BUND-Tipp: Osterfeuer mit Bedacht

13.03.2024 (pm/red) Am Osterwochenende wird das Frühjahr oft mit einem Osterfeuer begrüßt.  Wie das Brauchtumsfeuer tier- und umweltfreundlicher wird erklärt der hessische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen).

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Ideen, Vorstellungen und Wünsche für die Zukunft des Stadtteils Richtsberg

X0822_0507-Teilansicht-RichtsbergMarburg 29.02.2016 Gastbeitrag von Bernd Hannemann. Der Richtsberg, entstand aus der akuten Wohnungsnot der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre, er ist  Marburgs größter Stadtteil. Mit mehr als 9000 Bewohnern ist er als Wohnbezirk mit besonderem Entwicklungsbedarf ausgewiesen. Seinerzeit wurde der Richtsberg aufgrund mangelnder Infrastruktur auch als Schlafstadt bezeichnet. Die in der Vergangenheit notwendig gewordenen finanziellen Hilfen sollten nicht nur die baulichen und infrastrukturellen Unzulänglichkeiten aus den sechziger und siebziger Jahren beseitigen, sondern zusätzlich vornehmlich die Auswirkungen der Erwerbslosigkeit bekämpfen. So gesehen ist es plausibel, dass die dort lebenden Menschen nicht zu den wohlhabenden Bevölkerungsteilen zu zählen sind. Deshalb muss Vorsorge getroffen werden, Nachfolgeprojekte von „Soziale Stadt“ und damit verbundene finanzielle Mittel zur Beseitigung der Mängel auf allen politischen Ebenen (Stadt, Kreis, Land, Bund) zu erschließen, damit die bisherige Arbeit fortgesetzt und ausgebaut werden kann. Zur Senkung der Erwerbslosigkeit wäre es in diesem Zusammenhang wichtig die Ansiedlung kleiner Gewerbe im Stadtteil zeitnah anzustreben.
Ungeachtet der Errichtung eines ganzen Stadtteils ist seit Jahren die  Situation am Marburger Wohnungsmarkt eine Katastrophe. Vom  Zeitpunkt der vorfristigen Beendigung der Sozialbindung des Wohnraums, während der Kohl-Ära Ende der Achtziger, herrscht in unserer Stadt zunehmender Mangel an bezahlbarem, sozialverträglichem Wohnraum. Bei einer ständig ansteigenden Zahl von Studierenden haben  Stadt, Universitätsleitung und Studentenwerk es selbst nach Jahren nicht geschafft, den Marburger Wohnungsmarkt adäquat auf die heutige Situation  vorzubereiten, um genügend, am Bedarf orientierten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.
Insofern verwundert es nicht, dass das Jahr 2014 durch die Diskussion um bezahlbare, barrierefreie Wohnungen in Marburg und im Besonderen am Richtsberg gekennzeichnet ist. Etliche Bürgerversammlungen am unteren und auch am oberen Richtsberg bestimmten die Öffentlichkeitsarbeit der Kommune mit der planenden Wohnungsbaugesellschaft GWH und den Anwohnern.
In den Debatten um geeignete Bauflächen, die Höhe der Häuser und die zur Verfügung stehenden Parkplätze, konnten durch die Einwendungen der Bewohner einige Änderungen der projektierten Planungsvorhaben bewirkt werden. Der ins Laufen gebrachte Prozess ist  noch nicht abgeschlossen, es gibt noch vieles zu verbessern. Deshalb stelle ich im folgenden Beitrag einige meiner Ideen, Vorstellungen und Wünsche für die Zukunft des Stadtteils Richtsberg vor, ohne auf die Planungen der Wohnungsbaugesellschaft im Einzelnen einzugehen.

Kinder mit Malsachen auf einem Platz

Bunt und farbenfoh geht es zu, wenn der Kunstkoffer zum Christa-Czempiel-Platz am  Richtsberg kommt. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Kinder
Eltern sollen die Möglichkeit haben bei Bedarf möglichst früh pädagogische Betreuungsangebote zu nutzen. Diese Angebote sollen von der Allgemeinheit finanziert werden. Der Betreuungsschlüssel für Erzieherinnen und die räumliche und materielle Ausstattung sollen an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet sein.
Nicht nur das direkte Wohnumfeld, sondern der ganze Stadtteil ist kindgerecht zu gestalten. Dies soll auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes geschehen, wie es in anderen Städten entworfen und umgesetzt wurde. Eine Arbeitsgruppe aus Lehrern, Eltern, Mitarbeitern der Verwaltung, des Gesundheitsamtes, Vertretern von Vereinen und Initiativen sowie interessierte Bürgerinnen können die guten Beispiele sichten und auf die Verhältnisse am Richtsberg zurechtschneiden. Eine deutliche Umgestaltung der Verkehrsflächen, abgestimmt auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer, wird sicherlich ein wesentliches Element dieses Konzeptes sein.

