LOEWE-Schwerpunkt „GenDem“ will Antifeminismus erforschen und verstehen

Die Forscherinnen im Loewe-Schwerpunkt GenDem: Nurlana Jalil, links, Antje Johanning-Radzienė, Edith Franke, Annette Henninger, Anna-Veronika Wendland, Christine Klapeer und Funda Hülagü. Foto Tarek Schukrallah
04.08.2025 (pm/red) Was haben Antifeminismus, Demokratie und autoritäre Tendenzen miteinander zu tun? Dieser Frage soll sich ein neuer LOEWE-Schwerpunkt „Verflechtung von Antifeminismen: Gender, Demokratie und Autoritarismus in ‚Entangled Modernities‘“ (kurz: GenDem) widmen. Das Forschungsprojekt steht unter Federführung von Prof. Dr. Annette Henniger, Politikwissenschaftlerin der Philipps-Universität Marburg.
Untersucht werden erstmals vergleichend antifeministische Mobilisierungen in verschiedenen Ländern Ost- und Westeuropas sowie im Südkaukasus, wird informiert. Ziel ist es, systematisch herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen diese Bewegungen entstehen, wie sie transnational verflochten sind und welchen Einfluss sie auf Prozesse der Demokratisierung oder Autoritarisierung ausüben.
Das Land Hessen fördert GenDem als LOEWE-Projekt mit rund 3,6 Millionen Euro für vier Jahre (2026–2029). Als besondere Herausforderung sollen einzelne Fallstudien über autoritäre Regime oder Kriegsgebiete wie die Türkei, Aserbaidschan oder die Ukraine verwirklicht werden.
„Wenn wir verstehen, was antifeministische Bewegungen hervorbringt und nährt, kann es uns gelingen, dem wirkungsvoll entgegenzutreten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken“ erläutert Wissenschaftsminister Timon Gremmels.
Gerade in Zeiten politischer Polarisierung sei eine interdisziplinäre, international vergleichende Forschung zur Rolle von Antifeminismus in autoritären Dynamiken essenziell. Die Uni Marburg stehe für diese kritische Wissenschaft, so Unipräsident Prof. Dr. Thomas Nauss.
Im Zentrum des Projekts steht die Beobachtung, dass aktuelle antifeministische Bewegungen keine spontanen Reaktionen auf gesellschaftlichen Wandel sind, sondern das Ergebnis strategisch geplanter Kampagnen. Diese richten sich gezielt gegen die Gleichstellung der Geschlechter, die Rechte von queeren Menschen und eine liberale Sexualpolitik. Dabei bedienen sich die Akteure – von rechtskonservativen Parteien bis hin zu religiös-fundamentalistischen Gruppierungen – grenzüberschreitender Narrative, Netzwerke und Medien.
In sieben Teilprojekten wollen die Forscherinnen unter anderem Männerrechts-Bewegungen in Deutschland und der Türkei, Drag Panic-Diskurse in Österreich, antifeministische Rhetorik islamistischer Influencerinnen sowie historische Entwicklungen seit dem frühen 20. Jahrhundert in Osteuropa analysieren. Getragen wird GenDem von einem breiten Forschungsverbund.
„Gender ist längst ein globaler Kampfbegriff geworden – und Antifeminismus eine Strategie, mit der autoritäre Akteure demokratische Aushandlungsprozesse zurückdrängen wollen“, erklärt Projektleiterin Prof. Dr. Annette Henninger. „GenDem will diese Dynamiken sichtbar machen – nicht nur wissenschaftlich, sondern auch im öffentlichen Diskurs.“
Zu diesem Zweck sind enge Kooperationen mit dem Demokratiezentrum Hessen und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung geplant.