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Linke fordert Sozialbericht zur Armut und Stellenbesetzung Sozialplaner

Sitzung des Stadtparlament am 24. September 2010

Marburg 3.10.2010 (pm/red) Bürgerarbeit als „neues Modell“ der Förderung oder Trittstein zu einem „Workfare-Staat“ der einen Zwang zur Arbeit um jeden Preis, sprich sei es noch so geringer Lohn, umsetzt, ist in der öffentlichen Diskussion, auch im Landkreis. Derweil wurde in Berlin eine Erhöhung der Leistungen an Hartz-IV-Empfänger von 5,00 Euro beschlossen.

Mit der Lage von Arbeitslosen und Armen beschäftigen sich Anträge der Fraktion Marburger Linke im Stadtparlament. Man befürchtet eine diskrepante Entwicklung. Vieles in der Wirtschaft der Stadt bis zu den Gewerbesteuern prosperiert. Unten bei armen und erwerbslosen Menschen kommt davon nichts an. So lautet die Zusammenfassung der Einschätzung der Linken. So können sich die Linken in der Antwort auf ihre große Anfrage wesentlich bestätigt sehen. Dieses Thema der Septembersitzung der Marburger Stadtverordneten wird dokumentiert.

Dokumentation aus der Aussprache

Dazu wird die Rede der Stadtverordneten Halise Adsan unter Tagesordnungspunkt 15.1. „Große Anfrage der Fraktion Marburger Linke betr. Armut in Marburg“ leicht gekürzt wiedergegeben.

>Die Marburger Linke hat am 21. Mai 2009 und am 4. März 2010 Große Anfragen zur Armutsentwicklung in Marburg gestellt, die der Magistrat inzwischen beantwortet hat. …In der Regel werden solche Antworten nur zur Kenntnis genommen… Diesmal haben wir aus zwei Gründen Aussprache beantragt. Erstens wir halten das Thema für besonders wichtig.
Zweitens erscheint es uns sinnvoll, die Daten, die sich aus den Antworten des Magistrats ergeben und die wir selbst recherchiert haben, in ein Verhältnis zu setzen mit anderen Daten, die der Oberbürgermeister … gern zur Sprache bringt, nämlich den Wirtschaftsdaten. Hier ist oft die Rede von den guten Einnahmen aus der Gewerbesteuer, von der geringen Verschuldung und den steigenden Beschäftigtenzahlen. Der Magistrat hat seinen Haushaltsentwurf ja mit der Überschrift versehen: „Ausgezeichnete Standards bewahren“.
Die Sozialdaten in Marburg entwickeln sich nicht in gleicher Weise wie die Wirtschaftsdaten. Beide, Wirtschaftsdaten und Sozialdaten, gehen auseinander, es öffnet sich eine Schere.
Hierzu einige Zahlen:
Im Jahr 2000 gab es 2311 Arbeitslose in Marburg, 2009 waren es 2282. Die Zahlen blieben nahezu konstant. Inzwischen hat sich die Berechnungsgrundlage geändert. Arbeitslose über 58 Jahre, kranke Arbeitslose,  Ein-Euro-Joberinnen und –Jobber, Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Aktivierungsmaßnahmen werden nicht mehr mitgerechnet. Nimmt man sie hinzu, dürfte die reale Zahl der Arbeitslosen mittlerweile ein Drittel höher liegen als im Jahr 2000.
Der Oberbürgermeister weist gern darauf hin, dass die Zahl der sozialversicherungs-pflichtigen Arbeitsverhältnisse in Marburg zwischen 2000 und 2009 stark zugenommen hat, von 34500 auf fast 38000. Das ist erfreulich. 
Aber… Nicht nur die Zahl der Arbeitsplätze hat zugenommen, auch die der Arbeitslosen. Der Zuwachs der Arbeitsstellen ist merkwürdigerweise an den Menschen, die ihren Arbeitsplatz in Marburg selbst haben, vorübergegangen. Im Jahr 2000 waren das 20.712, neun Jahre später nur noch 20.547.
…Vielleicht werden die zusätzlichen Arbeitsplätze von Menschen eingenommen, die nach Marburg einpendeln, und dafür pendeln mehr Marburger aus. Im Jahr 2000 arbeiteten 6400 von ihnen außerhalb von Marburg, im letzten Jahr waren es gerade mal 200 mehr. Damit stieg seit dem Jahr 2000 die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Marburgerinnen und Marburger um genau 96.

