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Lokomotivschuppen Marburg – Ein gescheiterter Bieterwettbewerb

Der Lokschuppen, wie er vor Jahren noch im weitgehend intakten Zustand gewesen ist. Foto nn

Marburg 14.6.2017 (red) Die Diskussionen um die Zukunft des Lokschuppens auf dem Waggonhallengelände Marburg gehen weiter. Nach Vorgaben des Magistrats der Stadt Marburg und Auswahl durch ein Gremium sind zwei von vier eingereichten Bewerbungen zur Übernahme / Kauf in eine Endauswahl gesetzt worden. Über diese soll Ende Juni die Stadtverordnetenversammlung entscheiden. In diese Debatten bringen zwei engagierte Marburger Denkmalschützer Ihre Gedanken und Bedenken ein. Hartmut Lange und Manfred Ritter liegt das Schicksal des Lokschuppen als industrie- und sozialgeschichtliches Kulturdenkmal am Herzen. das Marburger. veröffentlicht nachstehend einen Appell der beiden Denkmalschützer als Gastbeitrag.

Dieses Statement stelle kein Votum für einen der ursprünglich vier Bewerbern dar, teilten Lange und Ritter mit. Es wolle auch keinen Trend zu einem der beiden übrig gebliebenen Kontrahenten aufzeigen, weil die vorgestellten Konzepte beide nicht den Ansprüchen einer denkmalgerechten Sanierung eines Kulturdenkmals nach dem HDSchG entsprechen. Lange und Ritter haben sich in ihrem Statement eng an den Gesetzestexten orientiert und wollen aufzeigen, dass eigentlich keiner der Bewerber einen Zuschlag bekommen dürfte. 
Für das Marburger Stadtbild und deren industriellen Zeitzeugen würden in zunehmenden Maße die falschen Entscheidungen getroffen. Mit dem Lokschuppen verschwinde vor allem ein Stück Industrie- und Sozialgeschichte. Dabei sei schade, dass der Lokschuppenverein sein eigentlich gutes Rezept durch dilettantische Präsentation und arrogantes Auftreten der Protagonisten leichtfertig verspielt habe.

Das Schicksal des Marburger Lokomotivschuppen – Ein fehlgeschlagener Bieterwettbewerb? Ein Appell

Im Rahmen der Erhebungen von Kulturdenkmälern in Marburg Stadt und Orsteile für die Erstellung der Denkmaltopographie Marburg II wurde der Lokomotivschuppen mit dem dazugehörigen Betriebs- und Werkstattgebäude vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen als Kuturdenkmal gemäß § 2 Abs.1 DSchG deklariert.
Damit unterliegt diese bauliche Anlage den Schutzbestimmungen des Hessischen Denkmalschutzgesetzes (DSchG).

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GeWoBau hat im Auftrag des Magistrates der Universitätsstadt Marburg, den bau- und eisenbahngeschichtlich bedeutsamen Lokomotivschuppen mit Betriebs- und Werkstattgebäude von der DB mit Steuergeldern erworben, damit die Rettung vor dem Verfall und die Erhaltung durch eine angemessene und denkmalgerechte Nutzung sicher gestellt werden kann.

Der Magistrat der Universitätsstadt Marburg und somit der Sanierungsträger der Stadt Marburg, die GeWoBau, haben gegenüber der Öffentlichkeit, insbesondere gegenüber von privaten Denkmaleigentümern Vorbildfunktion und müssen für sich die gleichen Maßstäbe nach dem DSchG setzen, die sie bei privaten Denkmaleigentümern anwendet und durchgesetzt werden.

Der Lokomotivschuppen mit den dazugehörigen Nebengebäuden gehört in die Hände von Initiativgruppen oder Investoren, die ein Gespür für die historische und denkmalgeschützte bauliche Anlage und deren Wert haben und wie man damit umgeht und was man daraus machen kann.

Mit der Auswahl der Bieter  Schneider/Christustreff sowie  Christmann und Pfeiffer (C. + P.), wird wieder einmal eine große Chance vertan, eine bisher noch nicht vorhandene Attraktion zu entwickeln: „Erlebnis und Eisenbahn-Technik“, die sehr viele Besucher von außerhalb nach Marburg locken würde. In Kooperation mit dem Eisenbahnfreunden aus Treysa und den Oberhessischen Eisenbahnfreunden mit ihren vielen Reiseangeboten mit Oldtimerbahnen, wäre das tatsächlich eine Attraktion, bei der Marburg der Mittelpunkt solcher Events sein könnte.

Die Entwürfe dieser ausgewählten Bieter sind kein „Leuchtturmprojekt“ in Sachen Revitalisierung eines besonderen Industrie-Kulturdenkmals der Geschichte der „Main-Weser-Bahn“.

Nicht nur das, auch die unter Denkmalschutz stehende Bausubstanz des Lokomotivschuppen mit den dazugehörigen Nebengebäuden wird bei den Konzepten der Bieter durch den geplanten Abbruch des Betriebs- und Werkstattgebäude teilweise zerstört und durch starke Eingriffe in den Bestand des Ring-Lokomotivschuppen erheblich dezimiert. Es bleibt nur noch ein Torso übrig.

