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Wachsender Widerstand gegen Weiterbau A49: Aufruf zum Moratorium und Offener Brief an Bundeskanzlerin

Rodung A49-Trasse bei Dannenrod. Foto nn

Kassel 16.09.2020 (pm/red) Der Widerstand gegen den Weiterbau der A49, fokussiert auf den umstrittenen Abschnitt zwischen Stadtallendorf und Gemünden/Felda mit Trassenführung durch den ökologisch wertvollen Dannenröder Wald, wächst und findet wichtige neue Unterstützer. So hat die hessische Landtagsfraktion Die LINKE einen Besuch vor Ort bei den Baumhäusern der Waldbesetzer vollzogen und damit ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Die Bundestagsfraktion Der GRÜNEN hat einen Antrag für einen Baustopp verabschiedet. Die Grünen Homberg und Aktionsbündnis Keine A 49! wenden sich in einem OffenenBrief an Bundeskanzlerin Merkel, den das Marburger. veröffentlicht.

Offener Brief
Forderung eines Moratoriums für den Ausbau der A49
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier,
Sehr geehrte Damen und Herren der Hessischen Landesregierung,
Sehr geehrter Herr Minister Al-Wazir,
Zur Bewahrung stabiler klimatischer Lebensbedingungen für uns Menschen ist die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Veränderung unserer Lebensgewohnheiten unbestreitbar. Dazu bedarf es u.a. auch einer grundlegenden Neuausrichtung der Verkehrspolitik. Deutschland verfehlt seine Klimaziele im Verkehrssektor deutlich. Für das Bundesland Hessen hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz am 13.12.2019 eine schnelle Verkehrswende angemahnt, weil Hessen die CO2‐Ziele für 2020 mit nur 19% statt den erforderlichen 30% Reduktion deutlich verfehlt. Dabei entfallen 40% der Emissionen auf den Verkehrssektor. Bei der deutschlandweiten Zielsetzung der Emissionsreduktion im Verkehrssektor relativiert sich der weitere Bedarf an Bundesfernstraßen drastisch. Die Rechtfertigung für Eingriffe in Natur und Landschaft vermindert sich entsprechend.

Wir leben in einer Zeit rasanter Veränderung. Der Klimawandel bestimmt immer mehr unser Sein, doch noch nicht genug unser Bewusstsein. Unser Leben wird zunehmend bedroht von Dürren und Wassermangel, vom Sterben der Wälder und der Arten, von der Zerstörung der Ökosysteme.
Der im Mai 2020 vorgelegte Biodiversitätsbericht von Umweltministerin Svenja Schulze zeigt ein besorgniserregendes Sterben der Arten auf. Die Zerstörung intakter ökologischer Systeme wird mit dem vermehrten Auftreten von Pandemien in Zusammenhang gebracht. Das Waldsterben nimmt bedrohliche Formen an. Neupflanzungen wachsen häufig nicht mehr an aufgrund von Dürre. Aufgrund der dramatischen Entwicklung beim Trinkwasser hat Umweltministerin Svenja Schulze bereits für 2021 einen Hierarchieplan zur Verteilung von Wasser gefordert.
Gegen Deutschland laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen Mängeln beim Grundwasserschutz, wegen Mängeln bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, wegen zu geringem Schutz der Natura 2000 – Gebiete.

Vor diesem Hintergrund betrachten wir den Ausbau der A49 in der VKE 40, den sogenannten Lückenschluss.
Wie in einem Brennglas zeigt die 40 Jahre alte Planung alle Facetten ökologisch problematischer Planung der Vergangenheit, deren Umsetzung wir uns jetzt nicht mehr leisten können. Diese alte Planung berücksichtigt nicht die heutige Situation. Weder die Klimaveränderung noch die Grundwassersituation oder das dramatische Sterben unserer heimischen Wälder.

