Orientierungswoche mit Stadtrallye für Erstsemester ab 8. April

29.03.2024 (pm/red) Vom 8. bis 12. April sind aktive Fachschaften und Teamer der Philipps-Universität als Unterstützer beteiligt neuen Studierenden Orientierung und Ortskenntnisse in der Stadt und Uni Marburg zu vermitteln. Wie Stundenpläne erstellt werden und …

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Der eigentliche Kriegsanfang

Mit dem Jugoslawienkrieg 1999 hat die NATO erstmals Völkerrecht gebrochen — das heutige Handeln Russlands ist auch eine Folge dieses Tabubruchs.

Es ist der 24. Tag eines Monats. Am 24. März 1999 begann der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der Nato gegen die im tiefen Frieden liegende Stadt Belgrad und die Bundesrepublik Jugoslawien. Die OSZE meldete seit Tagen, dass es im Kosovo ruhig sei. Diese Meldungen wurden von den nationalen deutschen Quellen für diese Nachrichten geteilt. Die Nato mit der amerikanischen Führungsmacht an der Spitze hatte in den zurückliegenden Monaten konsequent auf diesen Angriffstag hingearbeitet. Vereinbarungen zwischen den USA und der Regierung in Belgrad, die auf eine friedliche Konfliktlösung ausgelegt waren, wurden für die Beschlussfassung in der Nato so umgebogen, dass auch sie einem Krieg gegen Jugoslawien nicht im Wege standen.

Mit dem Krieg gegen Jugoslawien sollte die internationale Friedensordnung, die sich als Ergebnis von zwei Weltkriegen in der Charta der Vereinten Nationen manifestiert hatte, gleich mit erledigt werden. Unter völliger Missachtung der UN-Charta und des dort festgelegten Gewalt- und Kriegsverbotes schlugen die USA mit ihren Verbündeten los. Das Zeitalter des amerikanischen Global-Faustrechtes wurde mit dem Einsatz auch deutscher Bomber gegen Jugoslawien eingeläutet.

Der erste Schuss des völkerrechtswidrigen Krieges der Russischen Föderation gegen die Ukraine  fiel gleichsam am 24. März 1999 im Krieg der Nato gegen Jugoslawien. Die USA nahmen seinerzeit den Untergang des Völkerrechts nicht nur billigend in Kauf, um ihre Ziele in Europa zu erreichen.

Seither ist ihre Rechtsauffassung davon bestimmt, mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien nicht nur das bis dahin geltende Völkerrecht mit dem Gewaltmonopol der UN zerstört zu haben. Man habe, so machte es die Konferenz von Bratislawa im April 2000, organisiert von der Spitze des amerikanischen Außenministeriums, deutlich, mit dem Krieg gegen Jugoslawien einen Präzedenzfall geschaffen. Darauf könne sich seither jeder Staat berufen, der ein Vorgehen wie das der USA gegen Jugoslawien unternehmen wolle. Die Büchse der Pandora war damit geöffnet und keine Bundesregierung in Bonn beziehungsweise Berlin hat sich seither bemüht, das Rad der Völkerrechts-Vernichtung zurückzudrehen.
 
Jeder, der seinerzeit am politischen Leben Deutschlands beteiligt sein wollte, weiß um den Ansporn für diesen 75 Tage andauernden Krieg gegen Jugoslawien. Es ging vor allem darum, die Russische Föderation von der Adria weit nach Osten zu vertreiben. Russland sollte keinen Einfluss mehr auf traditionelle Partner im Umfeld der Adria ausüben können. Die Konferenz von Bratislawa machte aber eine weitergehende Zielsetzung deutlich: Nach den Vorstellungen der amerikanischen Regierung sollte in den Folgejahren alles unternommen werden, zwei Ziele in Südeuropa zu verwirklichen.

Eine amerikanische Fehlentscheidung aus dem Zweiten Weltkrieg solle korrigiert werden. Seinerzeit habe man es verabsäumt, amerikanische Bodentruppen auf dem Balkan zu stationieren. Das solle schleunigst nachgeholt werden. Es gelte aber nicht nur, Russlands Einfluss bis in die Gegend östlich des Schwarzen Meeres zurückzudrängen. Russland selbst sollte aus Europa herausgedrängt werden. Dafür gelte es, zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer gleichsam eine neue Mauer zu ziehen. Westlich dieser Mauer sei das amerikanische Gebiet. Östlich davon könne es Russland oder andere Staaten geben. Dieses Gebiet sei jedenfalls nicht länger Nachbar der amerikanisch kontrollierten Gebiete westlich dieser neuen transkontinentalen Mauer.

Die Rede des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, im Plenum des Deutschen Bundestages 2001 war, bewusst oder unbewusst, der russische Gegenentwurf für die Planungen, die aus Bratislawa öffentlich geworden sind. Russland, so der Präsident, strecke die Hand zu seinen westlichen Nachbarn aus. Ganz im Sinne des „gemeinsamen europäischen Hauses“, das ein Jahrzehnt zuvor Euphorie in Europa ausgelöst hatte.

Der Krieg gegen Jugoslawien sollte einen anderen Zweck gleich miterfüllen. Den deutschen Streitkräften, die am 8./9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation hatten unterzeichnen müssen und deren historisches Selbstverständnis in der Tradition eines Bestandteils der staatlichen Ordnung seither einen irreparablen Schaden erlitten hatte, sollten an einer in der Einschätzung der Nato erfolgreichen Militäroperation beteiligt werden. Nichts geht eben über militärisches Selbstbewusstsein, so die damalige Einschätzung in Bonn. Das findet sich nicht in den Akten.