…Sinnvoller ist das Jahr 2005 mit dem Jahr 2009 zu vergleichen, denn seit 2005 haben wir Hartz IV und neue Berechnungsgrundlagen.
Auf den ersten Blick ist die Zahl der Hartz IV-Bezieherinnen und Bezieher zurückgegangen: von 6172 im Jahr 2006 auf 5747 Menschen Ende 2009. Das sieht gut aus, weil es für 2005 keine Zahlen für die Kommunen gab. In Marburg scheinen sie aber erheblich unter denen von 2006 gelegen zu haben, etwa auf dem Niveau von 2009. Das lässt sich aus den Zahlen für den Kreis Marburg-Biedenkopf schließen.
2008 aber hat es gesetzliche Verbesserungen beim Kinderzuschlag gegeben. Bundesweit gab es Ende 2009 über 500.000 Menschen, die ohne den Kinderzuschlag in Hartz IV abrutschen würden. Umgerechnet auf Marburg, wären das etwa 500 Personen, die man deshalb zu den Menschen im Hartz-IV-Bezug dazu addieren müsste.

Auch der Wohngeldbezug wurde letztes Jahr erheblich verbessert. Vom Bundesbauministerium wurde vorausgesagt, dass dann weniger Männer und Frauen auf Arbeitslosengeld II angewiesen sein würden. Dieser Rückgang ist in Marburg erstaunlich gering, obwohl sich die Zahl der Anträge auf Wohngeld letztes Jahr verdoppelt hat. Ohne diese Leistungen hätten wir heute wahrscheinlich 1000 Hartz IV-Empfänger mehr. Es handelt um eine Zunahme der Armut.

Zum Schluss möchte ich etwas zur Mindestsicherungsquote sagen. Mit ihr werden die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Sozialhilfe, Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und immer noch Kriegsopferfürsorge erfasst.

Diese Quote betrug 2005: 8,5 Prozent, 2009 war sie auf 8,8 Prozent gestiegen. Nimmt man den Kinderzuschlag hinzu, ging die Quote von 8,7 auf 9,5 Prozent hinauf. Also ein Anstieg der offiziellen Armut.
Sowohl die guten Wirtschaftsdaten als auch die schlechten Sozialdaten sind nur zum geringeren Teil in Marburg hausgemacht. Dennoch müssen wir sie beide – und nicht nur die guten Wirtschaftsdaten – zur Kenntnis nehmen.

Der Magistrat hatte große Mühe, diese Daten zu ermitteln. Noch schwerer wird es sein, auf kommunaler Ebene dazu beizutragen, dass sich die Schere zwischen Wirtschafts- und Sozialdaten schließt…Ein allererster Schritt könnte die Einstellung eines Sozialplaners sein.

Um Armut bekämpfen zu können, ist es notwendig zu erforschen, in welchem Ausmaß die verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Stadtteile davon betroffen sind, und worin die Ursachen bestehen. Die Ansätze, die es in dieser Hinsicht in Marburg gab, sind leider 2005, im Gegensatz zu Städten wie Hanau oder Gießen, nicht mehr weiterverfolgt worden.

Die Marburger Linke hat deshalb die Einrichtung einer Sozialplanungsstelle beantragt. Die Stadtverordnetenversammlung hat die dafür nötigen Mittel in den Haushalt 2010/2011 eingestellt. Wir fordern den Magistrat auf, die Stelle sofort auszuschreiben.<

Die schriftliche Antwort des Magistrats auf die große Anfrage mit den Zahlen findet sich im Portal der Stadt Marburg.

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