Der Bau der A49 in der VKE 40 zwischen Stadtallendorf und Gemünden würde das nach der europäischen Flora‐Fauna‐ Habitat‐Richtlinie ausgewiesene Natura 2000‐FFH‐Schutzgebiet Herrenwald zerschneiden und damit den Biodiversitätsverlust in Deutschland weiter befördern. Die dafür nach § 34 BNatSchG nachzuweisenden „zwingenden Gründe des überwiegend öffentlichen Interesses“ wurden bisher nicht nachweisbar belegt. Dazu liegt noch eine unbeantwortete Petition beim Hessischen Landtag vor zum Komplex: A 49 und “zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses.

Es liegen 4 weitere Petitionen gegen die A49 beim Hessischen Landtag vor:
Aktenzeichen 1521/20 zum Thema: Änderungen im Planfeststellungsbeschluss. Diese Eingabe wurde an das Wirtschafts- und Umweltministerium weitergeleitet. Aktenzeichen 1522/20 zum Thema: Wirksamkeitsnachweis für CEF-Maßnahmen. Auch diese Eingabe wurde an das Wirtschafts- und Umweltministerium weitergeleitet. Aktenzeichen 1523/20 zum Thema: CEF-Ausgleichsmaßnahme Sörenteich Aktenzeichen 1524/20 zum Thema: Umweltverträglichkeitsstudie. Alle Petitionen sind noch nicht beantwortet. Wir fordern einen Baustopp für die A 49, bis diese Petitionen sachlich korrekt beantwortet sind.

Der Bau der A49 würde den Dannenröder Wald durchschneiden, einen 250 Jahre alten Dauermischwald, der seit den 1980er Jahren durch seine nachhaltige Bewirtschaftung zum Vorzeigewald wurde. Er ist einer der wenigen intakten Dauerwälder in Hessen. Da die Hessische Umweltministerin alle hessischen Wälder in Dauerwälder umgestalten will, ist es absurd, diesen intakten Prototypen eines Dauerwaldes jetzt noch zu zerstören. Der Dannenröder Wald wird von Fachleuten als klimarelevant eingestuft und erfüllt durch sein spezielles Binnenklima alle Voraussetzungen, um den Klimawandel zu bestehen. Wald ist heute noch viel wichtiger als in den Zeiten der Planung. Angesichts deutschlandweiter Dürreschäden können wir es uns nicht leisten, insgesamt rund 100 Hektar gesunden alten Mischwald, ca. 80.000 Bäume, mit seiner gesamten Artenvielfalt zu zerstören. Zumal Ersatzaufforstungen vielfach schnell der Dürre zum Opfer fallen und somit große CO2-Speicher ausfallen. Die bisherigen Ersatzaufforstungen sind vielfach noch nicht wirksam umgesetzt, weshalb auch den Vorgaben des § 34 BNatSchG aus unserer Sicht noch nicht Genüge getan wurde.

Der weitere Verlust der u.a. zur Erzeugung von Lebensmitteln unverzichtbaren Böden muss ebenso gestoppt werden wie die von weiteren Straßen ausgehende Belastung der Bevölkerung mit Stäuben, Lärm und Abgasen. Überlegungen zum Bau neuer Logistikzentren entlang der Trasse lassen befürchten, dass es zu einer weiteren Belastung statt zu der versprochenen Entlastung kommt. Der Bau und Betrieb der A49 stellt eine unkalkulierbare Gefahr für die Trinkwasserversorgung von bis zu 500.000 Menschen bis in das Rhein-Main-Gebiet dar, wie die Mittelhessischen Wasserversorger selbst befürchten.

Das BVerwG Leipzig hat festgestellt, dass die Planung der VKE 40 der A 49 so heute nie mehr genehmigt würde. Das Baurecht besteht aus rein formalen Gründen weiter. Inhaltlich wurde festgestellt, dass die Planfeststellung fehlerbehaftet ist, weil die seit 2015 bei Planungen notwendige Überprüfung der Wasserkörper anhand europarechtlich vorgegebener Kriterien (Wasserrahmenrichtlinie) nicht durchgeführt wurde. Die Richter haben entschieden, dass eine erweiterte Prüfung der Auswirkungen auf das Grundwasser bei heutigen Planungen erforderlich ist. Die Politik sollte entscheiden, dass diese Prüfung für die alte Planung nachgeholt wird.

Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung 37/2020 des Gerichts:“…erforderliche Schutzmaßnahmen können nachträglich angeordnet … wasserrechtliche Erlaubnisse angepasst oder sogar widerrufen werden.“ Gute Gründe gibt es dafür genug: drei Dürresommer mit Wassernot im Vogelsberg und eine aktuelle Trinkwasserknappheit in Regionen des Rhein-Mai-Gebiets. In den letzten 2 Jahrzehnten finden sich die 10 heißesten Sommer seit Beginn der Messungen im Jahr 1894. Quelle: Temperaturaufzeichnungen für Hessen; HLNUG Messwerte Temperatur Jahresmittel für Hessen

Der 9. Senat in Leipzig hat zwar den Planfeststellungsbeschluss nicht antasten wollen, weil bereits 2014 ein entsprechendes Urteil gefällt wurde, andererseits wurde sehr deutlich formuliert, dass im Rahmen der Ausführungsplanung noch Korrekturen möglich sind, die vor allem auch die Behandlung der Oberflächenabwässer betreffen und die Frage des baulichen Eingriffs im Bereich des Grundwasserleiters. Es ist zwar richtig, dass nun ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt, was aber nicht bedeutet, dass als Ergebnis des Wasserrahmenrichtlinien-Fachbeitrages nicht doch die wasserrechtliche Genehmigung neu gefasst werden muss.
Quelle: Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes; Pressemitteilung Nr.37/2020 vom 23.06.2020. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus.

Zuständig, diesbezüglich auf die DEGES einzuwirken, ist Minister Al-Wazir. Daher fordern wir, dass Tarek Al-Wazir und die hessische Landesregierung die vom BVerwG aus heutiger Sicht (Vorsitzender Dr. Bier in der mündlichen Verhandlung) notwendige wasserrahmenrechtliche Prüfung sachgerecht umsetzt (die Planfeststellungs-Behörde hatte das in Leipzig zugesagt), und solange die Rodungen im Südabschnitt (VKE 40, Stadtallendorf – A 5) auszusetzen. Wir fordern die Vergabe an ein neutrales Gutachtenbüro, da die DEGES für die Begutachtung die aus unserer Sicht nötige Neutralität vermissen lässt.

Auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf wird die genaue Überprüfung der sensiblen Wasserthematik gefordert. CDU und SPD fordern in einem gemeinsamen Antrag: „Der Kreistag bittet den Kreisausschuss, den Hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW) aufzufordern, von der DEGES eine über den Planfeststellungsbeschluss im Bereich der VKE 40 hinausgehende Prüfung unter Beachtung der Wasserrahmenrichtlinie zum Grundwasserschutz durchzuführen, um darzustellen, wie die betroffenen Wasserschutzzonen berücksichtigt werden. …. Trinkwasser ist ein kostbares Gut. Beim Bau der A 49 muss daher alles Mögliche getan werden, um die betroffenen Wasserschutzzonen vor schädlichen Einflüssen freizuhalten und das Grundwasser zu schützen. Dafür sind auch über die im Zuge des Planfeststellungsbeschlusses getroffenen notwendigen Aussagen hinausgehende Untersuchungen zu befürworten, um diese sensiblen Belange bestmöglich aufzuarbeiten.“ (Antrag zur Kreistagssitzung am 11. September 2020, Antrag der Fraktionen von SPD und CDU betreffend Fertigbau der Bundesautobahn 49 vom 20.08.2020)

Vor diesem Hintergrund treten wir für ein sofortiges Moratorium des Ausbaus der A49 ein und fordern deren Neubewertung unter dem Gesichtspunkt einer klimapolitisch notwendigen Verkehrswende und der Ergebnisse der Wasserrechtlichen Überprüfung. Auch die Umsetzung der CEF-Ausgleichsmaßnahmen ist aus unserer Sicht nicht rechtskonform abgeschlossen. Daher sind zwingend die Ergebnisse der diesbezüglichen Petitionen abzuwarten.