Schülerinnen und Schüler
Am Richtsberg gibt es zwei Schulen, die Astrid-Lindgren-Schule eine Grundschule und die  Richtsberg-Gesamtschule (RGS).  Aus Sicht der dort tätigen Pädagogen sind beide Schulen bereits heute überfüllt.
Angesichts der geplanten Wohnraumverdichtung im Stadtteil, ist mit einigen hundert Schulkindern in den nächsten Jahren zu rechnen. Schon aus diesem Grund muss auch der Ausbau der beiden Schulen auf die Agenda gesetzt werden. Obendrein verlangt Inklusion – z.B. die Arbeit mit Menschen mit Behinderung – eine besondere pädagogische Betreuung und eine entsprechende personelle Auswahl bzw. einen entsprechenden fachlichen Hintergrund des Lehrerkollegiums an den Schulen.

Insgesamt ist eine Aufstockung des personellen und materiellen Ausstattungsbedarfs an der RGS nötig. Hier ist der Schulträger, die Stadt Marburg, gefordert. Die Ganztagsbetreuung ist auszudehnen, um dem Missstand abzuhelfen, dass – wie Studien zeigen – in Deutschland die soziale Herkunft viel stärker über Bildungs- und Lebenschancen entscheidet als in vergleichbaren Ländern. Diejenigen Projekte sind vorrangig zu fördern, welche insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial und materiell benachteiligten Familien betreffen. Die Einrichtung einer Berufsfach- oder einer Fachoberschule ist zu begrüßen und zu unterstützen.

Jugendliche
Die vielen Jugendlichen am Richtsberg sind mehr in den Stadtteil zu integrieren.
Zu diesem Zweck sollen den Jugendlichen im Stadtviertel sinnvolle Betätigungen angeboten werden. Hier ist Phantasie und Kreativität gefragt. Mit dem Boxclub am unteren Richtsberg ist ein Anfang gemacht worden. Allerdings wären weitere Einrichtungen wie z.B. die Einrichtung einer „Schrauberwerkstatt“ für jugendliche Zweirad- und KFZ-Fahrer sinnvoll. Hinsichtlich einer Ausbildung der Jugendlichen im Stadtteil ist die Ansiedlung kleiner Gewerbe am Richtsberg dringend geboten.

Um die Beteiligung der Jugendlichen am Gemeinwesen zu fördern, sind geeignete Formen von Partizipation zu entwickeln. Ein demokratischer, selbstbestimmter Jugendrat müsste das angestrebte Ziel sein. Der Einsatz von StreetworkerInnen, die in die Lage versetzt werden eine mobile, aufsuchende Sozialarbeit zu leisten, soll den Kontakt zu den Jugendlichen herstellen und Vertrauen aufbauen. Um letztlich Kenntnis von den Problemen Jugendlicher zu erlangen und diese gemeinsam mit den Heranwachsenden überwinden zu können. Das kann in Verbindung mit den sozialen Trägern im Wohnquartier und auch darüber hinaus erfolgen.

Bündnis für Familien
Die Sicherstellung guter Betreuungsangebote, wie z.B. Kleingruppenarbeit oder Schuldner- Paar- und Familienberatung, sind angesichts der Problemsituation vieler Familien erforderlich um aus schwierigen  Situationen heraus zu finden. Insbesondere bei Armut und der durch die Hartz-Gesetze verursachten prekären Lebenslagen sind Beratungs- und Präventionsangebote auch im Hinblick auf Gewalt in Familien unerlässlich.
Diese Dienste sind im Stadtteil anzubieten. Lebenslanges Lernen bleibt für viele Menschen eine Utopie, weil sie nicht einmal in der Lage sind Kurse der VHS zu bezahlen. Deshalb wäre die Belegung von mindestens zwei kostenfreien Kursen pro Semester sicher hilfreich.

