aktuellen Ausgabe unseres auflagenstarken „Brüder Grimm-Journals“ (Heft 13 / 2023) noch die Beziehungen zwischen den Brüdern Grimm und Japan sowie die gegenseitige Rezeption der Märchen- und Sagentraditionen beider Länder ausführlicher dargestellt. 

Thema „Spiel und Wettbewerb im Märchen“

In diesem Winter (2023) können wir nunmehr in Tottori, der japanischen Partnerstadt von Hanau, eine neue Ausstellung mit dem Titel „Spiel und Wettbewerb im Märchen“ präsentieren. Das muß nicht – wie bei großen Ausstellungen moderner Kunst – extrem hohe Kosten verursachen, da wir die gesamte Organisation einschl. Zollabfertigung und Transport in Zusammenarbeit mit unseren japanischen Kollegen und mit Unterstützung der Stadt Hanau und des Auswärtigen Amtes selbst bewerkstelligen können.

Tottori, mit seiner gewaltigen Düne an der Japan-See gelegen, besitzt mit dem Warabekan ein herausragendes Museum, das sich in besonderer Weise der Geschichte der japanischen wie der internationalen Spiele-Kultur widmet und über die Jahre hinweg eine herausragende Sammlung zusammengetragen hat. 

Sieg mit Klugheit und List im Märchen

In vielen Märchen der Brüder Grimm, aber auch in japanischen Märchen obsiegt der Held oder die Heldin in der Regel durch Klugheit und eine List, und oft ist es gerade der vermeintlich Schwache, der im Wettbewerb mit den Übermächtigen und Bösen durch Geschicklichkeit, Ausdauer oder geistige Frische am Ende gewinnt. In den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm können Spiel und Wettbewerb beispielsweise mit den „Bremer Stadtmusikanten“, mit dem „Wettlauf von Hase und Igel“ oder dem „Tapferen Schneiderlein“ veranschaulicht werden. Auch japanische Märchenhelden, wie z.B. „Momotaro, der Junge aus dem Pfirsich“ oder „Kintaro, der starke Krieger“ bewähren sich ebenfalls durch körperliche Geschicklichkeit und geistige Stärke.

Die Brüder Grimm-Gesellschaft verfügt im Brüder Grimm-Zentrum Kassel zu allen Aspekten der weltweiten Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Märchen über reichhaltige Sammlungen in einem länderübergreifendem Kontext, der mehr als 200 Sprachen und Kulturdialekte aller Erdteile umfaßt.

Neben zahlreichen Gemälden, Handzeichnungen, Druckgraphiken, Skulpturen, Porzellanfiguren und Porzellantellern, Briefmarken, Postkarten und Sammelbildern, Partituren und Tonträgern und noch vielem mehr finden sich in der Sammlung auch spezielle Märchenspiele vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart: Zusammensetzpuzzles, Brett- und Kartenspiele, Dioramen, Würfelspiele, Märchenlotto, Drehscheibenspiele, moderne Popup-Bücher oder auch aktuelle Computerspiele. Im Mittelpunkt der Ausstellung in Tottori stehen zunächst berühmte deutsche Märchen, gefolgt von den bekanntesten japanischen Märchendichtungen. 

Das von dem EDV-Spezialisten Horst-Peter Sadewasser aus Frankfurt an der Oder, der in seiner Freizeit aus Ton figurative Projekte zu vielen Themen entwickelt hat, phantasievoll gestaltete große Schachspiel mit Grimmschen Märchenfiguren (2012 aus Anlaß des 200. Jubiläums der„Kinder- und Hausmärchen“ gefertigt) können wir wegen seines großen Gewichtes leider nicht mitnehmen; es verbleibt weiter in unserer Dauerausstellung.

