OB Spies bringt Haushaltsentwurf 2026 ein: Marburg miteinander – in der Krise gemeinsam Zukunft gestalten
28.09.2025 Ohne Rotstift und deutliche Kürzungen bei Personal, Investitionen und Förderbereichen im kommenden Haushaltsjahr kann für die Universitätsstadt Marburg ein Haushalt nicht zustande kommen. Nachstehend die Pressemitteilung der Stadt zur Einbringung des Haushaltentwurfs 2026 durch Oberbürgermeister und Kämmerer Dr. Thomas Spies. (pm/red)
Soziale Hilfen, Service, Kinderbetreuung, Gewaltschutz, Kultur und vieles mehr: Die Universitätsstadt Marburg kann ihren Bürger*innen einen hohen Standard bieten. Allerdings wirken sich die finanzschwachen Zeiten der Kommunen auch auf Marburg aus. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies stellt einen Haushaltsentwurf für 2026 vor, der Sparmaßnahmen aufzeigt – und appelliert an alle Fraktionen, weiterhin Marburg geeint und gemeinsam durch die Krise zu tragen.
„Die finanzielle Situation der Kommunen in Deutschland ist desolat“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Einbringung des Haushaltsplans für 2026. Kostensteigerungen von 2020 bis 2026 um rund 21,5 Prozent – davon die Hälfte allein im vergangenen Jahr. „Das kann keine Kommune wegstecken.“ In Marburg sind die Erträge immer noch besser als in anderen Kommunen. Dennoch: Die Stadt steuere auf ein strukturelles Defizit von 55 Mio. Euro ab 2027 zu, wenn nun nicht gegengesteuert werde. „Dann werden Haushalte nur mit drastischen Auflagen genehmigt, wir verlieren die Kontrolle. Es gehen Strukturen kaputt, die wir erhalten wollen“, so der Kämmerer.
Schöne Jahre seien das nicht – aber nun müssten alle gemeinsam weiter entschlossen handeln und den begonnen Prozess der Konsolidierung fortsetzen. Interfraktionell arbeite die Politik hier ernsthaft und konstruktiv mit – trotz anstehendem Wahlkampf. Dafür bedankte Spies sich, ebenso wie bei der Verwaltung und den vielen Mitarbeiter*innen, die in ihren Aufgabenbereichen engagiert nach Lösungen und Einsparpotentialen suchen.
Einsparungen gegenüber 2025 von 12,6 Mio. Euro
Der Haushaltsentwurf umfasst Einnahmen von 344,6 Mio. Euro und Ausgaben von 354 Mio. Euro – gegenüber 366 Mio. Euro im Haushalt 2025 eine Verbesserung um 12,6 Mio. Euro. „Unsere Konsolidierungsstrategie fängt an zu wirken“, so Spies. Dennoch bleibt ein Minus von 9,4 Mio. Euro. Größte Einnahmequellen sind Gewerbe- und Einkommensteuer. Ein zusätzlicher Einmaleffekt sind um 68 Mio. Euro erhöhte Schlüsselzuweisungen wegen des Einbruchs der Gewerbesteuer 2024. Die Ausgaben der Stadt sind zu 29 Prozent für Personal (103 Mio. Euro).
Darin enthalten sind vor allem die deutlichen Tarifsteigerungen. „30 Prozent unserer Personalkosten sind für Bildung und Betreuung“, verdeutlichte Spies. In den Personalkosten enthalten sind auch die Beschäftigten des DBM, die seit 2024 von der Stadt direkt bezahlt werden – zuvor wurden die rund 5,5 Mio. Euro über die Budgets von Stadtgrün und Friedhöfe gezahlt. Entsprechend sind die Sach- und Dienstleistungen bei Stadtgrün und Friedhöfe aber auch gesunken.
Der Stellenplan 2025 umfasst 1444,4 Vollzeitäquivalente. Werden neue Aufgaben festgelegt, muss es dafür auch Personal geben. So hat die Stadt viele Aufgaben nicht – wie andere Kommunen – in Gesellschaften ausgelagert. Darüber hinaus beschäftigt die Stadt etwa selbst Reinigungspersonal. In Stadtbüro und Ausländerbehörde wurden zehn neue Stellen geschaffen – damit Bürger*innen nicht monatelang auf Termine warten müssen. Stellen für Grundschul- und Kita-Betreuung, für Digitalisierung der Schulen, im Hochbau und in der Jugendhilfe, wo es mehr Fälle gibt.
Mit 75,5 Mio Euro werden 21 Prozent der Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen veranschlagt. Hier ist bereits eine Senkung um 4,6 Mio. Euro und damit um 6,2 Prozent gelungen. Insgesamt schließt der Haushalt dennoch mit einem Minus von rund 9,4 Mio Euro. Es ist allerdings bereits gelungen, die Erträge im Vergleich zu 2025 wieder zu steigern und zugleich 12,6 Mio. Euro weniger auszugeben.
Offene Aufgabenkritik in den Fachdiensten der Stadtverwaltung
Wie gelingt es, so schnell 12,6 Mio. Euro weniger auszugeben? Ein erster Schritt zur Einsparung war, dass die Produktbudgets auf die Ausgaben von 2024 begrenzt werden und an manchen Stellen weitere 2,5 Prozent gespart werden, neue Stellen kommen nicht in den Stellenplan. Das bedeutet, dass jede Aufgabe und jede Art der Ausführung überprüft und hinterfragt werden muss. Ist die Aufgabe noch nötig? Geht es effizienter?