Ältere Menschen
Im Bewusstsein, dass im größten Stadtteil Marburgs besonders viele SeniorInnen leben und die Einrichtung der Stiftung St. Jakob am oberen Richtsberg nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, hat der Ortsbeirat 2014  den Beschluss gefasst, sich am bestehenden Gebäude für Seniorinnen in Cölbe zu orientieren, um die dadurch wegfallenden Planungskosten einzusparen und ein gleichartiges Gebäude, am oberen Richtsberg neu zu errichten. Damit wäre gewährleistet, dass dort mehr als siebzig ältere Menschen eine Wohnung fänden, mit dem Ziel, dass die Basis einer finanzierbaren Pflege erhalten würde.
Im gegenwärtigen Konzept ist der Umbau des bestehenden Gebäudes festgelegt. Der Entwurf sieht eine Reduzierung der Betten von ursprünglich 139 auf 80 vor. Im Haus soll es Wohngruppen geben, ein Mix aus vollstationären Plätzen und Wohngemeinschaften das als „Marburger Modell“ bezeichnet wird.

In diesem Hochhaus am Richtsberg ist das derzeitige Altenzentrum einbehaust. Inzwischen wohnen dort zusätzlich Studierende. Foto Hartwig Bambey

In diesem Hochhaus am Richtsberg ist das Altenzentrum eingehaust. Inzwischen wohnen dort zusätzlich Studierende. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Die Bewohner sollen über eigene Wohnräume mit Bädern verfügen und Wohnküchen gemeinschaftlich nutzen können. Die Balkone können nach der Sanierung als Wintergärten, bzw. als Wohnfläche, genutzt werden.  Im Erdgeschoss ist ein Begegnungszentrum vorgesehen, die Verwaltung soll dort ebenfalls ihren Sitz haben.
In den Etagen 1 bis 4 wird es nach dem Entwurf je zwei Wohngruppen mit je sechs Plätzen und acht vollstationären Pflegeplätzen geben. Die oberen drei Etagen waren zuletzt an Studierende vermietet worden. Aufgrund guter Erfahrungen soll diese Wohnform beibehalten werden.
Eine ausreichende, am Bedarf und nicht an der Kassenlage orientierte Personalausstattung ist Grundvoraussetzung für eine qualifizierte Altenpflege. Gut ausgebildetes Personal ist nicht für einen geringen Lohn zu haben.
Für die wirksame Interessenvertretung der älteren BewohnerInnen wäre die Einbeziehung eines SeniorInnen- und Behindertenrats mit einer Vertretung in der Einrichtung erforderlich.

Neue Betreuungs- und Wohnformen wie „Begegnung der Generationen“ oder Wohngemeinschaften sind ein in die Zukunft weisender Weg.
Generationen übergreifende Angebote, wie zum Beispiel Jugend- und Seniorentreff unter einem Dach sind vernünftig. Gemeinsame Wohnprojekte für Alt und Jung oder Projekte für Mehrgenerationenhäuser und Wohngemeinschaften wären sicher realisierbar.

MigrantInnen
Die fast einhundert am Richtsberg vertretenen Nationalitäten benötigen vorrangig
die Grundlage einer Gemeinschaft und das ist die gemeinsame Sprache. Ohne gemeinsame Sprache keine oder nur eine dürftige Verständigung. Kostenfreie Deutschkurse für Menschen mit Migrationshintergrund sind aus diesem Grund unabdingbar. Idealerweise wird die Sprachbildung nicht in trockenen Schulkursen betrieben, sondern im Alltag, im normalen Lebensumfeld, also im Wohnquartier selbst.

Insofern wäre ein Angebot unter diesem Gesichtspunkt für MigrantInnen am Richtsberg vernünftig. So gesehen kann diesem Mangel dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die MigrantInnen pro Semester mindestens zwei Kurse bei der Volkshochschule (VHS) kostenfrei belegen können.
Eine Zusammenarbeit, über die im Stadtteil sozial tätigen Institutionen hinaus, mit dem Ausländerbeirat am Richtsberg, wäre begrüßenswert um auch den spezifischen Bedürfnissen der MigrantInnen gerecht zu werden.

Soziales und Bildung
Die Richtlinien des Stadtpasses sind anzuheben, um dem besonders hohen Anteil der Berechtigten in unserem Stadtteil eine Hilfe anzubieten. Wohngeldempfänger, Empfänger von Grundsicherung im Alter, Hartz IV-Empfänger und andere einkommensschwache Menschen sollen den Stadtpass erhalten. Die kostenfreie Teilnahme an mindestens zwei Kursen der VHS pro Semester, verbilligte Eintrittskarten im Aquamar und ein billiger öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) mit Perspektive „Nulltarif“ sind die wichtigsten Leistungen eines neu aufzulegenden Stadtpasses. Eine Zweigstelle der VHS auf dem Richtsberg oder zumindest das Angebot einer größeren Anzahl von Kursen vor Ort, wird von den Bewohnern sicher gern angenommen. Das muss drin sein…

