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Vom drohenden Untergang des Botanischen Gartens und Schweigen der Präsidentin

Diese Gewächshäuser des Botanischen Gartens auf den Lahnbergen, dazu der vorgelagerte Freilandbereich mit der Teichanlage und weitere Gebäudeanlagen sind jetzt unter Denkmalschutz gestellt worden. Eine Gewähr und Sicherheit für zukünftigen Betrieb und Nutzung bedeutet das nach Lage der Dinge derzeit allerdings nicht. Foto Hartwig Bambey

Marburg 21.11.2012 (yb) Manchmal ist ein Blick zurück hilfreich zur Orientierung: Botanischer Garten bleibt offen für Besucher. Die Schließung  droht(e). Die Universitätsleitung sah sich veranlasst eine Schliessung für Besucher zu verkünden, weil das Geld aus Wiesbaden dazu fehle. An dieser Stelle kann die Universitätsstadt Marburg eine Lücke schließen. Eine attraktive Einrichtung auf den Lahnbergen für die Bevölkerung bleibt damit erhalten, zunächst jedenfalls. Dafür sind 20.000 Euro kein sonderlich hoher Preis. So wirkt der Sparkurs des Landes. Das genau war die erste Meldung überhaupt in das Marburger. zu der in ihrem Bestand gefährdeten Institution Botanischer Garten auf den Lahnbergen am 18. Juni 2010. An dessen Gefährdung hat sich nichts geändert. Anders ist inzwischen allerdings der Stand der Dinge. Die Universitätsleitung versucht das Thema ‚Rückbau‘ des Botanischen Gartens unter der Decke zu halten und verhandelt gleichzeitig mit dem Wissenschaftsministerium. Eine Anfrage der Redaktion bei der Universitätspräsidentin am gestrigen Tag wegen eines Gespräches über den Stand des Verfahrens und insbesondere zur Position von Unipräsidentin Krause wurde von ihr abschlägig beschieden.

Solche Verweigerung gegenüber der hochgradig interessierten Öffentlichkeit macht es um so wichtiger vorliegende Informationen öffentlich zugänglich zu machen. Nicht alleine die Bediensteten mit ihren Sorgen um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze haben diesen Anspruch. Für den rührigen und erfolgreichen ‚Freundeskreis Botanischer Garten‘ hat sich dessen Vorsitzende Elisabeth Bohl unmißverständlich artikuliert. Ob Denkmalbeirat, Mandatsträger der Stadt Marburg, Besucher oder die breite Öffentlichkeit überhaupt, im Zuge von Recherchen und Hintergrundgesprächen von das Marburger. offenbarte sich viel Besorgnis um die Zukunft. Zugleich zeigte sich, dass ordentliche und grundlegende Informationen fehlen. Dem kann und muss entgegen gewirkt werden. Deswegen veröffentlichen wir einige wichtige Dokumente und Unterlagen, teils vollständig und teilweise in Ausschnitten. Zu finden sind diese Materialien (sie werden in dieser Woche weiter ergänzt) in der Menüleiste, wo dafür die Rubrik Dossier Botanischer Garten‚ angelegt worden ist.

 

Als erstes und wichtigtes Dokument ist ein Gutachten über den Botanischen Garten veröffentlicht. Als externer Gutachter hat Prof. Dr. Thomas Stützel von der Ruhr Universität Bochum im Auftrag von Universitätspräsidentin Krause ein ausführliches Gutachten erarbeitet und vorgelegt. Wo, wenn nicht in einem solchen unabhängigen Gutachten eines externen Wissenschaftlers mit Überblick, können sich sachlichere, profundere und – wen man so will objektivere – Fakten und Hinweise finden lassen. Aus dieser Betrachtung heraus gehören die Inhalte in die Öffentlichkeit. Der Botanische Garten ist ein öffentliches Gut weit über seine Merkmale und Bedeutung als universitäre Einrichtung hinaus.

Zu diesem Gutachtern hatte die Redaktion im Sommer 2012 wegen Informationen darüber und Zugänglichkeit bei der Präsidentin nachgefragt.

Es kam eine Absage, obwohl bekannt war, dass anderen Journalisten das Gutachten bereits vorlag.

Auch eine nochmalige spätere Anfrage hat Prof. Krause abschlägig beschieden mit der Begründung dies sei nicht öffentlich.

—>Jetzt ist es öffentlich zugänglich gemacht.