„Die Unterscheidung zwischen Pflichtaufgabe und freiwilliger Leistung hilft nur bedingt weiter“, so Spies. „Alles, was wir tun, ist kommunale Aufgabe.“ 85 Prozent der Ausgaben sind für die sogenannten Pflichtaufgaben. Aber auch die freiwilligen Aufgaben seien Aufgaben – kein Firlefanz. Dazu gehören Kultur, Jugendförderung, Prävention in der Jugendarbeit und im Ordnungsamt, Maßnahmen für eine lebendige Innenstadt und 6 Mio. Euro freiwillige Leistungen im Haushalt 2025 für eine gute ÖPNV-Anbindung.
Alles komme aktuell auf den Prüfstand – um die Pflicht zu erfüllen und freiwillige Errungenschaften so gut wie möglich zu erhalten. „Es gibt keine Pflichtaufgabe, bei der nicht auch eine Konsolidierung möglich ist“, erklärte Spies.
Aber wie läuft das nun mit der Aufgabenkritik? Ein Beispiel ist die Information von Erstsemestern über richtige Abfallentsorgung in Marburg. Statt gedruckter Broschüre und Gummibärchen gehe das zukünftig sicher auch mit QR-Code und Website. Kostenpunkt: 2.000 Euro. Außerdem: auf der MemoLife bezahlt die Stadt mit 100.000 Euro ein zusätzliches Zelt, damit sich lokale Anbieter*innen und potentielle Kund*innen vernetzen können. Das Zelt wurde gestrichen, eine Unterstützung kann kostengünstiger erfolgen.
Und mit den Stellen? Werden Stellen frei, dann wird geprüft, ob sie wieder besetzt wird – ansonsten kommt die Stelle in einen Stellenpool für unabweisbare Bedarf. „Wir verzichten damit auf eine Ausweitung des Stellenplans und können sogar Stellen abbauen“, so Spies. Im Stellenplan 2026 werden bereits 20 Stellen abgebaut, die Personalkosten sollen um mindestens 600.000 Euro sinken. Dazu werden unter anderem Grünflächen in größeren Abständen gepflegt und der Gebäudebestand verkleinert.
Einnahmen sozial verträglich verbessern
„Auch in der Krise muss gelten: Marburg miteinander!“, betonte Spies in seiner Haushaltsrede. Einnahmen müssten verbessert werden – aber nicht auf dem Rücken der Schwächeren. Die Stadtverwaltung wird dazu dem Parlament eine Reihe von Vorschlägen vorlegen, darunter eine Anpassung der Hundesteuer, der Grundsteuer, der Spielapparatesteuer und der Zweitwohnsitzsteuer. Auch Anpassungen bei Betreuungsgebühren und für den Eintritt ins AquaMar könnten beschlossen werden. Insgesamt könnten 7 bis 9 Mio. Euro mehr eingenommen werden.
Investitionen mit klarer Priorität
Im Finanzhaushalt sind aktuell Investitionen von rund 75 Mio. Euro vorgesehen. Die Fraktionen haben sich aber auf Spies Vorschlag hin gemeinsam darauf geeinigt, die Investitionen auf 35 Mio. Euro zu begrenzen und dafür klare Prioritätenregeln aufzustellen. Zur zweiten Lesung des Haushalts wird die Stadt dafür also erhebliche Änderungen vorlegen. Die Fachdienste arbeiten zudem an langfristigen Prioritätenlisten, um – ähnlich wie beim Bildungsbauprogramm BiBaP – Bauvorhaben nach ihrer Dringlichkeit zu ordnen und planbare Versprechen an die Bürger*innen geben zu können. „Denn das Ergebnis unhaltbarer Versprechungen ist Enttäuschung, Empörung, Vertrauensverlust und Abwendung von der Politik“, so Spies.
Wichtige Standards gemeinsam erhalten
„Marburg Miteinander heißt: wir kümmern uns um die Menschen mit wenig Geld und ermöglichen Teilhabe“, so der Kämmerer. Sozialer Zusammenhalt bleibe daher ein Schwerpunkt der Ausgaben, insbesondere der Bereich der Prävention. Er betonte den Erhalt zentraler Standards: Prävention, soziale Hilfen, Gewaltschutz, Klima- und Ehrenamtsförderung. Auch Kultur und Innenstadtentwicklung bleiben zentrale Infrastruktur als Standortfaktor, wenn auch mit reduzierten Haushaltsmitteln Es sollten keine wertvollen Strukturen zerschlagen werden – sondern Potentiale gehoben, überprüft, ob die Mittel effektiver eingesetzt werden können. „Gewaltschutz für Frauen bei häuslicher Gewalt ist das Letzte, wo ich sparen möchte“, machte Spies klar.
Zum Abschluss warb Spies für Ehrlichkeit, Pragmatismus und Solidarität: „Wir müssen vieles auf den Prüfstand stellen, was sich andere Kommunen nie leisten konnten.“ Er zeigte sich zuversichtlich, dass dieses Miteinander und Verantwortungsbewusstsein in der interfraktionellen Arbeitsgruppe zur Konsolidierung weiter gelebt werde, gemeinsam mit allen Dezernaten und Fachdiensten in der Verwaltung und in enger Zusammenarbeit mit Trägern. Spies schloss seine Rede mit den Worten: „Marburg ist und bleibt das soziale Herz Deutschlands. Dafür brauchen wir Solidarität und Beteiligung derjenigen, die beitragen können – damit die, die es nicht können, nicht zurückgelassen werden.