Das Betriebs- und Werkstattgebäude ist baugeschichtlich untrennbarer Bestandteil der denkmalgeschützten Anlage des Lokomotivschuppen, weil beide 1874 als erste bauliche Anlage des Lokschuppen zusammen errichtet worden sind. Dass bei den Konzepten der oben genannten Bieter ausgerechnet die ältesten Gebäude zerstört oder erheblich verändert werden sollen, aber die später hinzugefügten Gebäude aus den 1930er Jahren nicht, ist mehr als unverständlich.

Diese Bieterkonzepte stehen nicht im Einklang mit den Ausschreibungskriterien der Stadt Marburg hinsichtlich der Erhaltung der historischen Bausubstanz, wonach das denkmalverträglich beste, passenste und attraktivere Nutzungskonzept ausschlaggebend für die Auswahl des Bieters sein soll und nicht der Kaufpreis, bzw, das Kapital des Bieters.

Das Nutzungskonzept des Lokschuppenvereins passt dagegen wesentlich besser zu der gegenwärtigen Nutzung der Gastronomie „Rotkehlchen“, des Theaters „Waggonhalle“ und der Sportstätte „Kletterhallle“ und ist dazu noch eine Bereicherung und Attraktion, im Gegensatz zu der religiösen Nutzung durch den „Christus Treff“, mit der Spannungen bereits vorprogrammiert sind.

Die vorgelegten Nutzungskonzepte der beiden Bieter „Schneider/Christus Treff“ und „Christmann und Pfeifer C+P“ erfüllen somit auch nicht Anforderungen an die Bestimmungen des Hessischen Denkmalschutzgestzes. Unter § 1″ Aufgabe des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege“ wird hierzu ausgeführt:
Abs.1  „Es ist die Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, die Kulturdenkmäler als Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung nach Maßgabe dieses Gesetzeszu schützen und zu erhalten sowie darauf hinzuwirken, dass sie in die städtebauliche Entwicklung, Raumordnung und Landschaftspflege einbezogen werden.“
Abs. 2 „Bei der Erfüllung dieser Aufgaben wirken im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit das Land, die Gemeinden sowie Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmälern zusammen.“

Grundlage hierfür ist die Hessische Verfassung, wonach das Denkmalschutzgesetz ein Gesetz zu Artikel 62 ist, der bestimmt, dass „die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und Kultur … den Schutz und die Pflege des Staates und Gemeinden“ genießen.

Tatsächlich erfüllt der Lokschuppenverein mit seinem Konzept alle Ausschreibungsanforderungen des Magistrates der Stadt Marburg und die Bestimmungen des Hessischen Denkmalschutzgesetzes. Schwachstelle in dem Konzept des Vereins ist die Verlässlichkeit und Finanzierung. Schade!

Hier bietet sich die vom Auswahlgremium vorgeschlagene Kooperation mit dem Industriebauunternehmen C.+P. als Partner an, weil diese zusätzlich Kapital miteinbringen und zu dem Erfahrungen in der bautechnischen Umsetzung der Sanierungsarbeiten an dem Lokschuppen vorweisen können. Diese Kooperation ist aber leider an der mangelnden Bereitschaft der Vertreter des
Lokschuppenvereins gescheitert (C+P hatte hierfür dem Lokschuppenverein die Hallenstände 14, 15 und 16 angeboten).
Nochmal: Schade!

Würde Christmann+Pfeifer auf den Abriss des Werkstattgebäudes verzichten und dafür eine Nutzungslösung finden, müssten denkmalschutzrechtlich auch keine Kompromisse zu Lasten der noch vorhandenen historischen Bausubstanz eingegangen werden.
Im Gegenteil: Die historische Hülle (Lokschuppen und Werkstatthalle) bietet ohne Umbau oder Abriss vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Hier ist Kreativität gefragt!

Deshalb ist das Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, gefordert, die Bau- und Nutzungskonzepte sehr genau zu prüfen und die denkmalschutzrechtlichen Anforderungen für die Genehmigung durch die Untere Denkmalschutzbehörde bei dem Magistrat der Stadt Marburg genau zu beobachten, damit das mit der Auschreibung (Bieterwettbewerb) verbundene Ziel auch erreicht und umgestetzt wird. Der Landesdenkmalpfleger kann bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben sein „Einvernehmen“ verweigern!

Es kann nicht sein, dass ein weiteres Kulturdenkmal in Marburg so verändert wird, dass seine ursprüngliche und denkmalgeschützte
Funktion (Industrie- und Sozialgeschichte) nicht mehr zu erkennen ist. Auch der touristische Aspekt sollte ein größere Rolle spielen! Der Lokschuppen in Marburg ist der größte in Hessen mit einer funktionsfähigen Drehscheibe. Er könnte die Drehscheibe der vielen Eisenbahnfreunde Hessens sein. Auch der Geschichts- und Physikunterricht an hessischen Schulen könnte durch Exkursionen
praxisorientierter gestaltet werden.

Der Oberbürgermeister, der Magistrat und vor allem die darüber entscheidenden Stadtverordneten der Stadt Marburg sind aufgerufen, diesen Appell in ihrer historischen Entscheidung am 30. Juni 2017 zu beachten.
Hartmut Lange, Manfred Ritter

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