Jedoch haben wir aus dem großen Fundus im Kasseler Brüder Grimm-Zentrum einige reprographierte Zeichnungen und originale Radierungen von Ludwig Emil Grimm ausgewählt, wie z.B. die Darstellung zum „Kinderspiel in Hessen“ (1815) oder zum „Poch-Spiel“ in der Familie Grimm (um 1818), ferner verschiedene Bilderbogen und Zeitdokumente aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Aus unserer Japonica-Sammlung (Bibliotheca Mythica) werden einige wertvolle Märchenblockbücher präsentiert, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts (in der sog. Meiji-Zeit) auf speziellem „Chirimenbon“- oder Schrumpf-Papier mit wunderbaren Farbholzschnitten von dem Tokioter Verleger Takejiro Hasegawa verlegt und weltweit in verschiedenen Westsprachen vertrieben wurden.

Das älteste (aus drei Teilen bestehende) Märchen-Spiel in der Kasseler Sammlung, ein gut erhaltenes Puzzle, stammt etwa aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts und ist dem Märchen „Rotkäppchen“ gewidmet; es verwendet Motive des bekannten Stuttgarter Illustrators Carl Offterdinger (1829–1889). Etwa um das Jahr 1880 datiert werden kann ein weiteres „Zusammensetzspiel“ (so die aufgedruckte Bezeichnung) aus dem Münchner Verlag von Theo Ströfer mit vier Märchen, nähmlich „Dornröschen“, „Aschenputtel“,„Rotkäppchen“ und „Sneewittchen“.

Das älteste datierbare Brettspiel unserer Sammlung stammt aus dem Jahr 1896 und wurde in Ravensburg von der Firma Mayer nach einer Vorlage der Münchner Kinderbuchautorin Emilia Giehrl (1837–1915; Pseud.: „Tante Emmy“) gefertigt und von Mary Altheimer (Lebensdat. unbek.) fein illustriert.

Ein weiteres Spiel zu „Sneewittchen“ wurde um 1920 aus Holz und Papier in den Kunstgewerblichen Werkstätten von Heinrich Paulmann als großes bewegliches Märchen-Diorama in Nürtingen gefertigt. Ebenfalls aus den 1920er Jahren stammt eine voll funktionsfähige Nähmaschine für Kinder im Miniaturformat mit einer farbigen Darstellung von „Sneewittchen und den sieben Zwergen“.

Märchen-Diarama. Nürtingen: Kunstgewerbliche Werkstätten von Heinrich Paulmann, um 1920 · BLM: Spiele-Sammlung

Märchenspiele als Bilderbögen

Wiederholt übernahmen auch die großen Bilderbogen- und Kinderbuchverlage, z.B. in Eßlingen, Neuruppin oder Mainz, aus ihrer Produktion immer wieder Motive zur Ausgestaltung von Märchenspielen oder Ausschneidebögen für das Kindertheater. Hier haben wir einige großformatige Bogen aus unserer graphischen Sammlung, ein spezielles „Märchen-1×1“ (Abb. 10) und ein „Märchen-Lotto“ zum spielerischen Erlernen des Rechnens, ein altes „Memory“-Spiel mit verschiedenen in einem Märchen vorkommenden Requisiten sowie einige Märchen-Würfelspiele sowie Kartenspiele ausgewählt. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen im geteilten Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern zahlreiche weitere Märchenspiele heraus, und zuletzt fanden Märchenmotive Eingang in diverse Computerspiele und technische Animationen. Auch daraus haben wir für die Ausstellung in Japan einige Beispiele zusammengestellt.

Für das Thema „Wettbewerb im Märchen“ haben wir schließlich aus der deutschen Tradition zahlreiche Dokumente und Bilder zu der Geschichte „Der Hase und der Igel“ vorbereitet, während die japanische Tradition u.a. mit dem Märchen „Kachi Kachi Yama“ vorgestellt wird, in dem sich ein Hase und ein Dachs bekämpfen.

Im nächsten Jahr werden wir diese Ausstellung in größerem Rahmen auch noch im Brüder Grimm-Zentrum Kassel näher vorstellen; danach soll sie in Deutschland weiter auf Wanderschaft gehen.

Bernhard Lauer (Kassel)

 

 

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