Publizistisch vorbereitet 

Jetzt sprachen im Krieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine am 24. Februar die Waffen. Publizistisch war alles seit kurz vor Weihnachten 2021 mit Berichten über russische Truppenkonzentrationen an der russisch-ukrainischen Grenze vorbereitet. Dabei hätte man schon früher aufmerken müssen. Zum Beispiel in der Berichterstattung über eine Aussage des amerikanischen Präsidenten, Joe Biden, über seinen russischen Kollegen, Präsident Putin. Der konnte zwar in den nachfolgenden Monaten nur mühsam die Aussage von Präsident Biden weglächeln, der gemeint hatte, Putin sei ein „Killer“. Aber gesagt ist nun einmal gesagt. 

Präsident Biden hat zielgerichtet und ohne Zögern nach seinem kurz zuvor erfolgten Amtsantritt das Tischtuch zwischen den USA und Russland zerschnitten.

Es blieb allerdings nicht dabei, wie unter anderem der Besuch der amerikanischen Unterstaatssekretärin, Victoria Nuland, Anfang Oktober 2021 in Moskau und ihre Gespräche mit einigen hochrangigen russischen Gesprächspartnern deutlich machen sollten. Der russische Präsident Putin hat vor dem Krieg gegen die Ukraine in einer Rede deutlich gemacht, dass die USA der Russischen Föderation das Recht auf einen eigenständigen Staat abgesprochen haben. Nulands Besuch soll dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben. Die Entwicklung seither ist leider zu bekannt.
 
Es ist die Verbindung der jetzigen Ereignisse, die zum Krieg gegen die Ukraine gehören, mit dem Krieg gegen Jugoslawien, die die Dimension deutlich machen.

Das, was auf dem Gebiet der Ukaine und zum Schaden der Menschen in der Ukraine ausgetragen wird, steht stellvertretend für das Ringen der Russischen Föderation um ihre eigenständige Existenz und dem Willen der USA, Russland aus Europa herauszudrängen.

Es ist dabei die Nato, die mittels der Ukraine seit Langem versucht, die Ukraine als Speerspitze gegen Russland zu nutzen, zumal sie es nicht mehr verschleiert, in welchem Maße sie sich selbst vom Verteidigungsbündnis nach der UN-Charta zu einer weltweit operierenden Angriffsformation mittels des Krieges gegen Jugoslawien gewandelt hat.

Musste man in Moskau davor die Augen verschließen? Oder davor, dass deutsche Waffen in den Händen der NAZI-Bataillone im Einsatz gegen russische Soldaten in Russland sofort die Erinnerung an das Jahr 1941 wach werden lassen. Das dürfte im Kalkül derjenigen sein, die nicht auf eine sofortige Beendigung des Krieges aus sind, sondern einen entscheidenden Beitrag dazu leisten wollen, auf unabsehbare Zeit die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland endgültig zu vergiften.

Alles das, was seit dem völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation gegen die Ukraine seitens des Westens unternommen wurde, muss unter folgendem Aspekt beurteilt werden: Ist irgendeine Maßnahme auf die Beendigung des Krieges, die Beilegung der bekannten Differenzen zwischen Russland und den USA, den Rückzug der russischen Truppen und die Beseitigung der umfänglichen Schäden gerichtet? Die bislang ergriffenen Maßnahmen des Westens erwecken allesamt den Eindruck, dass es auch mittels der Dimension der Sanktionen darauf ankommt, Bratislawa in Europa Realität werden zu lassen. Selbst wenn man unterschiedliche Ereignisse nicht vergleichen sollte, muss an eine wesentliche Ursache des Weltkrieges in Asien und das Vorgehen der USA gegen Japan hingewiesen werden.

Geradezu rechtzeitig zum Kriegsbeginn gegen die Ukraine lief Tage zuvor im deutschen Fernsehen erstmals der Film über die Schlacht um Midway. Der Film begann mit den Gedanken des japanischen Admirals Yamamoto über das, was sich zwischen den USA und Japan vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour zuspitzte. Das waren, wie sich einige Tage später herausstellen sollte, die Worte zum Kriegsbeginn mitten in Europa. Man konnte es kaum anders sehen. Dazu zählt auch der Eindruck, den die Sondersitzung des Deutschen Bundestages am Sonntag, dem 27. Februar 2022, vermittelte. Das politische Rückgrat und die Wahrnehmung deutscher Interessen hatte man in den Stunden zuvor verloren und aufgegeben.

Übrigens: Am 1. März hat der französische Finanzminister in einem CNN-Gespräch mit Christiane Amanpour gesagt, das Ziel der westlichen Vorgehensweise mittels der Sanktionen gegen Russland sei: Russland müsse in die Knie gezwungen werden.

Willy Wimmer, Jahrgang 1943, war von 1976 bis 2009 Abgeordneter im Deutschen Bundestag, zudem Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE. Er führte weltweit Gespräche auf höchster staatlicher Ebene, insbesondere in Krisengebieten. Als ausgewiesener Experte für außen- und sicherheitspolitische Fragen ist er bis heute gefragter Interviewpartner im In- und Ausland. Seit 2014 verstärkte publizistische Tätigkeit. Von ihm erschienen bisher „Die Akte Moskau“ und „Deutschland im Umbruch“ sowie gemeinsam mit Wolfgang Effenberger „Wiederkehr der Hasardeure“ und gemeinsam mit Alexander Sosnowski „Und immer wieder Versailles“.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in Rubikon – Magazin für die kritische Masse mit einer cc-Lizent.

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