Kultur und Feste
In der ursprünglichen Planung des Stadtteils war ein Bürgerzentrum für den Oberen Richtsberg vorgesehen, in dem sich eine Cafeteria, ein Treffpunkt für die Bürger, eine Kneipe, ein Kino und vieles mehr befinden sollte. Leider wurde es nie gebaut. So errichtete ein Investor Mitte der achtziger Jahre eine Einkaufspassage, die im Zusammenwirken mit dem Gemeinschaftszentrum und dem Vereinstreff als ein urbaner Mittelpunkt des oberen Teils des Stadtviertels angesehen wird.

Für größere Familienfeiern, Feste und ähnliches wird ein größerer Raum für mindestens 200 Personen benötigt. Um die Gemeinschaft der Bürger dieses Wohnquartiers zu fördern, ist es zweckmäßig, Feste, wie sie zum Teil bereits stattfinden, regelmäßig anzubieten und neue Veranstaltungsformen auszuprobieren. Für kulturelle Veranstaltungen mit bekannten Künstlern sind Auftrittsmöglichkeiten auszuloten. Kultur, Kunst, Film und Musik brauchen auch in unserem Stadtteil Räume.

Siedlungsbau

 

Stadtteil ohne Rauch und Ruß, eine sozial- ökologische Alternative

„Ein Stadtteil ohne Rauch und ohne Ruß mitten im Wald“, so lautete der beschönigende Aufmacher der örtlichen Presse am Beginn der siebziger Jahre zur Bebauung des Richtsbergs. Verschwiegen wurde seinerzeit, dass dieser Stadtteil in den überörtlichen Medien mit den Trabantenstädten München (Hasenbergel), Darmstadt (Kranichstein) und Berlin (Märkisches Viertel) verglichen wurde.
Trabantenstädte sind Vororte einer größeren Stadt, die nicht eigenständig sind, sondern hauptsächlich aus Wohngebieten für Pendler bestehen und sich durch eine geringe Arbeitsplatzdichte auszeichnen. Sie besitzen wenig eigene Infrastruktur, die sich auf verkümmerte eigene Funktionen beschränkt, etwa auf Einzelhandelsgeschäfte des täglichen Bedarfs und Schulen. Trabantenstädte sind eine neuzeitliche Erscheinung – sie wurden und werden gebaut, um den Wohnraumbedarf für die Kernstadt decken zu können.

Dennoch, und das wäre auch ein Teil meiner Zukunftsvorstellungen, könnte der Richtsberg tatsächlich ein Stadtteil ohne Rauch und ohne Ruß – zwar nicht mitten im Wald – aber in einer schönen Parklandschaft am Rande des Waldes werden. Zur Umsetzung dieser Vorstellung müssten die politisch Verantwortlichen von der Denkweise, die Stadt als  Unternehmen und in Konkurrenz mit anderen Städten zu begreifen, Abstand nehmen, um einer Politik der Nachhaltigkeit, der Bürgernähe und einer wirklichen Bürgerbeteiligung den Vorrang zu geben. Zur Umgestaltung des Wohngebiets bedarf es einiger Phantasie. Um die triste Punktbau- und Reihenhaussiedlungsgestaltung der frühen sechziger Jahre zu überwinden, wären Modelle wie sie von Rüdiger Kramm aus Darmstadt Mitte 90er Jahre beschrieb umzusetzen.

Die Modul- bzw. Systembauweise ist sicher eine Alternative auch für Wohngebäude: Auch Module können – qualitativ hochwertig, aber dennoch kostengünstig – maßgeblich zur schnellen Beseitigung von Wohnraum-Engpässen in unseren Kommunen beitragen. Dies ist möglich, weil beim systematisierten Bauen viele Teile bis hin zu ganzen Wohnmodulen industriell vorgefertigt und anschließend auf der Baustelle montiert werden. Ein hoher Wiederholungseffekt senkt die Baukosten.

