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Die fabelhafte Büchner-Bande

Georg Büchner, ca. 1835, undatierte Bleistiftzeichnung von August Hoffmann

Marburg 30.1.2017 Gastbeitrag von Ursula Wöll. Am 17. Februar 1837 starb Georg Büchner im Züricher Exil, vier Tage später Friedrich Ludwig Weidig im Gefängnis Darmstadt  Beide hatten zusammen den ‚Hessischen Landboten‘ verfasst, mit dem sie die Bauern aufriefen, sich gegen ihre feudalen Unterdrücker zu wehren. Zur 180. Wiederkehr der beiden Todestage präsentiert das Museum in Butzbach am 18. Februar eine literarisch-musikalische Revue mit dem Titel „Die fabelhafte Büchner-Bande – Sechs Geschwister, die ins Rad der Geschichte griffen“. Die Revue will auch die wenig bekannten Geschwister des früh verstorbenen berühmten Georg ins Rampenlicht rücken. Angekündigt ist eine unterhaltsame Collage mit Originalzitaten und einem Mix aus Freiheitsliedern und Blues-Musik. Zusammengestellt wurde sie von den Büchner-Forschern Peter Brunner und  Heiner Dieckmann, beide von der Luise-Büchner-Gesellschaft in Darmstadt. Ihre Revue scheint Weidig auszusparen, doch  stellt der Aufführungsort Butzbach einen Bezug her. Hier nämlich war Weidig vor seiner Strafversetzung  Pfarrer und Rektor, sein Wohnhaus ist erhalten.


Die Eltern Büchner waren, wie damals üblich, mit einer reichen Kinderschar gesegnet. Nur ein Kind starb früh, die sechs anderen wurden erwachsen. Sie alle waren überzeugte Demokraten, die mehr oder minder das ‚Lange Jahrhundert‘ mitgestalteten. Der Flyer zur Revue übernimmt diesen von Hobsbawn geprägten Begriff für die Epoche von 1789 – 1918, in der sich die Welt rasend schnell veränderte. Die rasante Industrialisierung verschärfte die sozialen Gegensätze und begünstigte Nationalismus und Imperialismus.
Georg, der Erstgeborene, kam am 17. Oktober 1813 in Goddelau zur Welt, als die ‚Völkerschlacht‘ vor Leipzig endete. Als Student in Giessen traf er sich mit Weidig an der Badenburg, weil der Wasserfall dort eine Bespitzelung erschwerte. Die biblischen Anklänge im Hessischen Landboten sind Weidig geschuldet. Trotzdem verfehlte die Flugschrift ihre Wirkung auf die Landbevölkerung, begeistert aber uns Nachgeborene durch ihre grandiose Sprachwucht. Ihr Titel „Friede den Hütten – Krieg den Palästen“ wurde geflügeltes Wort. Ihr Inhalt bleibt aktuell, wenn man ihn global interpretiert. Ausbeuter sind heute internationale Konzerne, die Ausgebeuteten die Armen in den Ländern des Südens.

Nach Georg wurde Mathilde geboren, die als einzige keine öffentlichen Spuren oder Texte hinterließ. Sie wirkte im häuslichen Bereich und war der gute Geist der Familie. Einer für das Bildungsbürgertum typischen Arztfamilie, die häusliche Kultur mit Bildungshunger und  Anspruch auf politische Teilhabe verband.  Vater Ernst war ein toleranter Patriarch. Er teilte keineswegs die politische Radikalität Georgs, bot aber immer Rückhalt und Zuflucht. Nach dem Umzug in die Residenz Darmstadt bewohnten die Büchners samt Großmutter ein eigenes Haus. Eine Leiter lehnte an der Gartenmauer, um die Flucht des gesuchten Georg zu erleichtern.

Wilhelm folgte auf Mathilde. Der ehemalige ‚1848er‘ wurde Unternehmer in Pfungstadt und mit der Produktion von synthetischem Ultramarin reich. Er saß für die Fortschrittspartei  als Abgeordneter im Landtag und nach 1871 etliche Jahre im Reichstag. Ihm folgten noch die Brüder Ludwig, Arzt wie der Vater, und Alexander, der als Professor in Frankreich lehrte. Ihre Schriften und Artikel, mit denen sie die Welt verbessern wollten, gingen im Lauf der Zeit unter.

Vor den beiden wurde 1821 Luise geboren, die sich als Schriftstellerin für Frauen und deren Bildung einsetzte, aber vor allem praktisch die Mädchenbildung voranbrachte. Als ledige Frau hatte sie keinen Mann zu betütteln, auch hielt ihr Mathilde den Rücken frei, so dass sie mehrere Bücher und viele Artikel veröffentlichen konnte. Obwohl ich ihr Engagement bewundere und mich bemühe, sie auf dem Hintergrund ihrer Zeit zu beurteilen, habe ich damit Schwierigkeiten. Eine Episode zeigt, wie schwer es Frauen damals hatten. Über  sein Treffen mit Lassalle 1863 im Darmstädter Wohnhaus der Familie, bei dem Luise zugegen war, schreibt Ludwig: „Lassalle ließ sich hinreißen, die Regeln der Höflichkeit gegenüber Damen außer acht zu setzen, indem er meiner Schwester Luise (Verfasserin von Die Frauen und ihr Beruf usw.), welche sich einmal in die Diskussion gemischt hatte, zurief: ‚Davon verstehen Frauenzimmer nichts!'“

Verständlich, dass Luise die erste Auflage ihres Buches „Die Frauen und ihr Beruf“ anonym herausgab. Trotz alledem, ihre Vorschläge zur Frauenemanzipation finde ich recht bescheiden. Die Forderung nach einem Wahlrecht kam nicht vor. Die Verbesserung der Mädchenbildung konzentrierte sich auf Hauswirtschaft und Nadelarbeit. Zunehmend unterstützte sie zwar eine Berufstätigkeit als Erzieherin oder Krankenpflegerin, doch in einer guten Hausfrau sah sie wohl die eigentliche Rolle der Frau. Putzsucht oder Tändeleien vor dem Spiegel lenkten davon nur ab. Was überdauerte, waren ihre praktischen Reformen. Sie gründete mit Großherzogin Alice den Alice-Frauenverein, aus dem eine Krankenpflegeschule hervorging. Sie schuf eine Verkaufsstelle für Heimarbeiterinnen. Sie gründete Mädchenschulen. Sie erstellte Gutachten und hielt Vorträge.

Man darf gespannt sein, wie die Revue „Die Büchner-Bande“ die sechs Geschwister  interpretiert. Sie beginnt am 18. Februar um 20 Uhr im Museum Butzbach in der Färbgasse. Einlass ab 19 Uhr. Karten über Touristinfo in Butzbach für 6 Euro, an der Abendkasse für 8 Euro.

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