Zur Zukunft des Landgrafenschlosses Marburg –  mit arg konfusen Vorschlägen eines Planungsbüros

12.12.2024 (pm/red) Das Marburger Landgrafenschloss soll zu einem Museums-, Kultur- und Erlebnisort werden: Wie das einmal aussehen könnte, zeigt das Zukunftskonzept des Büros Space4, das vor dem Beirat und dem Kuratorium zur Schlossentwicklung vorgestellt wurde. …

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Der Lokschuppenverkauf in Marburg wird zu Realsatire und einer Kabarettveranstaltung!

Das Kulturdenkmal Ringlokschuppen, wie er im weitgehend intakten Zustand gewesen ist. Foto nn

Marburg 28.6.2017 (red) In den Diskussionen um die Zukunft des Lokschuppens in Marburg artikulieren sich wachsende Bewegung und Druck. Vorgehensweise und Vorentscheidungen des Magistrats der Stadt Marburg sind inzwischen obsolet. Vor der Sommerpause wird im Stadtparlament nichts entschieden. Der Punkt wurde von der Tagesordnung der morgigen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung gestrichen. Aktuelle Entwicklung: Zwei ursprünglich konkurrierende Bewerber wollen „kooperieren“, gegen den gewollten Nutzer mit christlich-religiös-sektenhaften “Christus-Treff“ gingen gestern in Marburg 200 Menschen bei einer Demonstration auf die Straße. Homophonie lautete einer der Hauptkritikpunkte der Demonstrierenden. Dazu hat die Marburger Stadtverordnete und Mitglied des Bauauschusses der Stadtverordnetenversammlung Tanja Bauer (Marburger Linke) ihre Gedanken formuliert. das Marburger. Online-Magazin veröffentlicht:

Gastbeitrag von Tanja Bauder Erst bekommt man einen Lokschuppen, ein Schmuckkästchen der Deutschen Bahn, in öffentliche Hand, weil für die privatisierte Bahn sich weder Betrieb, geschweige denn eine kostenaufwendige Restaurierung lohnen würde. Das dachte sich wohl die Deutsche Bahn: die öffentliche Hand soll hier schön mal selber Gelder investieren… Ein No Go! Auch die Deutsche Bahn, obwohl privates Unternehmen, hat eine Verantwortung kulturhistorische Bauten zu erhalten! Dazu schreibt das Gesetz schon Einiges vor – und nicht zuletzt der Denkmalschutz.

Bereits Anfang der 2000er Jahre hatte die Deutsche Bahn und ihre Tochter Aurelis GmbH Bestrebungen angestellt, den Lokschuppen abreißen zu lassen. Nur Dank der Beharrlichkeit der Unteren Denkmalschutzbehörde und von Denkmalschützern gelang es, dies zu verhindern. Selbst das Landesamt für Denkmalschutz in Wiesbaden erteilte den Abbruchplänen des Lokschuppens eine klare Absage: „Damit steht ein Abbruch des Lokschuppens, einschließlich der dazugehörigen Betriebsgebäude und der Drehscheibe mit Gleisanlagen, nicht zur Disposition“, so der damalige verantwortliche Mitarbeiter des Landesamts für Denkmalschutz in Marburg, Herr Baumann.

Letztlich wurde im Dezember 2011 das Waggonhallenareal mit dem Lokschuppen von der Stadt Marburg mit Städtebaufördermitteln von der Aurelis GmbH erworben, in das Treuhandvermögen der städtischen GeWoBau als Sanierungsträger. Die GeWoBau (Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft) ist zu 100 Prozent eine Tochter der Stadt Marburg.
Bekanntlich wurde im vergangenen Herbst gegen den Willen der Marburger Linken, mehrheitlich in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, dieses Gebiet wieder zu veräußern – über Spekulationsgewinne in Form von Eigentumswohnungen bis nach Übersee durch die ortsansässige Firma Schreyer & Schreyer war vieles denkbar!

Gleichzeitig gründete sich ein Förderverein Lokschuppen, der ein museales Konzept entwickelte. Ideen gab es in den vergangenen Jahren viele, was mit dem Lokschuppenareal alles gemacht werden könnte. Zum Beispiel hatte das “Marburger Spiele-Archiv“ Bedarf angemeldet. Dies blieb leider ohne Erfolg, das Spiele-Archiv wanderte nach Nürnberg ab.

Auch das Kulturforum hat mehrere Vorstöße unternommen, um den Lokschuppen für Arteliers und Bandproberäume zu öffnen. Letztlich wurden diese Pläne durch die Stadt nicht konsequent verfolgt, auch weil man selbst nicht bereit war Gelder zu investieren. Die Chance für ein soziokulturelles Areal mit einem denkmalgerecht restaurierten Lokschuppen scheint vertan. Doch immer noch gilt: Was im letzten halben Jahr an Konzeptideen entwickelt wurde, könnte auch unter städtischer Regie umgesetzt werden und wäre in jeder Hinsicht ein Gewinn für alle!

Die Stadt Marburg hatte sich viel einfallen lassen, um auch Kritiker einzubeziehen, was die Verkaufspläne angeht. Man hat zum ersten Mal ein Auswahlgremium geschaffen, in dem nebeneinander verschiedenen Akteure, darunter Anrainer, Stadtplaner, Vertreter aus Politik und Verwaltung, Experten und Laien in die Planungen einbezogen wurden. Es gab in Form eines Kolloquiums vor Bewerbungsschluss eine erste Fragerunde.