Familienheim Schwarzwald-Baar-Heuberg eG . Foto aus Detail – Zeitschrift für Architektur + Baudetail

Familienheim Schwarzwald-Baar-Heuberg eG . Foto aus Detail – Zeitschrift für Architektur + Baudetail

Wohnungen in serieller Bauweise zu errichten, habe angesichts des steigenden Nachfragedrucks nach bezahlbarem Wohnraum eine Reihe von Vorteilen: Die Kosten für Bauherren und damit anschließend auch für die Mieter seien bei seriell gefertigten Gebäuden geringer als bei herkömmlichen Bauten. Außerdem können sie deutlich schneller errichtet werden, was angesichts der steigenden Zuwanderung gerade in die deutschen Großstädte entscheidend ist.
„Beim Seriellen Bauen von heute muss ein hoher Qualitätsanspruch im Vordergrund stehen“, so der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW Axel Gedaschko. Und weiter: „Keinesfalls darf unter dem Druck von Zeit und Kosten der schwer vermietbare Wohnraum der Zukunft produziert werden. In punkto Funktionalität und Gestaltung muss Monotonie unbedingt vermieden werden. Darüber hinaus muss mit der Ressource Raum verantwortungsvoll umgegangen und die demografischen Entwicklungen sowie die Energiewende in den Konzepten unbedingt integriert werden“.

 

Solar-Module auf Dach am Richtsberg

Solar-Module auf Flachdach am Richtsberg

Regenerative Energie am Richtberg

Als zu Beginn der siebziger Jahre das Uni-Heizkraftwerk auf den Lahnbergen in Betrieb ging, bestand die Möglichkeit, die schon damals restlos überdimensionierte Anlage, als Fernheizung für den gesamten Richtsberg zu nutzen. Allerdings hätten sich die Marburger Kommunalpolitiker mit den Wohnungsbaugesellschaften und mit Landespolitikern an einen Tisch setzen müssen um ein Konzept zur zentralen Versorgung des Richtsbergs mit Fernwärme auszuarbeiten. Die Anlage gilt als ineffizient, veraltet und steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Aber das ist Schnee von gestern.
Heute besteht die Möglichkeit, die in unserem Stadtteil häufig vorkommenden Flachdächer auf den sogenannten Punktbauten mit Photovoltaik und Solarthermie  (zur Umwandlung der Sonnenenergie in nutzbare thermische Energie) zu versehen und damit die Wohnungen mit Strom und Wärme zu versorgen. Eine zusätzliche Dachbegrünung, auf den häufig vorkommenden Flachdächern, würde zur Verbesserung der Sauerstoffbilanz und als Feinstaubfilter dienen.
Die hinreichende energetische Optimierung der Gebäude würde dazu führen, dass der Standard eines Niedrigenergiehauses erreicht wird. Dämmungen mit Polystyrol also mit Styropor müssten, im Hinblick der Diffusionsfähigkeit der Wände, angesichts drohender Schimmelbildung in den Innenräumen und der  latenten Brandgefahr auf den Prüfstand.
Ingenieure der TU Darmstadt haben Modelle zu sogenannten Energie Plus Häusern erarbeitet, was die Möglichkeit bieten würde, Energie, welche durch die Gebäude produziert wird, in die hiesigen Netze einzuspeisen. Der Kostenaufwand dieser Gebäude sei nicht wesentlich höher, wie in einer Diskussionsrunde am Richtsberg glaubhaft versichert wurde.
Zusätzlich könnte neben dem bereits bestehenden Blockheizkraftwerk (BHKW) auch geothermische Energie (Bohrungen bis ca. 100m Tiefe) mittels Wärmetauscher bzw. Kraft Wärme Kopplung genutzt werden.
Neben der Energieeinsparung, wären die genannten energetischen Alternativen die wichtigsten regenerativen Energieträger, um das gesamte Wohngebiet von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen.

Zigaretten und Postzustellung, Leben in der Stadt braucht mehr. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Zigaretten und Postzustellung, Leben in der Stadt braucht mehr. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Lebensqualität FÜR ALLE verbessern

Eine Verbesserung der Lebensqualität in den jeweiligen Wohnquartieren wäre vorstellbar, durch die Veränderung des Stadtgrüns von reinen Zierpflanzungen hin zu einer „essbaren Stadt“, also die  Entwicklung einer lebendigen und produktiven Stadtlandschaft im Kontext von „urban gardening“.
•    Gärtnernd den Stadtteil verwandeln: mit Frucht- und Obstgehölzen, Nutzbiotopen, Gemüsegärten, Gemeinschaftsgärten, Nischen gestalten
•    den lokalen Selbstversorgungsanteil erhöhen
•    die inneren Austauschbeziehungen und den sozialen Zusammenhalt stärken für das Gemeinwohl Anbau von Nutzpflanzen die essbar sind
•    gartenbauliche und Erzeugnis verarbeitende Kulturtechniken vermitteln
•    die Ästhetik der Kulturpflanzen sichtbar machen
•    Nutzungsstrukturen entwickeln für Pflege, Ernte und Verteilung der Fülle