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Schwerwiegende grundsätzliche Bedenken des Gutachters

So stellte sich für die Redaktion die Frage, ob die Verweigerung offizieller Zugänglichmachung vielleicht mit dem Inhalt, mit den Aussagen des Gutachtens, zusammenhängt. Nach gründlicher Lektüre ist mitzuteilen, dass Gutachter Prof. Stützel schwerwiegende Bedenken zu den angedachten Maßnahmen der Universitätsleitung artikuliert hat. Mehr noch, der Gutachter weist darauf hin und warnt davor, dass in Marburg etwas begonnen würde, was woanders Schule machen könnte. „Der drohende Untergang des des Botanischen Gartens der Universität Marburg droht nicht nur ein singuläres Ereignis zu sein“ gibt Stützel zu bedenken und führt weiter aus: „Wenn es in Marburg gelingt, durch diese Maßnahmen die Gewichte der leistungsorientierten Mittelvergabe zu verschieben, werden andere dieselben Maßnahmen ergreifen um die Gewichte zurückzuverlagern. Am Ende könnte die landes- oder sogar bundesweite Vernichtung einer in ihrer Bedeutung wieder wachsenden Forschungsinfrastruktur stehen.

Das sind klare Worte und Aussagen gleich am Anfang der sieben Seiten langen profunden Expertise. Alleine schon diese Aussagen können bereits einen wichtigen Grund für die Weigerung von Präsidentin Krause darstellen das Gutachten öffentlich zu machen. Der Botanische Garten Marburg gilt als viertgrößter in Deutschland und steht nicht alleine da.

Die heutige Hochschulfinanzierung basiert, darauf verweist der Gutachter, auf Prinzipien von Konkurrenz. Dies gilt zwischen den Ländern und zwischen allen Universitäten (Exzellenzförderung) und gilt dazu auch innerhalb einer jeden Hochschule. In Marburg droht womöglich mithin ein Präzedenzfall. Das kommt als warnender Hinweis aus Bochum.

Konzept der Universität Marburg für das Wissenschaftsministerium

Im September 2011 ist zwischen der Hesssischen Landesregierung und der Philipps-Universität vereinbart worden, dass seitens der Universität ein Konzept entwickelt und vorgelegt wird. Damit sollen Entscheidungsgrundlagen für den Botanischen Garten auf den Lahnbergen als „Schatzkammer der Pflanzenwelt“ geschaffen werden. In dem Konzept sollen Maßnahmen zur Umstrukturierung vor dem Hintergrund gewollter Kosteneinsparungen entwickelt werden. Folgende Zielsetzungen finden sich in dem Konzept, das der Redaktion vorliegt, formuliert:

Der Botanische Garten soll die sinnlichen Erfahrungsmöglichkewiten der Pflanzenwelt in der freien Natur mit Bildungsangeboten für Schüler und Erwachsene zur regionalen und globalen Biodiversität und deren Schutz verbinden. Die Angebote der Einrichtung sollen auf für die Öffentlichkeit und das Bildungswesen besonders attraktive Bereiche fokussiert werden. Der zielgrupppengerechte Ansatz für die Vermitlung von Biodiversität und Artenschutz, wie er heute schon im Botanischen Garten verwirklicht wird, soll auch in Zukunft weitergeführt werden.

Am Anfang des achtseitigen Konzepts der Philipps-Universität finden sich vorstehende zentrale Aussagen, in denen zugleich Hinweise auf längst Verwirklichtes und Leistungsmerkmale enthalten sind. Zur Beurteilung und Einordnung dieses Konzepts, welches dem Wissenschaftsministerium als Entscheidungsgrundlage dienen soll, ist es wichtig die danach genannten Zahlenvorgaben zu kennen. Es sollen dazu „Teile des Pflanzenbestands aufgelöst beziehungsweise planmäßig abgegeben“ werden. Zentrale Vorgabe war, dass „ab 2017 der derzeit vom Land dauerhaft bereits gestellte Sonderzuschuss von 620.000 Euro ausreichen müsse, um den vom Land zu tragenden Zusatzbedarf vollständig abzudecken. Zum damaligen Zeitpunkt betrug dieser Zusatzbedarf ca.1,9 Millionen Euro. Es sind folglich ca. zwei Drittel der Kosten einzusparen.

Kostenreduzierung für das Land Hessen auf 620.000 Euro jährlich

Damit sind die Kernaussagen und Vorgaben für das Handeln der Universitätsleitung zum Botanischen Garten umschrieben und hiermit auch öffentlich nachlesbar. Mit dem Land Hessen als derzeitigen alleinigen Träger des Gartens gibt es dato also eine Zielvereinbarung hinsichtlich des dauerhaften zukünftigen Zuschussbedarfes. Dieser soll dann nur noch 620.000 Euro betragen, gleichbedeutuend einer Kostenreduktion für das Land um rund zwei Drittel der bisherigen Kosten.