Danach gab es mehrere Treffen, in denen die eingegangenen Bewerberkonzepte ausführlich hinsichtlich verschiedener Aspekte diskutiert und geprüft wurden: Stadtgestaltung, Denkmalschutz, Freiraumgestaltung und Wirtschaftlichkeit. Letztlich gab es vier Bewerber. Einer davon schied schnell chancenlos aus. Man war sich einig, dass man eine sechsstöckige Wohnbebauung auf dem Waggonhallenareal nicht zulassen konnte. In einer „Luxusgarage“ – im Lokschuppen selbst, sollte abwechselnd das Auto des Monats präsentiert werden. Das hielt dann doch keiner mehr für keiner mehr für eine gute Idee.

Der Rundbau des vormaligen Lokschuppen ist Kulturdenkmal. Der Magistrat der Stadt Marburg will ihn verkaufen. Foto R.Kieselbach

Im Verfahren verblieben sind die Bietergemeinschaft Drehscheibe-Lokschuppen GbR (Schneider GmbH und Christus Treff e.V.), Christmann und Pfeiffer Dynamic Living Sources GmbH sowie der Förderverein Lokschuppen e.V.. Von den drei verbliebenen Bietern hatte der Förderverein das Nachsehen, weil man an deren Finanzierungskonzept nicht so recht glauben wollte. Der amtierende Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies  verdeutlichte anschaulich, wie einsturzgefährdet der Lokschuppen mittlerweile sei. Es bestehe also dringlichster Handlungsbedarf, da sonst alle Bemühungen vergebens seien, weil der Lokschuppen im wahrsten Sinne des Wortes einstürze.

Anfang des Monats Juni konnten die zwei aussichtsreichsten BewerberInnen ihre Konzeptideen zum Lokschuppen der Öffentlichkeit präsentieren. Man konnte erstaunt sein, wie sich die beiden Konzepte ähnelten – und dies obwohl Schneider ursprünglich mit einer ganz anderen Idee ins Rennen ging. Neben Events, wie Hochzeiten, Kongresse etc. sollte studentisches Wohnen dort möglich werden und die Finanzierung sichern.

Hingegen standen Christmann und Pfeiffer von Anfang an für ein offenes, einladendes Konzept, das keine Konkurrenz zu den bereits bestehenden Anrainern schaffen wollte – und im Gegenteil vielmehr integrativ werbend auftrat. Vor allem jungen Unternehmen aus der Kreativ-Wirtschaft sollten eingebunden werden. Den Lokschuppen so behutsam wie möglich sanieren, sogar so, dass gegebenenfalls wieder zurückgebaut werden kann, wenn man dies wünscht.

Bekanntermaßen gibt es mit dem Rotkehlchen und dem Theater Gegenstand in der Waggonhalle bereits ein gewachsenes soziokulturelles Leben. Früh wurden erste Bedenken zum Mitbewerber Christus Treff geäußert, zumindest was die Haltung gegenüber allen Menschen unabhängig von ihrer jeweiligen Sexualität und Geschlechtsidentität angeht. Zweifelsohne ist hier ein Potential vorhanden was gute Nachbarschaft erschweren könnte und nicht im Sinne der Stadt sein sollte.

Alleine schon die Idee einer Antidiskriminierungsklausel, von Oberbürgermeister Thomas Spies vorgetragen, zeigt , dass auch das Stadtoberhaupt hier diese „Gefahr“ sieht. Im übrigen ist solch eine Klausel allein schon deshalb obsolet, weil sie nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Dieses schließt nun einmal Diskriminierungen sowieso klar aus!

Das Verfahren als solches ist per Stand heute ad absurdum geführt, denn die verbliebenen Bieter haben sich geeinigt gemeinsam ein Angebot abzugeben und ganz nebenbei den Christus Treff zu integrieren. Tatsächlich ist die Integration des Christus Treff ist sogar eine Bedingung!  Wer hat denn hier welchen Einfluß auf wen?

Vor genau drei Tagen konnte man im Wirtschaftsteil der Oberhessischen Presse den Bericht über einen Stammsitzerweiterung in Fronhausen der Schneider GmbH lesen. Die ausführende Baufirma ist hierbei niemand anderes als Christmann und Pfeiffer. Der Artikel schließt mit der Darstellung, wonach Gunter Schneider (Eigentümer Schneider GmbH) und Matthias Acker (Geschäftsführer von C und P) sich schon seit Kindheitstagen kennen.
Es ist ein Skandal, wenn sich jetzt herausstellen sollte, dass es in Wirklichkeit nie zwei Bieter gab!
Wieder einmal zeigt sich klar und deutlich, dass das Allheilmittel der Privatisierung nur ein Schein ist – in diesem Falle nicht mal ein schöner Schein.

Meiner Überzeugung nach gehört das Kulturdenkmal Ringlokschuppen weiterhin in öffentliche Hand. Es wäre die Aufgabe der Stadt, unter anderem auch durch Landes- und Bundesmittel, dieses kulturgeschichtliche Erbe für die Menschen bestmöglich zu erhalten und für künftige Generationen zu bewahren. Es wurde leider mehrheitlich zunächst anders entschieden.

Nach dieser überraschenden Wendung besteht jetzt jedoch erneut die Chance das Kulturdenkmal Rinklokschuppen in kommunaler Hand zu belassen und hier ein sozio-kulturelles Zentrum unter Einbeziehung der MarburgerInnen zu schaffen. Öffentliche Veranstaltungen, an denen mehr als 300 BürgerInnen teilnahmen, haben gezeigt, wie wichtig dies den Menschen in Marburg ist!

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