Die Umwandlung des Wohngebietes zu einer Parklandschaft die unter anderem Kindern bessere Möglichkeiten zum Spielen eröffnet. Eine Umsetzung des Projektes „Kindgerechter Stadtteil“ wäre eine Herausforderung.
Das großzügige Anlegen von Verweilplätzen in Form von Pavillons, Grillplätzen, Spielmöglichkeiten auf Freiflächen wie Schach etc.
Bei der projektierten Wohnraumverdichtung könnten sogenannte Hofgärten in die Planung des sozialverträglichen Wohnens einbezogen werden. Insofern wären auch internationale und interkulturelle Mietergärten mitten im Wohngebiet vorstellbar. Auch eine Verbesserung der Durchwegung ist im Wohngebiet „Schlammhausen“, also am unteren Richtsberg, dringend geboten.
Die auf den Weg gebrachten Planungen zur Wohnraumverdichtung in unserem Stadtteil müssen die sozialen, die infrastrukturellen und die räumlichen Belange in ihr Konzept einbeziehen. Deshalb sollten nicht nur die Wohnbauten in den Blick genommen werden sondern das gesamte Umfeld.

In dem Baugebiet, das Ende der 50er Jahre „Beltershäuser Straße“, später „Schlammhausen“, und anschließend der untere Richtsberg hieß, entstanden 850 Sozialwohnungen. Seinerzeit wurde auf eine soziale Durchmischung in den Wohnquartieren geachtet. Menschen am gesellschaftlichen Rand fanden dort ebenso eine Heimat, wie Arbeiter und Angestellte, Lehrer und Politiker sowie Selbstständige.

Ob diese Form des Zusammenlebens auch heute noch so besteht, ist zweifelhaft. Gerade bei der gegenwärtig stattfindenden Wohnraumverdichtung, also den  Neubauten – hauptsächlich am unteren und oberen Richtsberg – ist es fraglich ob dieses Grundkonzept noch beibehalten wird. Ein Kino in kommunalen Räumen am Oberen Richtsberg, eine Leihbücherei und ein Café sind weitere Bausteine für einen lebenswerten Stadtteil. Die Attraktivität des Richtsbergs als Wohnquartier kann auch durch eine ansprechende Gastronomie gesteigert werden.

Der Richtsberg hat finanzielle Förderung aus dem Programm Soziale Stadt erhalten. Über zehn Jahre hat davon Marburg profitiert, konnten mehrere Millionen Euro im größten Stadtteil als Trabanten- und Migrantensstadtteil investiert werden. Foto Hartwig Bambey

Wohnen ist mehr als nur ein Dach über dem Kopf

Für Familien mit geringem Einkommen sowie für Menschen unter Hartz IV muss eine Wohnung bezahlbar sein, auch große Wohnungen für kinderreiche Familien. Die notwendige Sanierung von Wohnungen soll so finanziert werden, dass die Mieten nicht steigen. Die Nebenkosten, mittlerweile fast eine zweite Miete, sind zu begrenzen, damit nicht noch mehr Anwohner in die Armut gedrängt werden. Modelle für die energetische Optimierung und damit die Begrenzung der Nebenkosten sind zu prüfen. Aufgrund des großen Anteils an Gasheizungen am Richtsberg wäre ein einheitlicher Sozialtarif für Energie ein wichtiger Bestandteil zur finanziellen Entlastung für prekär Beschäftigte und arme Menschen.

Steigende Gaspreise belasten die einkommensschwache Bevölkerung am Richtsberg über Gebühr. Die Stadt Marburg als alleinige Gesellschafterin der Stadtwerke hat auf Preispolitik Einfluss zu nehmen, was die Kommune durch die Einführung eines Sozialtarifs realisieren könnte. Die Frage muss erlaubt sein, was für eine Stadt wichtiger ist: Hohe Gewinne der städtischen Firma oder bezahlbare Energie für die Menschen. Wenn wegen hoher Gaspreise lebensnotwendige Dinge nicht mehr erstanden werden können, ist die Grenze des sozial verträglichen eindeutig überschritten.

Im Übrigen, führt der dauerhaft ansteigende Mietsatz dazu, dass – für wirtschaftlich schlechter gestellte Mieter – zur Verfügung stehende „Kosten der Unterkunft“ (KdU) (MR./Ein-Personen-Haushalt 45 m²; 325,00 €) nicht mehr ausreichen die Mieten voll zu decken, was unter anderem dazu führt, dass die zuständigen Stellen die Mietzahlung nicht mehr voll übernehmen sondern vom gegenwärtigen Regelsatz (Einzelhaushalt 404,00 €) abziehen. Mittelfristig wäre zu prüfen den Richtsberg zum einem „Modell“ für regenerative Energieerzeugung zu erklären.

