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9. November in Marburg – Besinnung im Garten des Gedenkens

Gedenken Novemberpogrom MarburgMarburg 11.11.2012 (pm/red) Die würdevolle und viele Denkanstöße vermittelnde Besinnungsfeier am 9. November in Marburg war mit dem Liedvortrag ‚Hallelujah‘ ausgeklungen, als Oberbürgermeister Egon Vaupel noch einmal an das Mikrofon trat. „Ich danke ihnen herzlich, dass sie die Ehrenbürgerschaft der Stadt Marburg angenommen haben“ sagte der Oberbürgermeister zu Amnon Orbach, dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Marburg. Es blieb ein weiterer Moment der Stille im ‚Garten des Gedenkens‘ und Marburgs Stadtoberhaupt schüttelte in freundschaftlicher Weise die Hände von Amnon Orbach.

9.November 2014 MarburgDie Erinnerung wach zu halten, dem Vergessen entgegen zu treten und Zeichen zu setzen gegen Antisemitismus – etwa 200 Menschen waren zusammen gekommen an dem Ort in der Universitätsstraße, wo bis zum 9. November 1938 die Marburger Synagoge gestanden hat.

„Hört zu, sie plündern jüdische Geschäfte, sie werfen Scheiben mit Steinen ein, sie schlagen Juden. Tausende werden in Konzentrationslager abtransportiert. Sie töten Juden, sie hängen sie auf, jüdisches Blut fließt in den Straßen deutscher Städte. Ich frage euch: Wie kann man so etwas aus unserem Gedächtnis ausradieren?“

Diese Worte einer Zeitzeugin der Pogromnacht – der Nacht zum 9. November 1938, in der auch die alte Marburger Synagoge in der Universitätsstraße niedergebrannt wurde – sind in einem der Glaskästen im Marburger ‚Garten des Gedenkens‘ zu lesen, der sich heute an diesem Ort befindet. In diesem Jahr sind es persönliche Aussagen von Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde und Worte von Persönlichkeiten, die in den im Rasen eingelassenen ‚Zettelkästen‘ stehen – damit das, was in der Vergangenheit geschehen ist, im Gedächtnis bleibt und eben nicht ausradiert wird.

„Für mich ist es ein Ort der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft“, erklärte Egon Vaupel in seiner Rede. Sich – mitten im heutigen Leben – an das Geschehene zu erinnern, erlaube eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust, so der Oberbürgermeister. Was geschehen ist, das sei bekannt, aber dennoch müsse man es immer wieder in Erinnerung rufen, auch wenn Erinnern anstrengend und manchmal schmerzhaft sei. Nur wenn man sich damit auseinandersetze, sei man auch bereit zu lernen.

Mit dem Datum des 9. Novembers sei im Hinblick auf den Mauerfall am 9. November 1989 auch Freude verbunden – Freude angesichts von Mut und Zivilcourage, von erfolgreichem Widerstand. Gleichzeitig erlebe man aber vielerorts die bedrückende Aktualität von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Verfolgung.

„Antisemitismus ist wieder angekommen in unserer Zeit“, stellte  Klaus Dorn von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit fest. Was heute passiere, das dürfte uns nicht gleichgültig sein. Zum Krieg in Gaza könne man unterschiedlicher Meinung sein – sogar einseitig oder parteiisch, aber das, was war wirklich wahr sei, könne man hier nicht entscheiden. Dorn sprach auch von einem „Krieg der Medien“, auch wenn Gaza inzwischen schon wieder „out“ sei in der Berichterstattung.

9.November 2014 MarburgMan könne „die Juden“ ebenso wenig für die Handlungen der Regierungskoalition in Israel verantwortlich machen wie „die Deutschen“ für das Handeln der Bundeswehr am Hindukusch oder einen Palästinenser irgendwo auf der Welt für die Raketen der Hamas. „Die Ereignisse werden verzweckt, um Hass zu schüren“, so Dorn. Er rief zur Solidarität mit dem Judentum auf – das die Wurzel des christlichen Glaubens sei. „Das sollten wir nie vergessen – gerade weil es offenbar Menschen gibt, die das nie begreifen.“

Monika Bunk, die zweite Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Marburg, zitierte ein Mitglied der Gemeinde, dessen Worte ebenfalls in einem der ‚Zettelkästen‘ zu finden sind: „Ich fühle mich wohl in Marburg, in meiner Jüdischen Gemeinde und meiner Stadt. Aber manchmal beschleicht mich so ein Gefühl und ich denke: Wie groß ist hier wohl die ’schweigende Mehrheit‘?“.

Nachdem in den vergangenen zwei Jahren zunächst Auszüge aus Gesprächen mit Zeitzeugen und dann Gedanken von Schülerinnen und Schülern der Elisabethschule, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, in den Kästen zu lesen waren, sollte nun vor allem ein aktueller Bezug hergestellt werden, erläuterte Bunk. Der ‚Garten des Gedenkens‘ sei ein jüdischer Ort in Marburg, „der in vielfacher Weise zum Dialog einlädt“ und der „Denkanstöße in fragmentarischer Weise“ gebe. In Marburg herrschen laut Monika Bunk beste Voraussetzungen. Dennoch dürfte man sich nicht auf Erreichtem ausruhen.

In der Universitätsstadt Marburg werde ein Miteinander der Religionen eindrucksvoll gelebt, lobte Oberbürgermeister Egon Vaupel. Er freue sich, dass es er eine so aktive jüdische Gemeinde gebe und er sprach seinen Dank für „das Erblühen des jüdischen Lebens in der Stadt“ aus.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und Ehrenbürger der Stadt Marburg Amnon Orbach sei „ein Glücksfall für uns alle“. Orbach sprach zwei Gebete – ‚El male rachamim – Gott voller Barmherzigkeit‘ und ‚Kaddisch Yatom – Kaddisch der Trauernden‘: „Fülle des himmlischen Friedens und Leben werde uns und ganz Jisrael zuteil, sprechet Amen“.

Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier von SchülerInnen der Alfred-Wegener-Schule Kirchhain mit den Liedvorträgen ‚The Rose‘ und ‚Hallelujah‘.

Ein Modell der am 9.November 1938 in Marburg niedergebrannten Synagoge steht im Eingangsbereich zum 'Garten des Gedenkens'

Modell der am 9. November 1938 in Marburg niedergebrannten Synagoge im Eingangsbereich zum ‚Garten des Gedenkens‘. Fotografien von Hartwig Bambey (c) 2014

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