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Robert Blum in der Wetterau – Ein Beitrag zum Multi-Gedenktag 9. November

Robert BlumMarburg 16.10.2014 Gastbeitrag von Ursula Wöll Wir schreiben den 9. Juli 1848. Petterweil ist mit Birkenzweigen, Blumen und Fahnen festlich geschmückt, sogar vom Kirchturm weht es schwarz-rot-gold. Aber nicht nur Petterweil, sondern die umliegende Wetterau ist ganz aus dem Häuschen. Tausende von nah und fern sind gekommen und haben sich auf der Bauchwiese am Ortsrand  versammelt. Sie erwarten einige Paulskirchenabgeordnete, die um 9 Uhr in vier Wagen in dem 20 Kilometer entfernten Frankfurt aufgebrochen sind. Vor allem wollen die Menschen Robert Blum sehen und hören, den Vertreter Leipzigs in der Paulskirche. Er  gehört zum linken republikanischen Lager. Eher von kleinem Wuchs und korpulent, ist er berühmt für sein rhetorisches Talent und bezaubert damit seine Zuhörerinnen auf den Rängen der Paulskirche. Es ist aber weniger Sensationslust, sondern echtes politisches Interesse, was die Menge bewegt. In den Jahren vor 1848, genannt Vormärz, hatten auch Handwerker und Bauern auf dem Land erkannt, wie sehr ihre Rechte missachtet wurden und „ihr Schweiß das Salz auf dem Tische des Vornehmen“ ist. So schön bringt es der ‚Hessische Landbote‘ auf den Punkt. Nun setzt man alle Hoffnung auf die verfassungsgebende Versammlung, die seit dem 18. Mai in der Paulskirche tagt. Kann man doch bereits freier atmen und reden, weil sich Justiz und Militär der absolutistischen Herrscher aus Angst zurückhalten.

An der Petterweiler Gemarkungsgrenze werden die Gäste mit Freudenschüssen und Glockenläuten empfangen. Eingeladen waren sie vom Pfarrer Heinrich Christian Flick. Genauer gesagt, vom ehemaligen Pfarrer von Petterweil. Flick hatte das übliche Schicksal eines engagierten Menschen in den Jahren der absolutistischen Willkür erlitten. Geboren 1790 als Pfarrersohn in Petterweil hatte er in Giessen studiert und das Amt vom Vater übernommen. Seine Frau Christiana Friederike war bereits 1822 im Kindbett verstorben. Für sein demokratisches Engagement im Umkreis von Weidig wurde er wie dieser auch verhaftet und seines Amtes enthoben. Während Weidig 1837 in der Haft starb und viele andere emigrierten, blieb Flick nach seiner Haft und ‚Begnadigung‘ von 1839 als Landwirt im Ort und kümmerte sich um bessere Anbaumethoden. Sein Wohnhaus steht noch heute inmitten von Petterweil, frisch herausgeputzt nun und als Kulturdenkmal mit einer Tafel versehen. Auch das Gasthaus ‚Zur Rose‘ existiert noch, heute als Ristorante und schön rot angestrichen. In ihm tafelten damals die hohen Gäste und heimischen Honoratioren, bevor sie von der Bürgerwehr mit Musik durch die Ehrenpforte zur Wiese begleitet und dort mit Freiheitsrufen empfangen wurden.

Rede Robert Blums

Rede Robert Blume vor der Frankfurter Nationalversammlung 1848. Gemälde von Ludwig von Elliott

Flick sprach einführende Worte, und während der Reden hätte man zwischen den Beifallsstürmen das Fallen einer Nadel hören können. Man verabschiedete einige Petitionen und erst danach ging die Volksversammlung in ein fröhliches Volksfest über. Außer Blum ahnte wohl kaum jemand, dass der kurze Frühling der Demokratie schon bald vorbei sein würde. Der Bericht „Volksversammlung in der Wetterau“ in der Deutschen Reichstags-Zeitung Nr. 45 vom 12. Juli 1848 beginnt mit einer Warnung vor dem Wiedererstarken der Reaktion, wie das schon 1832 nach dem Hambacher Fest der Fall war. Durch diesen Artikel in dem sechsmal die Woche erscheinenden Blatt sind wir über den Ablauf jenes 9. Juli in Petterweil so genau unterrichtet. Blum selbst hatte die Zeitung gegründet, um dem Geschehen in der Paulskirche und seiner republikanischen Position  mehr Öffentlichkeit zu garantieren. Er ist wohl auch Autor des Artikels, in dem er eine Polemik gegen den konstitutionellen Parlamentspräsidenten Heinrich von Gagern versteckt. Schon im Hallgartener Kreis, der sich seit 1839 auf dem Weingut des Johann Adam von Itzstein traf, hatten sich die politischen Unterschiede zwischen den beiden herauskristallisiert. Dieser jährliche Kreis kann als Keimzelle des Paulskirchen-Parlamentes betrachtet werden. Man tafelte und diskutierte im Gartenhaus des Gutes inmitten der Hallgarter Weinberge, in Sichtweite des Metternich-Schlosses Johannisberg. Dieses Gartenhaus steht ebenfalls noch heute und ist ebenfalls als Kulturdenkmal ausgezeichnet.

