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Deutschlands neue Slums. Das Geschäft mit Armutseinwanderern – Film und Diskussion im traumakino

Joachim Brenner, links (Förderverein Roma e.V.), Esat Mogul (WDR), Letitia Matarea-Türk (DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Frankfurt) und Christian Hendrichs (Netzwerk 'BLEIB in Hessen' beim Mittelhessischen Bildungsverband e.V.)

Joachim Brenner, links (Förderverein Roma e.V.), Esat Mogul (WDR), Letitia Matarea-Türk (DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität in Frankfurt) und Christian Hendrichs (Netzwerk ‚BLEIB in Hessen‘ beim Mittelhessischen Bildungsverband e.V.) Foto Elena Gavrilova 

Marburg 7.10.2014 Gastbeitrag von Elena Gavrilova, M.A.  Vertreter des Bleiberechtsnetzwerks ‚BLEIB in Hessen‘ und Experten für Arbeitsmigration und Anti-Diskriminierung diskutierten in Marburg das Thema ‚Armutseinwanderung aus Osteuropa und prekäre Arbeitsverhältnisse am deutschen Arbeitsmarkt‘. „Deutschlands neue Slums. Das Geschäft mit Armutseinwanderern“, so heißt die preisgekrönte Dokumentation von Isabel Schayani und Esat Mogul, die dem Marburger Publikum präsentiert wurde. Eingeladen hatte das Landesnetzwerk ‚BLEIB in Hessen‘, das sich für arbeitsmarktliche Förderung von Flüchtlingen und Bleibeberechtigte einsetzt. Die Filmvorführung fand in Kooperation mit dem traumakino im G-Werk statt. Gut 20 Zuhörer folgten im Anschluss an die Film-Dokumentation dem informativen und emotional bewegenden Gespräch mit dem Filmautor Esat Mogul selbst.

„Viel zu oft gelangen Arbeitsmigranten aus Ost- und Mitteleuropa in prekäre Arbeitsverhältnisse, die sich in verschiedensten Erscheinungsformen manifestieren, von Lohnbetrug oder -ausfall, falsche Berechnung von Sachleistungen, bis hin zur Anwendung oder Androhung von Gewalt. Die Arbeitsausbeutung dieser Menschen ist längst keine seltene Erfahrung mehr, sondern Teil eines strukturellen Problems“ – konstatierte Letitia Matarea-Türk von der DGB-Beratungsstelle für Faire Mobilität in Frankfurt am Main.

Ein Ausweg der betroffenen Personen aus solchen Situationen sei leider aufgrund von geringem Systemwissen um die eigenen Rechtsansprüche und Möglichkeiten sowie aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse nur selten möglich. Um diese Entwicklung zu bremsen sei eine wirksamere Zusammenarbeit aller relevanten Akteure dringend erforderlich, so Türk.

Auch Joachim Brenner, der seit 25 Jahren den Förderverein Roma e.V. in Frankfurt am Main leitet, beklagt den Mangel von notwendigen sozialen und politischen Strukturen, die das Elend und Leid der Ärmsten mindern könnten: Die Grenzen innerhalb der EU stehen offen und die Menschen aus Osteuropa kommen nach Deutschland mit großer Hoffnung auf Arbeit und ein ‚normales‘ Leben. Was sie hier aber oft finden sind Ignoranz, Rassismus und eine ausbeuterische Haltung.

Vor allem sind Roma von Armut und sozialen Ungerechtigkeit betroffen, sagt Brenner. Fast überall stößen sie auf Ablehnung und Missgunst. Brenner wirft der Politik vor, sie gehe falsche Kompromisse ein, anstatt etwas für diese Menschen vor Ort zu bewirken. Das Problem liege dabei nicht nur in der fehlenden Willkommenskultur oder in mangelnder Finanzierung, sondern vor allem in einer deutlichen sozialen und politischen Ignoranz gegenüber der Armut von Roma, so Brenner. Politischer Wille und Handeln setzt aber auch voraus, dass sich die Strukturen und Bilder in unseren Köpfen ändern. Die Diskussionsteilnehmer sind sich darin einig, dass Humanität, ziviles Engagement und gesunder Menschenverstand hier bitter nötig sind.

Was wissen wir eigentlich über Roma? Wohl kaum, dass viele Roma hochqualifizierte Fachkräfte oder sogar berühmte Persönlichkeiten wie Marianne Rosenberg sind. Gerade mit dieser Gruppe werden am meisten Vorurteile und Ablehnung verbunden, betont auch Christian Hendrichs vom Bleiberechtsnetzwerk ‚BLEIB in Hessen‘. Die Ausgrenzung ist ein Phänomen, das in den Köpfen stattfindet. Der Förderverein Roma geht mit einem guten Vorbild voran und fördert soziale Projekte und pädagogische Konzepte, die für Respekt und Akzeptanz der Roma in Frankfurt am Main stehen.

Am Schluss des Gespräches betont der Filmautor Esat Mogul: „Alle Menschen sollen gesehen und gefördert werden. Die Welt besteht nicht nur aus Gewinnern und Verlierern. Sondern die Menschen ‚verlieren‘ erst dann, wenn sie gar keine Chance für ein ‚normales‘ Leben bekommen und wenn es niemanden gibt, der die vorhandenen Missstände anschaut und hinterfragt.“ Er appelliert an das Publikum, mit den Betroffenen in Dialog zu treten und ihnen wirksam zu helfen, anstatt sie zu ‚etikettieren‘, abzulehnen oder einfach wegzuschauen. Alle Menschen sollten gleiche Rechte bekommen und gleich würdevoll behandelt werden, unabhängig von ihrer Herkunft und ihren Alltag, ob auf der Straße oder in einer Arbeitssituation, so Mogul.

Das soziale Engagement von Autoren Schayani und Mogul wurde inzwischen bundesweit anerkannt. Die Reportage ‚Deutschlands neue Slums‘ wird im Dezember mit dem Deutschen Sozialen Medienpreis in Berlin ausgezeichnet.
—>Weitere Informationen online 

 

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