Mikroben im Fokus von Biologen: Warum Naturschutz neu gedacht werden muss

Prof. Dr. Robert Junker und Prof. Dr. Nina Farwig vom Fachbereich Biologie der Philipps-Universität Marburg wollen den Blick für die Mikroorganismen in unserer Umwelt schärfen und haben dazu einen Meinungsbeitrag publiziert. Foto Anna E-Vojtko
19.09.2025 (wm/red) Forscher der Uni Marburg betrachten Mikroorganismen als unsichtbare Motoren des Lebens und als neue Dimension im Naturschutz. Mikroorganismen regulieren Nährstoffkreisläufe, sichern die Fruchtbarkeit von Böden, beeinflussen das Klima und sind zentral für die Gesundheit von Mensch und Tier.
Dennoch finden sie bislang keine Beachtung in Naturschutzkonzepten, konstatieren Prof. Dr. Robert Junker und Prof. Dr. Nina Farwig vom Fachbereich Biologie der Philipps-Universität Marburg. Sie fordern deshalb, Mikroorganismen systematisch in den Naturschutz einzubeziehen und ein neues Forschungsfeld des „mikrobiellen Naturschutzes“ zu etablieren. Nur so könne die Basis für funktionierende Ökosysteme, nachhaltige Landwirtschaft und globale Gesundheit langfristig gesichert werden.
„Ob Bodenbakterien, die Nährstoffe mobilisieren, Pilze, die Pflanzen beim Wachstum unterstützen, oder Mikroben, die anderen Organismen helfen, sich an den globalen Wandel anzupassen – überall sichern mikrobielle Gemeinschaften das Überleben größerer Organismen. Am besten verstehen wir das am menschlichen Darmmikrobiom: Ohne diese Vielfalt von Mikroorganismen könnten wir Nährstoffe kaum aufnehmen und unsere Gesundheit wäre massiv gefährdet. Genau diese enge Abhängigkeit gilt auch für ganze Ökosysteme“, betont Junker.
Mikrobielle Vielfalt leidet an Folgen von Umweltzerstörung
Die Forscher verweisen in ihrem Meinungsbeitrag in der Fachzeitschrift PNAS auf den wachsenden Befund, dass die mikrobielle Vielfalt massiv unter den Folgen von Umweltzerstörung und Klimawandel leidet. Während traditionelle Schutzstrategien bislang vor allem Tiere und Pflanzen in den Blick nehmen, zeigt sich, dass Mikroorganismen gleichermaßen bedroht sind – mit gravierenden Folgen für zentrale Ökosystemleistungen. So können etwa die Abbauprozesse klimaschädlicher Gase oder die Stabilität landwirtschaftlicher Böden nur dann erhalten bleiben, wenn auch mikrobielle Gemeinschaften geschützt werden.
Fahrplan für Integration von Mikroben in Schutzkonzept
Für die Zukunft schlagen Junker und Farwig einen klaren Fahrplan vor: Mikroben müssten systematisch in bestehende Schutzkonzepte integriert, rechtliche und politische Rahmenbedingungen angepasst und die öffentliche Wahrnehmung für ihre Bedeutung geschärft werden. Mit dem Profilbereich „Mikrobiologie, Biodiversität, Klima“ und dem Exzellenzcluster M4C sieht sich die Philipps-Universität Marburg als idealen Standort, um diesen innovativen Ansatz voranzutreiben. Ziel sei es, Naturschutz auf die nächste Ebene zu heben – hin zu einem umfassenden Schutz ganzer Ökosysteme, in denen Mikroben eine Schlüsselrolle spielen.
Originalpublikation
R Junker, N Farwig, Microbial conservation is essential for sustaining ecosystem functions and services (2025) PNAS, DOI: 10.1073/pnas.2503013122