Schon die Planrechtfertigung des Verkehrsprojektes A 49 für die Bauabschnitte VKE 30 und 40 hält keiner ernsthaften Prüfung stand. Bereits frühe ökologische Studien kommen zu dem Schluss, dass die massiven Umweltzerstörungen in der VKE 40 nicht ausgeglichen werden können.
Angesichts der Klimakrise halten wir die Zerstörung gesunder Mischwälder für den Ausbau weiterer Verkehrswege für unverantwortlich! Das Projekt ist unvereinbar mit den mittel- und langfristigen (Klima-)Schutzzielen, und das seit über 30 Jahren. Dies gilt besonders auch für den Zielkonflikt mit dem Grund- und Trinkwasserschutz.! Verantwortungsbewusste Klimapolitik heißt aus unserer Sicht: der Ausbau der A49 muss sofort gestoppt werden und der Dannenröder Wald erhalten bleiben! Zu Alternativen verweisen wir auf den Dannenröder Appell. (Anlage)
Durch Ihre EU-Ratspräsidentschaft und Ihre klimapolitischen Ziele haben Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, eine besondere Verantwortung für mutiges klimapolitisches Handeln. Die ökologisch verträglichere Umgestaltung der A49 zum Schutz unserer wichtigsten Ressourcen Wasser und Wald sowie zum Schutz unserer lebenswichtigen Biodiversität könnte am Ende Ihrer Amtszeit ein Symbol für klimapolitische Verantwortung und die längst überfällige Verkehrswende sein.

Baurecht ist nicht Baupflicht! Daher appellieren wir an Ihre politische Verantwortung! Nach dem Urteil von Leipzig können Sie immer noch die politische Entscheidung für den dringenden Schutz unserer Lebensgrundlagen treffen. Zumal genügend verträglichere Alternativen vorliegen durch den Ausbau vorhandener Straßennetze. Wir erinnern Sie auch an Ihre Verpflichtung die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Stoppen Sie den Ausbau der A49 jetzt und bewerten Sie vor diesem Hintergrund das Projekt neu! Machen Sie die A49 zu einem echten Wendpunkt in der Verkehrspolitik! Setzen Sie damit ein klares Zeichen für mehr Klimaschutz!

Der Dannenröder Wald ist derzeit von jungen idealistischen Menschen besetzt. Mit großer Sorge sehen wir der bevorstehenden Räumung entgegen. Bereits jetzt eskalieren Situationen vor Ort, insbesondere auch durch das Verhalten der eingesetzten Sicherheitsfirma, von der Spaziergänger und zivile Personen bedroht werden. Wir denken auch an die Einsatzkräfte der Polizei und des Rettungswesens. Wollen Sie Ihre Beamten wirklich jetzt mitten in der Corona-Pandemie mit ansteigenden Fallzahlen in einen solch schwierigen Einsatz schicken? Würde es nicht auch besser zur Fürsorgepflicht staatlicher Stellen passen, wenn zunächst während eines Moratoriums die angesprochenen Themen und Fragen zweifelsfrei geklärt würden? Möglicherweise könnte dadurch ein unnötiges Räumungs-Desaster vermieden werden! Das wäre sicher ein Gewinn für alle Beteiligten!

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Schlemmer
bisher gezeichnet:
Gez. Christoph Schulze-Gockel, Schutzgemeinschaft Gleental e.V.
Gez. Karl-Heinz Zobich, NABU Homberg (Ohm) e.V.
Gez. Dr. Wolfgang Dennhöfer, BUND Vogelsbergkreis
Gez. Dr. Anne Archinal, „Rettet den Burgwald“ e.V.
Gez. Reinhard Forst, Schutz des Ohmtals e.V.
Gez. Bernd Fiedler, Vogel- und Naturschutzgruppe Maulbach
(Mitglieder des Aktionsbündnisses keine A49!)
Anlage: Dannenröder Appell

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