Marburg und Moshi: „Ruf nach Wiedergutmachung“ – Ausstellung zur Kolonialzeit im Rathaus Marburg

Die Ausstellung „MAREJESHO“ thematisiert die Kolonialherrschaft und deren Folgen in Tansania für die Bevölkerung. Sie kann bis zum 6. Juli im Marburger Rathaus besucht werden. Foto Rebecca Druschel
02.06.2025 (pm/red) „MAREJESHO – Ruf nach Wiedergutmachung seitens der Völker des Kilimandscharo und des Meru“ lautet der Titel der Ausstellung bis zum 6. Juli im Marburger Rathaus. Die Ausstellung thematisiert die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania. Eintritt frei.
„Die MAREJESHO-Ausstellung thematisiert die Verbrechen der Kolonialherrschaft in Tansania. Dabei geht es nicht um Schuld oder Schuldzuweisung, sondern um Erinnerung und Auseinandersetzung. Denn wir wissen um die Gewalt, die auch von mittelhessischen Städten ausging. Die verursachte Gewalt und die Verbrechen der Kolonialzeit wirken bis heute nach, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zur Eröffnung.
Kritischer Dialog statt Vergessen – dazu will die Ausstellung einladen und steht dabei für städtepartnerschaftliche Verbindung zwischen Marburg und Moshi in Tansania, die siebte Partnerstadt Marburgs. Die Stadt liegt im Nordosten von Tansania am Südhang des Kilimandscharo, direkt an der Grenze zu Kenia. Sie hat 220.000 Einwohner, ist Universitätsstadt und die Hauptstadt der Region Kilimandscharo und des Distriktes Moshi.
Denn die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania wurde mit viel Gewalt durchgesetzt, wird informiert. So ließen Kolonialherren Anführer der lokalen Gruppen öffentlich erhängen. Sie schickten Körperteile der Anführer und traditionell bedeutungsvolle Wertgegenstände nach Deutschland. Sie lagern bis heute in Depots deutscher Museen.
„Ruf nach Wiedergutmachung“
Seit mehr als 50 Jahren fordern Angehörige der Ermordeten die Rückkehr ihrer verschleppten Vorfahren. 2022 reiste die mobile Recherche-Ausstellung „Marejesho“ – das bedeutet „Rückkehr“ oder „Rückgabe“ auf Swahili – in sechs Dörfer am Kilimanjaro und Meru. Sie sollte an das Geschehene erinnern und die historische Chance der Aufarbeitung und Wiedergutmachung durch deutsche Museen an die Menschen in Tansania anmahnen.
In der daraus entstandenen MAREJESHO-Ausstellung stehen Fragen und Erwartungen der Gemeinschaften am Kilimanjaro und Meru im Mittelpunkt. Thematisiert wird die Notwendigkeit von Rückgabe und Rückführung sensibler Objekte. Zugleich solle der Reichtum mündlicher Überlieferungen und die Komplexität (post-)kolonialer Beziehungen aufgezeigt werden.
Prof. Dr. Harald Renz vom Freundeskreis Marburg-Moshi holte die Ausstellung MAREJESHO nach Marburg und berichtete, dass er durch die Klinikpartnerschaft zwischen Marburg und Moshi erstmals von den Verbrechen der Deutschen während der Kolonialzeit gehört hatte. Danach sei er mit den Mitarbeitern der Klinik in Moshi in Kontakt getreten und habe von den menschlichen Überresten erfahren, die damals nach Deutschland entführt worden waren.
„Wunden heilen heißt Wunden schließen, Wunden versorgen und die Entzündung, die da ist, zur Ruhe bringen“, betonte Renz.
Die Frage nach dem ethischen Umgang mit menschlichen Überresten spielt in Marburg eine besondere Rolle. So beschäftigen sich Beteiligte aus dem universitären Verbundprojekt „Agency und Ethik – Sensible Objekte in Hochschulsammlungen“ zusammen mit vier deutschen Kooperationsmuseen mit diesem Thema. Diese postkolonialen und ethischen Fragen sollen auch für das zukünftige Museums- und Sammlungskonzept für das Landgrafenschloss eine wichtige Rolle spielen.

Die Kuratoren Mnyaka Sururu Mboro, Sarita Lydia Mamseri und Konradin Kunze berichten zur Eröffnung vom Entstehungsprozess der Ausstellung „MAREJESHO“. Foto Rebecca Druschel
Als Kuratoren haben Mnyaka Sururu Mboro, Konradin Kunze und Sarita Lydia Mamseri die Ausstellung bei einem Rundgang vorgestellt. In einem Ritual anlässlich von Beerdigungen wird Flüssigkeit in eine Pflanze gegossen. Mboro berichtete wie seine Großmutter ihm von den Verbrechen der Deutschen erzählte und ihn gebeten hatte, sich dafür einzusetzen, dass die sterblichen Überreste zurück in die Heimat gebracht würden.
Mit einer Gestaltung als multimedialen Präsentation wird mit Fotografien, Kunstobjekten und Videoinstallationen gearbeitet. Nicht nur gestohlene Kulturgüter wurden aufgespürt. DNA-Tests machten es möglich menschliche Überreste zu identifizieren und ihren Familien zurückzubringen.
Öffnungszeiten
- Montag bis Mittwoch von 9 bis 16 Uhr
- Donnerstag von 9 bis 18 Uhr
- Freitag von 9 bis 12:30 Uhr und von 14 bis 18 Uhr
- Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr
Begleitprogramm und Themenführungen für Schulen
Themenführungen für Schulen sowie außerschulischer Bildung können gebucht werden und jeweils mittwochs von 10 bis 12 Uhr stattfinden, nach Absprache auch während der täglichen Öffnungszeiten des Rathauses von Montag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr und Freitag von 9 bis 12:30 Uhr. Interessiert wenden sich an Thomas Gebauer, thomas.a.gebauer@gmail.com.
Zur thematischen Vertiefung und schulischen Begleitung der MAREJESHO-Ausstellung wird ein Schreib- und Kunstprojekt organisiert, dessen Ergebnisse später präsentiert werden.
Info Städtepartnerschaft mit Moshi