Insofern ist neben dem unmittelbaren Energiesparen zu evaluieren ob und wie die Energie für Heizung und Warmwasser vollständig aus regenerativen Quellen gewonnen werden kann.
Unabdingbare Voraussetzung für diese Umstellung ist eine energetische Optimierung des Baubestandes. Wohnungsbaugesellschaften, Stadtwerke und die verantwortlichen Kommunalpolitiker sollen Investitionen für Energieeinsparung finanzieren. So blieben für die Zukunft Preissteigerungen für Heizung und Warmwasser ausgeschlossen und durch Einsparungseffekte ist sogar eine Kostensenkung zu erwarten.

Unser Stadtteil soll energetisch so optimiert und saniert werden, dass der  Wärmebedarf vollständig aus regenerativen Energien gedeckt wird. So werden hoffentlich bald solarthermische und photovoltaische Kollektoren auf allen Dächern des Richtsberges zu sehen sein.

Vitos-Gelände und Unterer Richtsberg

Die teilweise Umnutzung, die Bebauung des heutigen Vitos Geländes – das Gelände des ehemaligen Landeswohlfahrtsverbandes – ist für die kommenden Jahre vorgesehen. Eine allgemeine Nutzung des parkähnlichen Anwesens an der Cappeler Straße als Naherholungs- und Verweilraum schont die Umwelt, verhindert weitere Versiegelung und eröffnet für die fußläufige Anbindung des Richtsbergs an die Kernstadt ungeahnte Möglichkeiten. Zur Vermeidung von Angst-Räumen wird die Gestaltung der Grünanlagen (Hecken, Bäume usw.) parkähnlich, also möglichst offen und licht angelegt. Die alten Bäume in dem Gelände sind zu erhalten. Eine projektierte Bebauung hat darauf Rücksicht zu nehmen.

Der Umbau des kleinen Einkaufszentrums in der Friedrich-Ebert-Straße zu einem wirklichen Marktplatz ist zeitnah einzuplanen.
Viele Aufwölbungen, Löcher und schlechte oder überhaupt nicht vorhandene Beleuchtung, machen die Wege für viele Anwohner am unteren Richtsberg nahezu unpassierbar. Die Verbundpflaster sind oft zerbrochen, geflieste Wege als Verbindung zwischen den Häusern angelegt, hören vor Trampelpfaden auf bzw. gehen in diese über. Wegebeziehungen sind kaum oder gar nicht mehr erkennbar. Alles in allem ein unzumutbarer Zustand, unfallträchtig noch dazu, den es schnellsten zu beseitigen gilt und der in das Konzept der projektierten Häuser integriert werden muss. Die Trampelpfade am unteren Richtsberg, zwischen den Häusern sind durch die natürliche Nutzung der Bewohner entstanden, vor allem als die kürzeste Verbindung zweier Punkte und sollten naturverträglich befestigt werden.

Der Weg oberhalb des Vitos- Geländes (zwischen Vitos und Berliner Straße) wurde mit der Wegführung, den Papierkörben, den Bänken und der Beleuchtung vorbildlich angelegt. Es ist zu wünschen, dass dieses Vorbild auf die Wegegestaltung und -ausstattung auf den gesamten Bereich des Richtsbergs ausgedehnt wird.
Bei der einschneidenden Nachverdichtung des unteren Richtsbergs mit Sozialwohnungen, muss abschließend darauf geachtet werden, dass die Infrastruktur insbesondere die Soziale den gegebenen Bedingungen angepasst wird. Der untere Richtsberg ist deshalb in allen Belangen neu zu überplanen.

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Der Richtsberg eignet sich ausgezeichnet für die Umsetzung eines modernen, auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer zugeschnittenen Mobilitätskonzeptes. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) mit Perspektive „Nulltarif“, Radfahren und zu Fuß gehen ist der Nutzung von lärmenden, stinkenden und vor allem Kinder gefährdenden Autos dem MIV (Motorisierter Individualverkehr) vorzuziehen. Darüber hinaus muss ein Umdenken, weg vom KFZ und weg vom Dauerlärm stattfinden. Die zunehmende Vergiftung der Luft ist gerade im Hinblick auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer nicht mehr zumutbar. Ein Radwegeplan und Radwege zum Richtsberg wäre für den Stadtteil sinnvoll.