Die Redaktion veröffentlicht im ‚Dossier Botanischer Garten‘ zunächst drei zentrale Seiten dieses Konzepts. Darin finden sich die Eingangsüberlegungen auf Seite 1 und die Zahlenszenarien / Berechnungen für die beiden Varianten A und B.

In zusammenfassender Betrachtung ist mitzuteilen, dass das dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst von der Uni Marburg vorgelegte Konzept zwei unterschiedliche Varianten beschreibt und auch in Zahlen berechnet hat.
Die kleinere, mit sehr weitgehenden Einschnitten verbundene, Variante A würde demnach Kosten / einen Zuschussbedarf von jährlich 620.000 Euro bedeuten.
Die größeren Betrieb gestattende, mit geringeren Einschnitten verbundene, Variante B würde demnach Kosten / einen Zuschussbedarf von jährlich 1.108.000 Euro bedeuten.
Neben unterschiedlich weit gehendem Personalabbau in den Varianten A und B liegt ein zentraler Unterschied in der Erhaltung und dem weiteren Betrieb der Gewächshäuser. Dies eröffnet alleine die Variante B.
Weiterhin ist festzuhalten, und für alle LeserInnen überprüfbar, dass das von der Präsidentin selbst veranlasste Gutachten klare Argumente, Einwendungen und Vorbehalte gegen Variante A unmißverständlich zum Ausdruck bringt.

Hinzu kommt der inzwischen – unabhängig von der Universität und vom Wissenschaftsinisterium – stattgefunde Prozess zum Denkmalschutz für den Botanischen Garten. Wie auf mehrfache Nachfrage der Redaktion vom Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden ausdrücklich bestätigt wurde, ist diesbezüglich eine rechtliche Wirksamkeit bereits gegeben.

Das hat signifikante Auswirkungen für das ‚Kulturdenkmal Botanischer Garten‘. Die Variante A des Konzepts der Philipps-Universität, die ohne Kenntnis und der Gegebenheit der denkmalrechtlichen Klassifizierung zustande gekommen ist, kann gar nicht mehr ohne Kollisionen und weitergehende Konflikte Gegenstand ernsthafter Erwägungen und Abwägungen bleiben.

Variante A des Konzepts der Universität inzwischen hinfällig

Wie geschildert, hat bereits Gutachter Prof. Stützel der Variante A erhebliche Bedenken entgegen gestellt. Wird dessen Gutachten ernst genommen, kann diese nicht mehr seriös begründet werden und weiter verfolgt werden.
Die gleiche Konsequenz ergibt sich aus dem kulturhistorischen Wert des Botanischen Gartens. Auch dazu haben sich maßgeblich nicht alleine Marburger Akteure artikuliert. Es war der Prädident des Landesamts für Denkmalschutz, Prof. Weiß persönlich, der sich für diese Klassifizierung eingesetzt hat.

Somit ist festzuhalten, dass inzwischen eine veränderte Lage eingetreten ist. Das Konzept der Uni Marburg ist in wesentlichen Teilen hinfällig geworden. Genau dazu wollte die Redaktion von das Marburger. die Universitätspräsidentin befragen. Prof. Krause lehnt dies ab, will die Chance sich und ihre Überlegungen selbst einbringen zu können, nicht ergreifen. Inhaltliche Gründe dafür hat sie nicht benannt. Unipräsidentin Krause „den gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht ideal für ein Pressegespräch“, wurde dazu mitgeteilt.

Präsidentin schweigt anhaltend

Dieses Schweigen gegenüber der Öffentlichkeit kann befremden. Zugleich ist bekannt, dass im Ministerium die Entscheidung demnächst getroffen werden kann oder soll. Welche Gespräche und und Positionen Prof. Krause führt und vertritt, verschweigt sie. Zugleich ist ihr das überragende öffentliche Interesse bestens bekannt.
Zu alle dem hat sie am vergangenen Samstag eine Forschungsallianz mit der Gießener Universität unterzeichnet. Darüber ist zu lesen: „Zudem sind sind Biodiversität und Klimaforschung, Materialwissenschaften sowie Geschichts- und Sozialwissenschaften gemeinsame Entwicklungsschwerpunkte.“
Ein inhaltlicher Schwerpunkt in der Forschung soll also genau der Bereich werden, für den der Botanische Garten in exzellenter Weise steht und gebraucht wird – Biodiversität und Artenschutz.

So kann oder muss das Schweigen der Präsidentin als Verweigerung betrachtet werden. Die Gründe und Hintergründe dafür hat sie zu vertreten. Den Ergebnissen ihres (Ver-)Handelns blickt ganz Marburg und die Region entgegen. Diese Ergebnisse werden sich nicht mit Schweigen zudecken lassen.

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