Gedenkstein für Robert Blum in Petterweil

Gedenkstein für Robert Blum in Petterweil

Petterweil war Robert Blums letzter großer öffentlicher Auftritt, denn genau vier Monate später wurde er ein Opfer der alten Mächte. Immer unter Zeitdruck, hatte er im Oktober 1848 seine Frau Jenny und die drei Kinder kurz in Leipzig wiedergesehen und dort auch über die Paulskirche und deren hasenfüßige Debatten berichten müssen. Von Leipzig fuhr er direkt mit zwei weiteren Abgeordneten nach Wien. Den dort ausgebrochenen Volksaufstand begriff er als letzte Chance, die Rückkehr der alten Ordnung doch noch zu stoppen. Die drei trafen am 17. Oktober in Wien ein und Blum überbrachte nicht nur Grüße seiner linken Fraktionskollegen, sondern war mit auf den Barrikaden – und  am 9. November 1848 tot. Er wurde am 4. November in seinem Wiener Hotel ‚Stadt London‘ verhaftet, dann am 9. November morgens um 5 Uhr in seiner Zelle geweckt und nach Verlesung des Todesurteils und einem Abschiedsbrief an seine Frau um 6 Uhr standrechtlich erschossen von Soldaten des Generals Windischgrätz. Genau einen Tag vor seinem 41. Geburtstag  und genau vier Monate nach seinem umjubelten Auftritt in Petterweil. Dort war man geschockt wie andernorts auch. Lieder auf den Märtyrer Robert Blum wurden schnell populär. Ein Jahr nach Blums Rede hing in der Petterweiler Dorflinde eine schwarze Fahne. Und zum Jahrestag seiner Ermordung, am 9. November 1849, weihte man ein Denkmal ein, genau an der Stelle, an der Blum auf einer Holztribüne geredet hatte. Natürlich erregte der Obelisk Anstoß bei den neuen, alten Behörden, die ihn 1851 entfernen wollten.

Die folgenden Ereignisse sind nachlesbar in „Karbener Hefte 6“ von 1979 (Petterweil ist heute Ortsteil von Karben). Man höre und staune: Der obrigkeitlich bedrohte Gedenkstein wurde gerettet! Er wurde von Einwohnern bei Nacht und Nebel vergraben, zusammen mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne, den Farben der Paulskirche. Vermutlich lag er an Ort und Stelle unter der gemeindeeigenen Bauchwiese oder aber unter einem Acker des Heinrich Christian Flick. Am 9. Juli 1873, also 25 Jahre nach der „Wiesenrede“, wurde dort, wo der Stein einst stand, eine riesige schwarze Fahne an einer Stange gehisst. Schließlich gruben die Kerbburschen des Turnvereins nach der Kerb von 1892 den Obelisken wieder aus. Er wurde dann im Jahr 1895 feierlich neu aufgestellt und erinnert bis heute in einer kleinen Anlage gegenüber dem Petterweiler Friedhof an den Freiheitskämpfer Robert Blum, der zum Märtyrer wurde. Auch 1898, 50 Jahre nach der Ermordung Blums, wehte erneut eine Trauerfahne über dem Denkmal. Und erst vor wenigen Jahren gestaltete die Stadt Karben um das Robert-Blum-Denkmal eine kleine Anlage und weihte sie feierlich ein.

Bundesweit dagegen vergaß man den Vorkämpfer einer demokratischen Republik weitgehend. Wahrscheinlich, weil sein Todestag am 9. November mit immer mehr wichtigen Daten unserer Geschichte zusammenfällt. Dieser regionalgeschichtliche Text soll dem Vergessen Robert Blums entgegenwirken. Illustrationen aus Wikipedia

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