Die Kritik an Linienführung, Vertaktung und Service der Stadtwerke bleibt leider bestehen obwohl sich einiges verbessert hat. Hier ist nach wie vor die Aufgabe das Buskonzept nachzubessern. Die Preisgestaltung für den hiesigen ÖPNV ist derzeit für viele Bewohner des Richtsbergs kaum zu bezahlen.

Die Ausstattung der Haltestellen ist nicht in allen Fällen optimal. Für ältere Mitbürger sind die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Busse kaum zu lesen. Insofern wäre der rasche Ausbau der Anzeigen mit LED-Laufschrift sicher ganz im Sinne der älteren Generation. Mehr Sitzgelegenheiten schaden gewiss auch nicht. Die Einführung eines Seniorentickets wäre eine sinnvolle Maßnahme zur Entlastung des motorisierten Individualverkehrs und würde damit zum Umweltschutz beitragen, so lange der  ÖPNV zum Nulltarif  noch nicht eingesetzt ist.

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Bauliche Verdichtung in der Friedrich-Ebert-Strasse. Sternbald-Foto Hartwig Bambey

Die Anwohner des unteren Richtsbergs sind einem enormen Anstieg des Bau- und Verkehrslärms, der Luftverschmutzung und der Vergiftung ihrer Umwelt ausgesetzt.
Der drastisch angestiegene Verkehr und die Folgen bereits begonnener Baumaßnahmen – der Neubau von Sozialwohnungen –, mutet den Anwohnern  einfach zu viel zu. Dabei darf nicht wie bisher der Verkehr oder einige private Belange im Mittelpunkt des Interesses stehen sondern der Mensch.
Der Gehweg von der Berliner Straße (parallel zur Sonnenblickallee) bis zur Überführung über die Sonnenblickallee müsste aus sicherheitstechnischer Sicht beleuchtet werden. Ein Rückbau der Straße am Richtsberg sowie die Reduzierung zu breiter Einmündungen tragen zur Verkehrssicherheit bei.

das Marburger unterstuetzenSchlussbetrachtung
Ein umfassend sozial-ökologischer Umbau des Richtsbergs bleibt einer Stadt- und Sozialplanung vorbehalten. Einer Planung die bereit ist, zuerst eine umfassende Stadtteilanalyse durchzuführen, um von erkennbaren Mängeln die Überwindung dieser Missstände anzustreben. Einer Planung die in eine fortschrittliche Entwicklung für alle Menschen im Wohnbezirk einmündet.

Von Ortsbeirat und Kommunalpolitik war bisher nur am Rande die Rede. Um die skizzierten Veränderungen und Entwicklungen voranzutreiben, bedarf es der Unterstützung der Kommunalpolitik. Dies bedeutet zum einen, dass öffentliche Gelder in die Infrastruktur aber auch in soziale Einrichtungen fließen werden. Doch Geldmittel sind für die Entwicklungschancen unseres Stadtteils nicht alleine ausschlaggebend.

Es wird darauf ankommen, ob in einer konzertierten Aktion der Einwohner, der Vereine und Initiativen, der Gewerbetreibenden und der Mitarbeiter der öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen am Richtsberg das Leitbild einer sozial- ökologischen Wende entsteht, das Schritt für Schritt umgesetzt werden kann. Der Ortsbeirat kann und soll in diesem Prozess die Rolle eines Moderators übernehmen.

Als Vorbild dienen die vierzig Kapitel der Agenda 21, verabschiedet auf dem Kongress in Rio 1992. Oftmals fälschlicherweise als reiner Umweltkatalog bezeichnet, betrachtet die Agenda 21 die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. In Marburg haben viele Agendagruppen sich daran beteiligt Leitbilder und Handlungsvorschläge für einzelne Bereiche zu entwickeln. Die Hoffnungen der Menschen wurden enttäuscht, weil die Früchte ihrer Arbeit in den Schubladen der Verwaltung verstauben. Dies soll auf dem Richtsberg nicht passieren.

Daher ist es anzustreben mit vielfältigen Formen der Bürgerbeteiligung wie Bürgerversammlungen, einer Zukunftswerkstatt und einem Runden Tisch den Prozess einer nachhaltigen Entwicklung in Gang zu setzen. Das Bestreben könnte sein, das Konzept unter aktiver Beteiligung der Bewohner einer nachhaltigen Entwicklung für unseren Stadtteil fertig zu stellen.

Bernd Hannemann lebt am Richtsberg, ist Mitglied des Ortsbeirats und des Kreistags für die Partei ‚Die LINKE’

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